Des Christen Stellung und ihre Folgen


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Eine richtige Auffassung der Stellung des Christen muss ohne allen Zweifel einen wesentlichen Einfluss auf seinen praktischen Wandel und besonders auf den Standpunkt haben, welchen er als Kind Gottes dieser Welt gegenüber einnimmt. Wo sie nicht vorhanden ist, oder wo das Herz der Wirkung dieser Wahrheit verschlossen bleibt, wird der Wandel ihr auch wenig entsprechen. Fürs erste nun lernen wir in Bezug auf diese Stellung, dass sie das gerade Gegenteil alles dessen ist, was nach der Natur unser Teil wäre. Als in dieser Welt geborene Kinder Adams sind wir verloren und überdies durch unsere Sünden vor Gott schuldig. Wir befinden uns in einer Welt, in welche der Tod gedrungen ist und in welcher er herrscht, in einer Welt, die selbst als Schöpfung Gottes verderbt ist, so dass von ihr als „unter der Sonne" ein Zeugnis gegeben werden kann, nämlich: „Alles ist Eitelkeit und Plage des Geistes." (Pred. 1, 14.) Von Natur also ist unsere Lage traurig genug. Aber aus all diesem Elend wollte uns Gott in Seiner Gnade befreien, und Er hat auch alles ausgeführt, was in Seinem Herzen war, durch Seinen Sohn, den Herrn Jesus Christus. Doch umfasste Sein Vorsatz viel mehr als bloß die Befreiung aus unserm elenden Zustand; er ging dahin, uns die Segnungen des nun geöffneten Himmels als unser Teil zu geben, in der Vereinigung durch den Heiligen Geist mit Demjenigen, der an unserer statt starb, aber wieder auferstand und in den Himmel ausgenommen wurde. Es ist merkwürdig, wie bereit wir sind, Gottes Pläne für uns, die durch die Erlösung, welche in Christus Jesu ist, ausgeführt und völlig gesichert wurden, zu begrenzen. Und gerade diese begrenzte Auffassung derselben, über welche so viele nie herauskommen, ist eine der Ursachen, warum der christliche Wandel im Allgemeinen auf einer so niedrigen Stufe steht. Dem einen oder anderen Leser ist z. B. vielleicht der Gedanke neu, dass die Bekehrung oder das Bewusstsein der Vergebung der Sünden in sich selbst nicht Kraft zum Wandel ist, noch für sich selbst einen Menschen befähigen kann, Gottes Wohlgefallen zu tun. Die Vergebung bringt uns den Frieden und die Erleichterung, die wir so nötig haben, aber die Kraft steht in Verbindung mit unserm Platz in Christus und dem Teil, das wir in Ihm besitzen. Wenn wir in Kol. 3, 5 lesen: „So tötet nun euere Glieder, die auf der Erde sind" (was die Kraft, es tun zu können, voraussetzt), so schließt sich diese Ermahnung eng an das an, was in Kap. 2 und 3 dargelegt wird, nämlich an unsere Stellung als mit Christus gestorben und auferweckt.

Wie wichtig und auch wie gesegnet ist es zu sehen, dass Christus mir nicht nur meine Bürde abnimmt, sondern dass auch die Kraft von Ihm aus mir zufließt. Im erstem begegnet Er meiner tiefen Not, während das letztere mit der neuen Stellung zusammenhängt, welche Er mir in Sich selbst gegeben hat. Wir finden diese beiden Dinge im Gleichnis vom barmherzigen Samariter so schön angedeutet: „Er verband seine Wunden und goss Öl und Wein hinein und setzte ihn auf sein eigenes Tier." Es ist erstaunlich, wie wenige durch den Glauben ergriffen haben, dass sie in und durch Christus auf einen ganz neuen Boden versetzt worden sind; dass der Christ als ein Sprössling des zweiten Adam nun ein Mensch ist, der einer ganz anderen Ordnung der Dinge angehört als diejenige war, in welcher er sich nach der Natur befand. O welch ein Gedanke für uns, dass wir, als Christen, wirklich ein Teil desjenigen sind, der gesagt hat: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, so bleibt es allein; wenn es aber stirbt, so bringt es viele Frucht." (Joh. 12, 24.) Wer kann den hohen Gedanken völlig fassen, dass er, als Christ, aus Ihm entsprungen und ein Teil der Frucht ist, welche Sein Tod hervorgebracht hat?

Eine andere, mit diesem nahe verwandte und verbundene Wahrheit ist die, dass ein Christ nun ebenso wenig mehr dieser Welt angehört als dem Menschen, der in ihr fiel. Der gleiche kostbare Tod hat ihn von dem einen wie von dem anderen getrennt. Diese Welt, welche Satan zu einem Gott und Christus feindlichen System organisiert hat, ist nicht mehr mein Platz. Sie ist durch das Kreuz mir gekreuzigt worden und ich ihr, indem dort sozusagen ein richterliches Urteil sowohl über sie als mich ergangen ist. (Gal. 6.) Ich bin auf immer befreit aus der Sklaverei, in welcher sich der Welt Freunde befinden. Welch eine Befreiung, so herrlich, so voll der Segnungen! Denn der Platz des Auserstandenen ist nach Seiner überströmenden Gnade der unsrige geworden, die wir mit Christus lebendig gemacht, mitauferweckt und mitversetzt sind in die himmlischen Örter in Ihm. Es bleibt uns nichts mehr zu wünschen übrig, als Ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen, und in verherrlichtem Leibe gleich dem Seinigen allezeit bei Ihm zu sein. O möchten unsre Seelen, angesichts dieses nun völlig geoffenbarten Vorsatzes der Gnade und dessen herrlicher Ausführung, sich beugen in Staunen, Lob und Anbetung.

