Gedanken zu Johannes 14



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Andere Schriften von W.T. Turpin

Das vierzehnte Kapitel des Evangeliums Johannes ist uns gut bekannt. Wir alle haben es ohne Zweifel gelesen und wiedergelesen, und doch ist sein Inhalt immer wieder neu und kostbar für uns, denn das Wort Gottes besitzt eine stets gleiche Frische für die Seele, welche darin forscht. Ich möchte heute drei Punkte aus diesem Kapitel hervorheben, die der Herr Seinen Jüngern zu ihrem Trost vor Herz und Augen stellt.

Der erste dieser Punkte ist der, dass die Welt den Jüngern Jesu niemals mehr einen Ruheplatz bietet. Mit dieser Tatsache sollte der Christ sich mehr vertraut machen, besonders der, welcher durch die Gnade in gewissem Maße die Wahrheiten versteht, welche Gott in den letzten Zeiten wieder ans Licht gebracht hat.

Wir erfassen im Allgemeinen viel leichter jene andere Seite der Wahrheit, dass nämlich der Mensch im Fleische keinen Platz mehr vor Gott hat, dass seine Geschichte mit dem Kreuze Christi zu Ende gegangen ist. Wir wissen, dass der Mensch in seinem natürlichen Zustande vor Gott betrachtet, auf verschiedene Weise von Gott selbst auf die Probe gestellt worden ist. Das Ergebnis dieser Proben war, dass er, was seine Stellung als Nachkomme Adams betrifft, gänzlich beiseitegesetzt worden ist. Er hat also als solcher keinen Platz mehr vor Gott. Von dem Augenblick an, da ein Mensch an den Herrn Jesus Christus gläubig wird, betrachtet Gott ihn nicht mehr als in Verbindung stehend mit dem ersten Menschen, sondern als ein Geschöpf, das in dem von den Toten auserstandenen Christus eine ganz neue Stellung einnimmt. Durch Gottes Güte ist diese Wahrheit jetzt ziemlich allgemein bekannt, wie schwach und wenig sichtbar ihre Wirkungen oft auch sein mögen. Möchten unsere Gewissen besser kennen, was das Wort sagen will: „Daher, wenn jemand in Christus ist, da ist eine neue Schöpfung; "das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden!" Ja, der Herr gebe, dass wir uns von dieser Wahrheit mehr erfassen lassen! Wenn sie wirklich von der Seele Besitz ergriffen hat, so kann man zu nichts zurückkehren, was von dem ersten Adam ist, ohne seinem Gewissen und der Wahrheit Gewalt anzutun; und in dem Maße, wie man mit einem guten Gewissen vor Gott wandelt, bleibt das Genüssen in Tätigkeit und macht uns im rechten Augenblick aufmerksam, wo und wie wir vom Wege abgekommen sind.

Man begeht hier häufig einen großen Fehler. Man gibt sich viel Mühe, die eine oder andere Wahrheit zu erfassen, aber man ruht nicht so in der Gegenwart Gottes, dass die Wahrheit von uns Besitz ergreifen kann. Die Wahrheit muss wirken, nicht wir. Das ist natürlich dem Fleische nicht angenehm; es ist demütigend, weil das Fleisch lieber etwas tun möchte. Wir möchten die betreffende Wahrheit zu einem Gegenstand machen, um den wir uns zu mühen haben, während Gott uns nimmt und uns in die Ruhe Seiner Gegenwart versetzt, damit hier die Wahrheit durch den Geist ihre ganze Wirkung auf unser Gewissen ausübe.

Ich möchte dies durch ein Beispiel näher erläutern. Als Mose zum zweiten Mal auf den Berg stieg, um dort die Gesetzestafeln in Empfang zu nehmen, mühte er sich da wohl ab, den Glanz der Herrlichkeit auf sein Angesicht zu bringen? Nein, er stand ruhig vor Jehova, und die Herrlichkeit Gottes beleuchtete ihn und ließ ihren Gegenschein auf dem Antlitz Moses zurück. Als er dann vom Berge Herabstieg, war er selbst der einzige Mensch, der nicht wahrnahm, wie sein Antlitz strahlte. Alle anderen sahen, dass Mose in Gottes Gegenwart geweilt hatte, denn sie konnten die Wirkung davon wahrnehmen. Mose selbst ahnte nichts von dieser Wirkung.

