CS- Nicht Dogmen, sondern Wahrheit


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Anderes von Charles Stanley

Die Christen sind immer, besonders wenn der Herr die Deinigen durch begabte Diener auf einzelne Wahrheiten ganz besonders hingewiesen hat, der Gefahr ausgesetzt, die Wahrheit in Dogmen und Glaubensbekenntnisse zu fassen. Wenn wir unsere Ideen über die einzelnen Grundsätze der Wahrheit aufmerksam prüfen, so werden wir dies bestätigt finden.

Unsere Gedanken sind z. B. beim Nachdenken über den Kolosserbrief häufig nur aus den Ausdruck „gestorben und auferweckt" gerichtet, und vielleicht denken wir weniger über den Inhalt dieser schriftgemäßen Worte nach, als dass wir uns eben damit begnügen, die göttliche Darstellungsweise, den Wortlaut dieser Wahrheit, festzuhalten. Aber das genügt nicht und führt uns nicht dahin, erfüllt zu sein „mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlichem Verständnis". Sicherlich besitzen wir in der Heiligen Schrift einen göttlichen Ausdruck der Wahrheit, aber wir erfassen diese Darstellung der Wahrheit nicht, indem wir uns ihren Wortlaut einprägen, sondern indem wir unter der Leitung des Geistes Gottes über die Wahrheit nachdenken und den Sinn und die Grundsätze des Wortes zu verstehen suchen.

Die Wahrheit lässt sich wohl durch Worte ausdrücken, aber sie lässt sich nicht erschöpfend in Worte fassen oder formulieren, wie dies in wohlgemeinter Absicht bei der Aufstellung von Glaubensbekenntnissen geschehen ist. Beschäftigen wir uns mit der Wahrheit, so werden wir mehr und mehr inne werden, wie unergründlich sie ist, und wie wir oft nur an der Oberfläche geschöpft haben, wo wir glaubten in deren Tiefen gedrungen zu sein, weil uns eben schriftgemäße Ausdrücke geläufig waren.

Ich möchte in der Begründung dieses Gedankens nochmals auf den Kolosserbrief hinweisen. Sicherlich redet der Apostel in diesem Brief davon, dass wir mit Christus gestorben und auferweckt sind, und wir haben dem Herrn viel zu danken, dass Er uns über diese erhabene Wahrheit belehrt und uns ihre Kostbarkeit und Tragweite hat sehen lassen. Doch sind wir in Gefahr, die tiefe Bedeutung dieser Wahrheit zu übersehen, wenn wir nicht durch die Belehrung des Geistes Gottes mit all dem beschäftigt werden, was dem Gestorben- und Auferwecktsein zugrunde liegt. Dann erst werden wir mit „dem Worte" und nicht mit Worten uns beschäftigen.

Hier im Kolosserbrief eröffnet uns der Apostel einen wunderbaren Gesichtskreis, und die Art, wie er über die Wahrheit redet, zeigt uns, wie sehr er selbst in diesen außerweltlichen Dingen zu Hause war und wie sehr sie seinen Geist erfüllten. Er geht im 1. Kapitel von der Versöhnung aus, durch die wir heilig und tadellos und unsträflich vor Ihn hingestellt sind, und die zu uns von dem Ende des ersten Menschen und dem Anfang der Schöpfung Gottes redet. Er kann auf Grund der Versöhnung dann sagen, dass Christus in uns ist, und dass er sich bemüht, „jeden Menschen vollkommen in Christus" darzustellen. Und dann kann der Apostel die Kolosser ermahnen: „Wandelt in ihm". Warum? Weil sie versöhnt und in Christus vollendet sind. In Ihm zu wandeln und in Ihm vollendet zu sein bringt uns aber dahin, in unserem Geiste wahr zu machen, dass wir mit Ihm gestorben und mit Ihm auferstanden sind; denn anders können wir nicht aus dem Bereich des Todes in den des Lebens hinüberkommen. So finden wir also in den Worten „gestorben und auferweckt" nicht nur eine Darlegung unserer „Stellung", wenn wir den Ausdruck gebrauchen wollen, sondern vielmehr eine Darlegung dessen, was für uns, die in Christus Vollendeten, möglich sein sollte. Am Ende des 2. Kapitels kommt dann der Apostel zum Höhepunkt seiner Ausführungen, wenn er vom „Festhalten des Hauptes" redet, aus welchem der ganze Leib das Wachstum Gottes wächst.

Wenn wir so den Gedankengang des Apostels verfolgen, dann vertieft sich bei uns die Erkenntnis dieser Seite der Wahrheit, und wir werden alsdann befähigt, anderen etwas darüber mitteilen zu können, denn erst, wenn wir etwas besitzen, können wir Rechenschaft davon ablegen.

Ein begabter Diener des Herrn hat einmal gesagt, dass, um die Worte der Heiligen Schrift zu verstehen, wir zuerst das besitzen müssen, wovon die Worte reden. Sind uns unsere Sünden vergeben, dann erst können wir verstehen, was die Schrift darüber sagt; haben wir ewiges Leben, dann wird es uns nicht schwer werden, das zu erfassen, was Johannes in seiner Epistel darüber schreibt. Der Besitz der Sache sollte uns dahin führen, mehr durch die Belehrung der Schriften darüber zu lernen und in der Betrachtung des göttlichen Gegenstandes mehr in seine tiefe Wirklichkeit einzudringen. Der Apostel flehte zu Gott, dass die Epheser erfassen möchten, welches die Breite und Länge und Tiefe und Höhe sei, und dass sie erkennen möchten, die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, und dass sie erfüllt seien zu der ganzen Fülle Gottes. Die Epheser sollten nicht bloß die an sie gerichteten Worte seiner Epistel verstehen, sondern sie sollten die ihnen durch den Apostel vorgestellten göttlichen Dinge ergreifen, um von ihnen erfüllt zu sein, und in ihnen zu leben.

Möge der Herr geben, dass wir mehr in den Dingen leben, die „droben" sind; dann werden wir auch besser die Heiligen Schriften verstehen.


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