RB- Was ist Anbetung?


Zurück zur Übersicht

Andere Schriften von Rudolf Brockhaus

Anbetung ist die Beschäftigung des Himmels und seiner Bewohner, seien es Engel oder Erlöste, aber schon hienieden als ein kostbares, gesegnetes Vorrecht von uns gekannt, so oft und so weit die Gnade es uns gewährt. Anbetung ist die ehrfurchtsvolle Erhebung Gottes, dargebracht auf Grund dessen, was Er in sich selbst oder für die ist, die Ihn anbeten — das dankbare Ausströmen von Herzen, die Gott, den Vater, kennen gelernt haben als einen Geber, die den Sohn kennen, in dem und durch den Gottes unaussprechliche Gabe ihnen geworden ist, und die von den lebendigen Wassern des Heiligen Geistes getrunken und in Ihm eine Quelle lebendigen Wassers gefunden haben, das ins ewige Leben quillt und so zu seiner Quelle zurückfließt in kindlichem Loben und Danken. (Vergl. Joh. 4, 10. 14. 21.)

Mit anderen Worten: Wahre Anbetung ist die Herzensantwort von Menschen, die erkannt und erfahren haben, dass sie durch Gottes Willen errettet und geheiligt sind, dass dieser Wille durch den Sohn Gottes ausgeführt wurde, mittelst eines Opfers, das alle ihre Sünden hinweggetan und ihnen ein vollkommenes Gewissen gegeben hat, während der Heilige Geist ihnen Zeugnis gibt mit den Worten: „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken". (Hebr. 10, 7—10. 12—17.)

Es werden im Neuen Testament zwei Wörter zur Bezeichnung der Anbetung gebraucht. Das eine bedeutet: durch Niederwerfen seine Ehrfurcht bezeugen, jemand göttliche Ehre erweisen, und wird gewöhnlich durch „anbeten, huldigen" übersetzt. (Vergl. Matth. 2, 2. 11; 4, 10; Joh. 4, 20. 21; Offbg. 4, 10.) Das andere steht mehr in Verbindung mit dem Dienst in der Stiftshütte oder dem Tempel, kommt wiederholt in Hebr. y und 40 vor und ist durch „dienen" oder „Dienst" wiedergegeben. (Vergl. auch Luk. 1, 74; 2, 37; Apstgsch. 26, 7; Phil. 3, 3; 2. Tim. 1, 3 u. a. St.) Der allgemeine Sinn der beiden Ausdrücke ist, wie bereits gesagt: Gott Dank und Ehre geben. Ihm dienen in der Erkenntnis dessen, was Er ist, oder was Er für alle diejenigen ist, welche Ihm nahen. Wir sehen daraus, dass Anbetung nicht mit Gebet oder Flehen verwechselt werden darf. Sie steht eher im Gegensatz dazu. Denn während wir beim Gebet etwas von Gott erbitten, bringen wir in der Anbetung Gott etwas d a r. Ohne Zweifel ist wahre Anbetung immer mit Gebet verbunden; allein ich kann anderseits zu Gott beten, ohne dass mein Gebet irgendwie den Charakter der Anbetung trägt, außer in dem Sinne, dass ich Gott als das, was Er ist, anerkenne und meinem Vertrauen zu Ihm Ausdruck gebe.

Es ist auch nicht Anbetung oder, wie man es gewöhnlich nennt, „Gottesdienst", wenn ich gehe, um die Predigt eines Evangelisten zu hören. Der Evangelist wendet sich mit der ihm anvertrauten Botschaft an die Welt, an verlorene, gottentfremdete Sünder, während die Anbetung aus Kinderherzen zu Gott emporsteigt. Die beiden Dinge miteinander zu vermischen ist verderblich. Es schwächt, ja, zerstört das Bewusstsein der Trennung, die Gott zwischen der Welt und der Kirche gemacht hat. Ebensowenig ist es Anbetung, wenn ich mich mit anderen Gläubigen versammle, um das Wort Gottes zu betrachten, obwohl eine solche Betrachtung, geradeso wie die Predigt des Evangeliums, Anbetung Hervorrufen mag. Der Dienst, der bei diesen beiden Arten von Zusammenkünften ausgeübt wird, fließt von Gott herab, den Hörenden zu, während Anbetung gerade umgekehrt von den Versammelten zu Gott emporsteigt.