Ich glaube, dass uns in unseren Tagen dieses Ruhen der Seele vor Gott ganz besonders not tut; es erlaubt der Wahrheit, uns zu formen und nach ihrem Bilde zu gestalten. Von dem Augenblick an, da unser Geist sich mit der Wahrheit als einem Gegenstand beschäftigt, den wir durch unser eigenes Mühen und Wirken zu erlangen haben, stellen wir der Erreichung dieses Zieles eines der größten Hindernisse in den Weg. Statt dass wir dem Heiligen Geist gestatten, die betreffende Wahrheit auf unser Gewissen anzuwenden, sind wir mit unserem Verstände beschäftigt, sie uns zu eigen zu machen, und indem das Gewissen nicht vor Gott geübt ist, bieten wir dem Feinde Gelegenheit, einen Vorteil über uns zu erringen.

Von dem Augenblick an, da ich meinen wahren Platz vor Gott einnehme, in dem aus den Toten auferweckten Christus, und dieser Gedanke Besitz ergriffen hat von meinem Gewissen, muss mein ganzes Tun, Denken und Fühlen in Übereinstimmung sein mit dieser Stellung. Die Wahrheit unseren Umständen anzupassen suchen, ist etwas anderes, als durch die Wahrheit gebildet werden, um so für Gottes Gegenwart passend zu sein. Gottes Freude ist es, uns zu solchen zu machen, die dem herrlichen Platze, an welchen Er uns führt, entsprechen, und darum muss Er alles wegnehmen, was nicht in Übereinstimmung mit dieser Stellung ist. Und je mehr ich alles, was ich in Christus besitze, kenne, desto mehr wird mein Herz die Zuneigungen Gottes genießen, und desto mehr werde ich auch bereit sein, alles zu verlieren, was nicht Christus ist.

Der zweite Punkt, auf den ich Hinweisen möchte, ist die Tatsache, dass der Christ nicht nur keinerlei Verbindung mehr mit dem ersten Menschen hat, sondern dass er auch der Erde nicht mehr angehört. Seine Heimat ist anderswo. Der Christ ist nicht von dieser Welt. Wir finden diese beiden Wahrheiten, dass ein Christ weder in Adam, noch von dieser Erde ist, in den zwei ersten Kapiteln des Epheserbriefes. Freilich sind wir noch im Leibe, aber es ist etwas Großes, zu wissen, dass wir auf Erden keine Heimstätte haben. Die Erde ist uns verschlossen. Wenn Christus hier keine Stätte hatte, so haben wir auch keine. Diese kostbare und zugleich ernste Tatsache übt einen großen Einfluss aus auf ein Herz, das seufzend fragt: Wo ist mein Platz? wo meine Heimat? wo kann ich frei ein- und ausgehen? Der Anfang unseres Kapitels gibt die kostbare Antwort auf diese Fragen. Jesus sagt hier den Seinigen: Ich habe eine Stätte für euch außerhalb dieses Schauplatzes der Sünde und des Elends. „In dem Hause meines Vaters sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, würde ich es euch gesagt haben; denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seiet." Es liegt etwas ganz Bestimmtes in diesen Worten: „zu mir". Ebenso ist es im 3. Kapitel des Kolosserbriefes, wo wir lesen: „Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt worden seid, so suchet was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes". Gott gibt uns so eine ganz bestimmte Stätte an, damit das Herz des Gläubigen wisse und schmecke, dass sie dort bei Ihm zu finden ist.

Wenn der Apostel sagt: „Suchet was droben ist, wo der Christus ist", so entsprechen die letzten vier Worte nach Kraft und Bedeutung genau jenem kostbaren „wo ich bin" von Joh. 14. Sie bieten einem Herzen, das Jesus zum Gegenstand hat, alles. Von Zeit zu Zeit erscheinen mehr oder weniger dichterische Beschreibungen des Himmels, aber ist es nicht bemerkenswert, dass die Schrift so wenig über diesen Gegenstand redet? Das Wort sagt tatsächlich sehr wenig über den Himmel, während die menschliche Einbildungskraft sich viel mit ihm beschäftigt. Wer was das Wort uns versichert, ist, dass wir da sein werden, wo Jesus ist. Der Platz erhält seinen Charakter durch die Person. Die kostbare Tatsache ist eben die, dass der Herr uns bei sich haben will, da wo Er ist; und das genügt dem Herzen, dessen Gegenstand Christus ist. Christus ist droben, Seine Gegenwart verleiht dem Ort alles, was ihn für uns wichtig und anziehend macht. Seine Gegenwart entspricht jedem Wunsch und Bedürfnis. „Wir werden allezeit bei dem Herrn sein." (1. Thess. 4.)