Ich sage: von den Versammelten, denn wenn auch ein einzelner Gläubiger Gott dienen und Ihn anbeten kann, bedingt eine wahre Anbetung doch eigentlich das Zusammensein einer größeren oder kleineren Anzahl von Personen; denn gerade die Offenbarung des Vaters in dem Sohne, der am Kreuze starb, um die zerstreuten Kinder Gottes in eins zu versammeln, und die Wirksamkeit des Heiligen Geistes, der die Gläubigen alle zu einem Leibe getauft hat, bilden die Grundlage der Anbetung. Der Vater sucht heute solche, die Ihn in Geist und Wahrheit anbeten, d. h. die das tun in der Kraft und unter der Leitung des Heiligen Geistes, der in ihnen persönlich und als Gesamtheit wohnt, sowie in der Erkenntnis dessen, was Gott, als geoffenbart in Christo Jesu, für diejenigen ist, die Ihm so Anbetung darbringen. Wohl standen auch schon die Israeliten in einem besonderen Verhältnis zu Gott, sie beteten Ihn an, ja, Er selbst wohnte in ihrer Mitte; aber die Umstände, welche den jüdischen Gottesdienst kennzeichneten, beweisen klar, dass die Israeliten nicht imstande waren, Gott zu nahen. Gott wohnte im Dunkel. Der Weg ins Heiligtum war noch nicht geoffenbart, Gnade und Wahrheit waren noch nicht in Christo geworden, der Vorhang noch nicht zerrissen.

Wir sagten uns schon, dass Anbetung im eigentlichen Sinne eine gemeinsame Handlung ist. Ja, wir können hinzufügen: Gemeinschaft gehört unmittelbar zu dem Wesen der Anbetung, weil die Segnung, in welche die Anbeter eingeführt sind, gemeinsam ist: die Freude, die man an der Segnung der anderen hat, bildet einen Teil der eigenen Freude. Mein Herz antwortet auf die Gnade, die nicht nur mir, sondern auch meinen Mitgläubigen zuteil geworden ist. Die Liebe, welche die Quelle und Triebfeder von allem ist, wäre ohne das nicht befriedigt. Es ist ein gemeinsames Teil, das wir in der Offenbarung Gottes besitzen, das die Herzen miteinander verbindet und nach oben lenkt, wo wir das Haupt der himmlischen Familie erblicken. Ihn, der selbst gesagt hat: „Ich will deinen Namen kundtun meinen Brüdern; inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen". (Hebr. 2, 12.)

Leider ist der Begriff einer wahren Anbetung, eines wahren Gottesdienstes, in der Christenheit nahezu verloren gegangen. Die Welt wird eingeladen, Gott anzubeten. Christen treten im Verein mit Unbekehrten, mit der Welt, vor Gott hin, um Ihm zu dienen, und nicht selten wird bei derselben Zusammenkunft den Unbekehrten das Evangelium gepredigt. Während das Wort Gottes diese beiden Dinge scharf voneinander scheidet, hat der Mensch alles miteinander vermengt. Es ist Satan gelungen, selbst die Herzen vieler Kinder Gottes im Blick auf diesen Punkt so zu verblenden, dass sie diese Vermengung sogar als gut und Gott wohlgefällig verteidigen. Ach! wenn sie dem Worte Gottes unterworfen wären und sich in einfältigem Gehorsam unter dasselbe beugten, so würden sie bald erkennen, wie sehr ein solches Tun zur Verunehrung des Herrn gereicht. Es steht geschrieben: „Das Opfer der Gesetzlosen ist ein Gräuel". (Spr. 27, 27; vergl. auch Jes. 1, 10—15; Ps. 50, 14—21.) Wie ganz anders sind die Beispiele von wahrer Anbetung, die das Wort Gottes uns gibt! Lasst uns einige derselben in Kürze betrachten, und der Heilige Geist wolle sie mit Macht auf unsere Herzen und Gewissen anwenden!

Werfen wir zunächst einen Blick auf 5. Mose 26. Wir hören dort, dass die Israeliten angewiesen werden, nachdem sie in das verheißene Land gekommen seien, die Erstlingsfrüchte jenes Landes an den Ort zu bringen, den Jehova erwählen würde, Seinen Namen daselbst wohnen zu lassen, und sie an diesem Orte Jehova darzubringen. Der Israelit musste zu dem Priester gehen, den Korb mit den Früchten vor dem Altar Jehovas niedersetzen lassen und dann bekennen, dass er in das Land gekommen sei, das der Herr seinen Vätern verheißen habe. Wie schön und bezeichnend ist das! Er kam als ein Mann, der sich bereits in dem Lande der Verheißung befand, der dies wusste und bekannte; als solcher brachte er Jehova seinen Korb mit den Erstlingsfrüchten dar. Dann, nachdem der Korb vor Jehova niedergesetzt war, musste er sagen: „Ein umherirrender Aramäer war mein Vater, und er zog nach Ägypten hinab und hielt sich daselbst auf als ein geringes Häuflein; und er wurde daselbst zu einer großen, starken und zahlreichen Nation. Und die Ägypter misshandelten uns und bedrückten uns und legten uns einen harten Dienst auf. Da schrien wir zu Jehova, dem Gott unserer Väter; und Jehova hörte unsere Stimme und sah unser Elend und unsere Mühsal und unseren Druck. Und Jehova führte uns aus Ägypten heraus mit starker Hand und mit ausgestrecktem Arm und mit großem Schrecken, und mit Zeichen und mit Wundern; und Er brachte uns an diesen Ort und gab uns dieses Land, ein Land, das von Milch und Honig fließt. Und nun siehe, ich habe die Erstlinge der Frucht des Landes gebracht, das du, Jehova, mir gegeben hast. — Und du sollst sie vor Jehova, deinem Gott, niederlegen und anbeten vor Jehova, deinem Gott; und du sollst dich freuen all des Guten, das Jehova, dein Gott, dir und deinem Hause gegeben hat." (V. 5—11.)

Sieh, mein Leser, in dieser Verordnung ein liebliches Bild wahrer Anbetung. Der Israelit kam in der vollen, unumstößlichen Gewissheit seiner Errettung aus der Hand aller seiner Feinde, in der völligen Gewissheit, dass er sich mit allen seinen Volksgenossen bereits in Kanaan befand, in einem Lande, das von Milch und Honig floss. Er kam mit den Erstlingsfrüchten dieses gesegneten Landes in seinem Korbe und mit dem Bekenntnis auf den Lippen: Ich war einst elend und arm, aber du, o Gott, hast nach deiner großen Gnade und Barmherzigkeit mich unendlich reich und glücklich gemacht. Ja, er kam als ein Erretteter, als ein Befreiter, als ein reich gesegneter Bürger Kanaans, und betete an vor Jehova, seinem Gott. Er pries die Gnade und Güte Gottes und freute sich vor dem Angesicht des Herrn all des Guten, das Jehova ihm gegeben hatte.

Das ist Anbetung. Und nun möchte ich fragen: Hat sich dieselbe im Laufe der Jahrhunderte verändert? Dem Charakter nach wohl, ihrem Grundsatz nach nicht. An die Stelle der jüdischen ist die christlich e Anbetung getreten. Alles, was der Israelit besaß, war irdisch, alles, was der Christ besitzt, ist himmlisch. Auch der Ort der Anbetung ist jetzt nicht ein irdisches Heiligtum, sondern das Heiligtum droben. Der christliche Anbeter ist in Christo in das himmlische Kanaan versetzt und gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern. Er ist aus der Macht Satans befreit, von der Sklaverei der Sünde erlöst, er ist errettet, gereinigt, gerechtfertigt und geheiligt. Und als solcher bringt er dem Herrn die kostbaren Früchte des Lobes und der Anbetung dar, die aus einem Herzen hervorquellen, das mit Christo erfüllt ist. Auf Grund der Gnade, die ihm widerfahren ist, und in dem bewussten und gekannten Besitz all seiner herrlichen Segnungen tritt er in die Gegenwart Gottes und gibt dem Herrn gleichsam das zurück, was er von Ihm empfangen hat, während sein Herz zu gleicher Zeit mit tiefer, überströmender Freude all das Gute genießt, das Gott über ihn ausgeschüttet hat. Der Christ kennt Gott nicht nur als den „Allmächtigen", wie Abraham, oder als „Jehova", wie Israel, sondern als den „Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus". So hört er Ihn immer wieder von den Aposteln und Propheten des Neuen Testaments frohlockend nennen.