Die Stellung Christi, beachten wir es wohl, bestimmt also unsere Stellung. Er will, dass wir da seien, wo Er ist. Seine Liebe hat das so gewollt. Sein Herz würde anders nicht befriedigt sein. Im 13. Kapitel des Hebräerbriefes finden wir eine andere Seite der nämlichen Wahrheit. Es heißt dort im 12. Verse: „Darum hat auch Jesus, auf dass Er durch Sein eigenes Blut das Volk heiligte, außerhalb des Tores gelitten. Deshalb lasst uns zu Ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, Seine Schmach tragend." Der Herr hat, wie wir eben sahen, für uns eine Stätte droben in den Himmeln bereitet, Wohnungen im Vaterhause, den besten Platz, den das Herz sich nur wünschen kann, und Seine Gegenwart verleiht dieser Stätte Charakter und Auszeichnung. Das aus Hebr. 13 angeführte Wort: „Deshalb lasst uns zu Ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, Seine Schmach tragend", stellt uns die Kehrseite dieser Wahrheit vor Augen. Sieh die Weisheit des Geistes Gottes, gläubiger Leser! Wenn wir im Lager bleiben, entgehen wir der Schmach, wenn wir aber hinausgehen, zu Jesu, so ist sie uns sicher. Was aber kann uns bewegen, hinauszugehen? Was vermag der Schmach ihren Stachel zu nehmen? Nur der Umstand, dass wir zu Ihm hinausgehen.

Die Sache ist nicht damit erschöpft, dass wir das Lager verlassen und so gegen alles, was innerhalb desselben vorgeht, Einspruch erheben. Nein, sie geht weiter: wir gehen hinaus aus Liebe zu Christus. Gewiss gehe ich hinaus, weil mein vor Gott geübtes Gewissen mir nicht gestattet) im Lager zu bleiben; aber ich verlasse es vor allen Dingen deshalb, weil ich angezogen werde durch eine lebendige Person, die sich außerhalb des Lagers befindet. Ich blicke zum Himmel empor und frage: „Wo ist Jesus?" Die Antwort lautet: Im Heiligtum droben! Dort habe auch ich Zutritt. „Und wo auf Erden?" Außerhalb des Lagers! Er hat außerhalb des Tores gelitten (vergl. 3.Mose 4, 12. 21; 4. Mose 19, 3); und so habe auch ich keine andere Wahl, als hinauszugehen, und zwar zu Ihm hin.

Das ist also mit zwei Worten die Geschichte des Christen: er geht hinein, um die Wonnen des Vaterhauses zu genießen: er geht hinaus, um in Gemeinschaft zu sein mit Ihm, der ihm droben eine Wohnstätte bereitet hat, „Seine Schmach tragend".

Teurer Leser, redet diese Wahrheit zu deinem Gewissen? Hast du sie lieb? Sie ist freilich einem scharfen Messer vergleichbar, das tief ins Fleisch schneidet und uns an unserer empfindlichsten Stelle trifft. Vielleicht könnte mancher von uns davon erzählen, wie, wann und wo er den scharfen Schnitt dieses Messers gefühlt hat. Wer wo bleibt aller Schmerz, wenn erst der Heilige Geist uns Jesus gezeigt hat in den Wohnungen, die außerhalb der Trümmerhaufen dieser Welt liegen, und wenn unser Herz verstanden hat, dass dort eine Stätte für uns bereit liegt, für uns? Dann sind wir imstande, den Raub unserer Güter ruhig hinzunehmen. Mag dann auch der Glutwind der Trübsal über uns hingehen, mögen die ungestümen Wogen der Prüfung über uns zusammenschlagen, nichts ist imstande, unser Glück und unseren Frieden zu erschüttern.

Selbst vor der Sichel des Todes, die niemand auf Erden verschont, brauchen wir keine Furcht zu haben. Wenn auch alles in dieser traurigen Welt vor diesem Feinde dahinfällt, Jesus ist hinaufgestiegen in den Himmel mit den Worten: „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder." Er bewahrt nicht nur die Stätte für uns auf, nein, Seine Gegenwart selbst bereitet sie uns (darin liegt die Kraft dieser Stelle); und mehr noch: Er wird wiederkommen, Er selbst in eigener Person, um uns aufzunehmen und dort einzuführen.