Einem schönen Beispiel von Anbetung begegnen wir auch in Matth. 2, 1-11 Nachdem die aus weiter Ferne gekommenen Weisen den Christus gefunden haben, den sie suchten, und zwar in einer Krippe liegend in dem Stall zu Bethlehem, weit entfernt von dem religiösen Mittelpunkt jüdischer Anbetung in Jerusalem, fallen sie nieder und beten Ihn an, indem sie ihre besten Schätze, Gold, Weihrauch und Myrrhen, Ihm als Gaben darbringen.

Fanden wir in den beiden betrachteten Fällen kostbare Beispiele von dem, was Anbetung überhaupt ist, so lasst uns jetzt einen Blick auf Offenbarung 4 und 5 werfen. In diesen beiden Kapiteln sehen wir, welcher Art die Anbetung der Erlösten im Himmel sein wird; und wahrlich, wir sollten diese Szenen mit tiefer Aufmerksamkeit betrachten und jetzt schon, in unserem geringen Maße, eine ähnliche Anbetung darzubringen bemüht sein. In Offbg. 4, 11 handelt es sich um die Anbetung des Schöpfers: „Du bist würdig, o unser Herr und unser Gott, zu nehmen die Herrlichkeit und die Ehre und die Macht; denn du hast alle Dinge erschaffen, und deines Willens wegen waren sie und sind sie erschaffen worden". In diesen Worten findet sich keine Spur von Gebet und Flehen. Es ist ausschließlich Preis und Dank für das, was Gott ist, und was Er getan hat. Im 5. Kapitel folgt dann die Anbetung um der Erlösung willen. Die vierundzwanzig Ältesten, das Bild der Erlösten, fallen nieder vor dem Lamme und singen ein neues Lied, das also lautet: „Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft, durch dein Blut, aus jedem Stamm und Sprache und Volk und Nation, und hast sie unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden über die Erde herrschen!" (V. 9. 10.) Und wenn dann schließlich alles, was im Himmel und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meere ist, „Dem, der auf dem Throne sitzt, und dem Lamme" Herrlichkeit und Ehre gibt, lesen wir: „Und die vier lebendigen Wesen sprachen: Amen! Und die Ältesten fielen nieder und beteten an." (V. 13. 14.)

Unwillkürlich lenken diese wunderbaren Dinge unsere Aufmerksamkeit auf unser Zusammenkommen am Tage des Herrn, an Seinem Tische. So oft wir da versammelt sind mit glücklichen, dankbaren Herzen, empfangen wir

einen Vorgeschmack von dem, was wir dereinst in der Herrlichkeit vollkommen genießen werden. Abgesondert von der Welt, geschart um das geschlachtete Lamm, das uns durch Sein Blut für Gott erkauft hat, Glieder eines Leibes, durch einen Geist auf ewig miteinander verbunden, mit dem Haupte des Leibes selbst in unserer Mitte, vor dem Angesicht des Vaters versammelt, die Zeichen des Todes unseres Herrn und Heilandes vor unseren Blicken, an Ihn gedenkend und Seinen Tod verkündigend — wer könnte den Wert, die Lieblichkeit und zugleich den Ernst eines solchen Zusammenseins gebührend beschreiben? Mit Recht ist deshalb auch der Tisch des Herrn immer wieder als der Mittelpunkt aller christlichen Anbetung auf Erden bezeichnet worden, und groß, überschwänglich groß war die Freude, als es Gott vor ungefähr hundert Jahren gefiel, die Augen und Herzen einiger der Seinigen auf diese Wahrheit, die so viele Jahrhunderte vergessen war, wieder hinzulenken, und damit naturgemäß auch auf Seine Gedanken und Ratschlüsse über Christum und die Versammlung (Gemeinde). Kostbare Anbetungslieder zu Ehren des Vaters und des Sohnes entquollen unter der Wirkung des Geistes den glücklichen Herzen, Lieder, wie man sie in den Zeiten der Reformation, so herrlich und gesegnet diese auch waren, nicht gekannt hatte. Sie antworteten auf jene Liebe, die Anbeter sucht, und die das tut unter dem lieblichen Vaternamen. Sie entsprachen dem Herzen des Sohnes, der als „der Erstgeborene unter vielen Brüdern" in der Mitte der Versammlung dem Vater lobsingen will, und sie ließen das Wirken des Geistes der Sohnschaft erkennen, den Gott in unsere Herzen gesandt hat, und der in uns ruft: „Abba! Vater!" Wie kostbar ist dabei der Gedanke, dass auch der jüngste Gläubige und schwächste Christ fähig gemacht ist, den Vater anzubeten! „Ich schreibe euch", sagt der Apostel Johannes zu den Kindlein in Christo, „weil ihr den Vater erkannt habt". (1. Joh. 2, 13.)