Ich glaube nicht, dass Jesus droben tätig ist, um die Stätte für uns zu bereiten; Seine Gegenwart droben bereitet sie vielmehr für uns. Seine Tätigkeit im Himmel hat uns, die wir uns noch hienieden befinden, im Auge, und sie geschieht, um uns für Seine Gegenwart passend zu erhalten, nachdem Sein Blut uns bereits dafür zubereitet hat. Sein Blut ist die Grundlage, aus der wir vor Ihm stehen, Seine Gnade das Mittel, welches uns passend erhält für Seine Gegenwart; aber es ist Seine Gegenwart, die die Stätte für uns bereitet. Jetzt bleibt nur noch eins übrig. Wer wird uns in die bereit liegende Stätte einführen? Die Antwort ist herrlich. Derselbe Herr, der hingegangen ist, uns eine Stätte zu bereiten, der uns während der Zeit Seiner Abwesenheit erhält und bewahrt, kommt wieder. Das erste Begrüßungswort, das uns an der Stätte Seiner Gegenwart empfängt, soll aus Seinem Munde kommen. „Wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen." „Zu mir", das ist nicht der Himmel, nicht die Herrlichkeit, es ist Seine Person. „Auf dass, wo ich bin, auch ihr seiet." Welche Freude!

Bevor ich weitergehe, möchte ich fragen: Welchen Einfluss übt alles dies auf unsere Herzen aus? Der Zug unserer Zeit geht dahin, von Christus so viel Nutzen wie möglich zu ziehen und Ihn dann zu vergessen. Sind wir durch diese Neigung nicht oft mit fortgerissen worden? Geht es nicht vielen wie jenem ägyptischen Manne, der im Gefängnis glücklich war, Joseph zu haben, weil er durch ihn Aussicht hatte auf ein zukünftiges Wohlergehen und Glück, der aber seinen Wohltäter völlig vergaß, sobald ihm die ersehnte Befreiung zu Teil wurde? Ja, so geht es häufig auch uns. Wir nehmen Christi Hilfe, wenn irgendein Bedürfnis vorliegt, in Anspruch, aber nachher vergessen wir Ihn. Wie oft missbrauchen wir z. B. die kostbare Tatsache, dass Christus eine Stätte für uns außerhalb dieser Erde bereitet hat, wohin unsere Herzen flüchten können, wenn der Hauch des Todes über die Dinge hienieden geht! Missbrauchen? Wie ist das möglich? Nun, was tun wir, nachdem der Sturm sich gelegt hat? Ach! nur zu häufig ist diese Stätte nichts anderes für uns gewesen als ein Zufluchtsort während des Unwetters; sobald das Wetter vorüber ist, verlassen wir sie wieder.

Christus redet von Wohnungen. Ohne Zweifel ist dieser Ort eine Zufluchtsstätte und ein Obdach, der einzige Schatten vor der versengenden Glut der Wüstenhitze; aber wir werden ihn sehr bald wieder verlassen, wenn wir nicht unser Heim in ihm gefunden haben oder, mit anderen Worten, die Freuden und Segnungen des Vaterhauses in der Gemeinschaft Dessen, der dem Herzen volles Genüge zu geben vermag. Die uns umgebende Welt denkt mit keinem Gedanken an ein Wohnen mit Christus außerhalb dieses irdischen Schauplatzes; ihr erscheint die Erde als ein höchst angenehmer Aufenthaltsort. Im besten Falle lässt man Christum auf die Erde herabsteigen, damit man hier Seine Gnade und Liebe, Seine Hilfe und Erlösung haben und sorglos leben könne.

Gott erwartet etwas ganz anderes. Sein Wille ist, dass das Erlösungswerk Christi und die Gnade, die uns in Ihm zu teil geworden ist, die Wirkung haben, dass wir die Bande, die uns mit dieser Welt verbinden, zerreißen, dass wir mit allem, was von der Erde ist- brechen, uns dafür aber droben fest und sicher einrichten. Von dem Augenblick an, da wir jenen wunderbaren Ort, wo Christus eingegangen ist, zu unserer Wohnung machen, denken wir an keine Ruhestätte hienieden mehr. Weshalb nicht? Nun, stellen wir uns vor, ein Mensch würde mit einem Mal in eine ganz fremde Gegend versetzt. Hat er nötig, sich hier fremd zu machen, die Gesinnung und Gefühle eines Fremden anzunehmen? Nein, er ist fremd. Was ihn dazu gemacht hat, ist die einfache Tatsache, dass er den Ort verlassen hat, wo er daheim war. Dort ist er kein Fremder, auch heute noch nicht, denn sein Herz ist dort geblieben; dort liegen seine Freuden, seine Interessen, dorthin geht sein Sehnen.