Freilich sind es infolge des allgemeinen Verfalls der Christenheit immer nur kleinere oder größere Häuflein, die sich so im Namen Jesu zusammenfinden, manchmal vielleicht nur „zwei oder drei". Aber sie dürfen es tun im Bewusstsein der unwandelbaren Treue und unveränderlichen Wahrheit Gottes, indem sie im Glauben und nach Gottes Gedanken „alle Heiligen" umfassen, mögen diese auch in all den verschiedenen christlichen Kirchen und Gemeinschaften zerstreut sein, vielleicht gar sie verurteilen. Im Vergleich mit dem, was einmal im Himmel geschehen wird, oder was selbst „im Anfang" gesehen wurde, ist alles ja überaus schwach und arm. Aber wenn wir wirklich zu dem Namen Jesu hin versammelt sind, ist Er, der den Mittelpunkt und das einigende Band aller Glieder bildet, in unserer Mitte (Matth. 18, 20), und wir betrachten uns, so klein die Zahl auch sein mag, in Liebe verbunden mit all den übrigen Gliedern des einen Leibes. „Da ist ein Leib und ein Geist." (Eph. 4, 4.)

Aber, möchte eingewandt werden, wird auf diese Weise das Opfer unseres hochgelobten Herrn nicht ein wenig in den Hintergrund gedrängt? Wie wäre das möglich? Es bildet ja die Grundlage, den Ausgangspunkt aller Anbetung! Wie könnten wir in Frieden Gott nahen und anbeten, wie unsere Lob- und Dankeslieder singen, ohne an Ihn zu denken, der uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat? An Ihn, der in Seinem Tode Gott verherrlichte im Blick auf die Sünde, und der nun droben verherrlicht zur Rechten des Vaters thront, und dessen Tod wir verkündigen, bis Er kommt?

Doch noch eins: Wenn der Apostel in 1Kor 10 von dem Tische des Herrn redet, erinnert er an die im Alten Bunde dargebrachten Friedens- oder Dankopfer. (V. 18.) In Verbindung mit dem Passah ist das Friedensopfer eines der lieblichsten Bilder von dem wahren Charakter des Tisches des Herrn. Zeigt uns das Passah das Lamm, dessen Blut Israel vor dem Gericht sticherstellte, und von dem das Volk in Frieden sich nährte, so erblicken wir in dem Friedensopfer ein Fest, das der Darbringung des Opfers folgte. Gott, der opfernde Priester, die priesterliche Familie, der Opfernde und die mit ihm waren — alle hatten ihr Teil daran. Das auf dem Altar geräucherte Fett hieß „die Speise (oder das Brot) Gottes". Es erinnert uns an die tiefe Befriedigung, die Gott in dem lieblichen Wohlgeruch des Werkes Christi findet. Der Priester, der das Fett räucherte und das Blut sprengte, bekam den rechten Schenkel des Opfertieres, die übrigen Priester die Brust. Der Rest des Opfers wurde dann von dem Opfernden und denen, die mit ihm waren, verzehrt. Der handelnde Priester ein Bild von Christo, der an der Freude der Seinigen teilnimmt, die priesterliche Familie ein Bild von der Versammlung im Allgemeinen, und der Opfernde mit seinen Gästen ein Bild von den jeweilig versammelten Gläubigen. So hatten alle ihr Teil, und zwar alle an demselben Opfer.