Machen wir die Anwendung auf unseren Fall, so können wir sagen: das sicherste Kennzeichen dafür, dass ein Mensch in Wirklichkeit kein Pilger ist, ist sein Bemühen, ein solcher zu werden. Mau sucht immer das zu sein, was man nicht ist. Für den, der wirklich ein Pilger ist, bedarf es keines solchen Bemühens. Sein Charakter ist einfach der Ausfluss seines Lebens und seiner Natur. Eine Pflanze bedarf keiner Anstrengungen, eine Pflanze zu werden. Was sie nötig hat, ist Wärme und Licht; empfängt sie diese, so wächst sie, und ihre Natur erweist sich. So können auch wir uns niemals die Eigenschaft, Fremdlinge hienieden zu sein, erwerben, ebenso wenig wie wir uns, als Sünder, für Gottes Gegenwart passend machen können; aber von dem Augenblick an, da unser Herz seine Ruhe bei Christus gefunden hat, da, wo Er ist, stehen wir außerhalb des irdischen Zeitlaufs; die Dinge dieser Erde werden uns fremd und hören auf, Gegenstände unseres Interesses und unseres Strebens zu sein.

Aber ach! wie wenig haben die Gläubigen in Wirklichkeit ihren einstigen Platz in der Welt aufgegeben, wie wenig trauern wir alle über den Zustand der Dinge um uns her! Wenn wir mehr droben lebten, so würden wir, wie eine Pflanze, die in ein fremdes Klima gebracht wird, fühlen, dass der irdische Luftkreis unserer Natur nicht entspricht. Aber indem wir uns an das irdische Klima gewöhnten, haben wir es fertiggebracht, im Geist der uns umgebenden Dinge zu leben. Wir sind imstande, der Welt so entgegenzutreten, wie sie uns entgegentritt, und zwar ans dem einfachen Grunde, weil wir uns nach und nach an ihr^ Kälte und Finsternis gewöhnt haben, und weil wir lieber hienieden wohnen als pilgern möchten. Aber Gott will, dass wir droben wohnen und, indem wir die Freuden des Vaterhauses in Gemeinschaft mit Christus finden, hienieden nur als auf der Reise befindliche Fremdlinge weilen, gleichsam als Besucher, welche hie Gnade, Vollkommenheit, Milde und Kraft des Herrn Jesu in das Land ihrer Fremdlingschaft mitbringen.

Man findet denselben Geist, von welchem wir eben sprachen, in der Art und Weise wieder, wie man den Dingen hienieden zu begegnen sucht. Man sieht die Schwierigkeit voraus, prüft sie, misst sie ab und sucht sich nach Möglichkeit darauf vorzubereiten. Kommt dann der gefürchtete Augenblick, so erfährt man eine bittere Enttäuschung. Warum? Weil Gott neue Kraft immer erst dann darreicht, wenn das Bedürfnis dafür vorliegt. Wir können von dieser Kraft nicht einen Vorrat ansammeln für kommende Fälle. Gott gibt niemals auf Vorrat. Er gibt in Seiner Güte und Weisheit nur nach den augenblicklichen Bedürfnissen. Er weiß sehr wohl, dass wir die dargereichten Vorräte nur dazu benutzen würden, unabhängig zu werden" Was uns not tut, ist, Tag für Tag für unsere Bedürfnisse zu Gott zu gehen. Je mehr unsere Herzen bei Christus weilen, da wo Er ist, desto mehr werden wir die Freuden des Vaterhauses genießen und desto besser in einfacher, natürlicher Weise, ohne zu suchen, uns im Voraus zu stärken, den Schwierigkeiten eines jeden Tages begegnen.

Möchten wir doch täglich also wandeln in der Geduld, der Ruhe und der Freude Christi! Wenn dann die Schwierigkeiten kommen, werden Wir sie überwinden durch Seine Gnade und Seine Macht. In dem Maße, wie wir die Stätte genießen, wo Er sich befindet, werden wir imstande sein, Gegenwärtigkeiten zu ertragen und uns über alles zu erheben. Wir können den Schwierigkeiten nur dann die Stirn bieten, wenn wir an Jener Stätte heimisch sind und nur als himmlische Besucher hienieden weilen. Möchten wir denn mehr in unserer Heimat wohnen, damit wir imstande seien, in der Gnade Christi auch die auf uns anstürmenden Schwierigkeiten zu besiegen und so Ihn zu verherrlichen!


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