Welch ein liebliches Gemälde von der gemeinsamen Freude, wenn wir, mit Jesu in der Mitte, vor dem Angesicht Gottes versammelt sind, um unseres hochgelobten Herrn anbetend zu gedenken und uns von Ihm zu nähren! Wie sollten die Gläubigen alle ein solches Zusammensein schätzen! Aber ach! wie wenig gottesdienstliche Zusammenkünfte in dem weiten Bereich der Christenheit entsprechen diesem Gemälde! Wie völlig hat man vergessen, was wahre Anbetung ist! Wie klein ist die Zahl derer, die ein Auge und ein Ohr für diese Dinge haben! Wie wird der Name Gottes verunehrt durch die sogenannten „Gottesdienste", bei denen der Mensch einen höheren Platz einnimmt als Gott!

Mein Leser! verstehst du, was wahre Anbetung bedeutet? Und bringst d u sie Gott dar in Gemeinschaft mit anderen Gläubigen? Kennst du deinen Platz als ein Glied am Leibe Christi? Und wenn du ihn kennst, nimmst du ihn ein in Treue und Einfalt des Herzens, dankbar dafür, eines solchen Vorrechts gewürdigt zu sein? Bringst du Gott, deinem Vater, und Jesu Christo, deinem Herrn, die Opfer des Lobes dar, die sich für dich geziemen, sowohl in deinem Kämmerlein daheim, als auch in Gemeinschaft mit den Gläubigen am Tische des Herrn? Man kann diese kostbaren Dinge verstanden haben und doch durch persönliche Untreue sich des Genusses derselben verlustig machen. Es gibt auch eine Gefahr, das empfangene Licht wieder zu verlieren. Der Feind der Seelen ist heute, wie im Anfang, eifrig bemüht, durch trügerische Überlegungen die erkannte Wahrheit in den Herzen wieder zu verdunkeln und sie schließlich dem einen und anderen wieder zu rauben. Mehr als je wehen die „Winde der Lehre", vor denen man auf der Hut sein muss, um nicht von ihnen „hin und her geworfen und umhergetrieben zu werden". Darum „halte fest, was du hast, auf dass niemand deine Krone nehme!"

Ja, Gott schenke uns allen Gnade, „die Wahrheit festzuhalten in Liebe", bis „die kleine Herde" diesen Schauplatz verlassen und dahin versetzt werden wird, wo es keine Gefahr und keine Feinde mehr gibt! Der Herr ist nahe! (Vergl. Eph. 4, 14. 15; Offbg. 3, 11.)

Er, der Kommende, ist allen Gläubigen geworden zur Weisheit von Gott, zur Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung. Er ist das Maß ihrer Absonderung für Gott, sowohl hinsichtlich ihrer Stellung als auch ihres Zeugnisses. Wie Er abgesondert ist für Gott, so sind auch wir geheiligt durch das ein für allemal geschehene Opfer Seines Leibes; wir haben Freimütigkeit, in das Allerheiligste einzutreten durch Sein Blut. Wir sind, wie bereits gesagt, in Ihm schon mitversetzt in die himmlischen Örter. Lasst uns deshalb gemeinschaftlich unserem Herrn die Früchte dieses Landes, in welchem unsere Herzen allezeit weilen dürfen, als unsere Opfergabe darbringen. Lasst uns den Herrn Jesus als den einzigen Mittelpunkt unserer Anbetung anerkennen, so wie es einst alle Erlösten im Himmel tun werden. Ja, lasst uns tr e u bewahren, was Gottes Güte uns in diesen letzten Tagen wieder geschenkt hat, und allezeit „hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, in voller Gewissheit des Glaubens", und das „auf dem neuen und lebendigen Wege, welchen Er uns eingeweiht hat durch den Vorhang hin, das ist Sein Fleisch", indem wir „durch Ihn Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die Seinen Namen bekennen"! (Hebr.10,19-22; 13,15.)


Zurück zur Übersicht