Wir finden die zwei Wahrheiten, von denen ich soeben gesprochen, in Eph. 2 niedergelegt. Der Christ wird dort als getrennt vom ersten Adam und getrennt von der Welt betrachtet. Die letzten Verse des 1. Kapitels reden von Christus als dem verherrlichten Menschen, dem Gegenstand der Wirkung der Kraft Gottes, der „Ihn aus den Toten auferweckte, und Ihn setzte zu Seiner Rechten in den himmlischen Örtern, über alle Fürstentümer und Gewalt und Macht und Herrschaft, und jeglichen Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen, und hat alles unterworfen unter Seine Füße, und Ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, welche Sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt." (Eph. 1, 20—23.) O welche Herrlichkeit leuchtet in jedem dieser Worte! Wenn Gott einen Menschen aus Eden vertreiben musste wegen seines Ungehorsams, so hatte Er hier einen Menschen zu belohnen, der Ihn auf Erden verherrlicht hatte bis zum Tod, ja zum Tode des Kreuzes. Er war es und kein anderer, der hoch erhoben, dessen Füßen alles unterworfen, und der als Haupt über alles der Versammlung gegeben wurde, welche Sein Leib ist.

In Kap. 2 begegnen wir der Wirkung derselben Kraft, aber nun in den Miterben, sie lebendigmachend und ihnen Teil und Platz in und mit Ihm gebend, der so verherrlicht und erhöht worden ist. Und um zu zeigen, wie weit nach jeder Seite hin diese Kraft in Gnaden sich erstreckt, wird der Zustand geschildert, in dem sie gefunden wurden: Sie waren tot in Sünden und Übertretungen und wandelten nach dem Zeitlauf dieser Welt, nach dem Fürsten der Gewalt der Luft, des Geistes, der jetzt wirksam ist in den Söhnen des Ungehorsams. Doch aus diesem Zustand des Todes und der Entfernung von Ihm hat Gott durch Seine Macht sie erweckt und herausgehoben, und in Christus Jesu mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern, auf dass Er an ihnen in den kommenden Zeitaltern erwiese den überschwänglichen Reichtum Seiner Gnade in Güte gegen sie in Christus Jesu. In Vers 12 werden diese beiden Zustände einander gegenübergestellt. „Zu jener Zeit", sagt der Apostel in Bezug auf ihre frühere Stellung, „wäret ihr ohne Christus, entfremdet von dem Bürgerrecht Israels, und Fremdlinge in betreff der Bündnisse der Verheißung, keine Hoffnung habend und ohne Gott in der Welt. Nun aber", fährt er, von ihrer neuen Stellung sprechend, fort, „in Christus Jesu, seid ihr, die ihr einst ferne wäret, durch das Blut Christi nahe geworden." Wie herrlich ist dieser Gegensatz, aber wie viel herrlicher und kostbarer noch die Person, durch welche alles dieses herbeigeführt und gesichert wurde!

Wenn wir aber nun bewussterweise in dieser Stellung uns befinden, so fließen daraus einige Folgen, welche ich noch zu erwähnen wünsche. Eine derselben ist, dass wir dadurch über die Umstände erhoben werden, durch welche unser Weg hienieden führt, und dass wir Ruhe genießen können inmitten der Stürme und Unruhen unseres Lebens. Nichts kann die Seele in diese Atmosphäre der Ruhe erheben, als das durch den Heiligen Geist bewirkte Bewusstsein unserer Stellung in Christus und unserer Vereinigung mit Ihm in der Herrlichkeit. Wenn diese Dinge gekannt und genossen werden, so haben die Umstände nicht mehr ihre frühere Gewalt über uns und man wird fähig gemacht, ruhig voranzugehen, was sonst durch alle Anstrengung nicht zu erreichen ist. Es ist eine Tatsache und nicht nur ein Begriff, dass wenn jemand ein Christ geworden, er in Christus ist, dort wo Er weilt, und der Heilige Geist in ihm wohnt. Dadurch ist er von dem ersten Adam los und von der Welt getrennt. Sollte nun keine heiligende Kraft in diesem liegen, wenn es in Wirklichkeit und vor/dem Herrn gelernt und gekannt wird? Ich meine natürlich nicht ein bloßes Aufnehmen dieser Lehren in den Kopf, nein vielmehr ihre Einwirkung als göttliche Wahrheit auf unsere Herzen und Gewissen.

Eine Folge davon muss sicher auch die praktische Trennung von den Dingen um uns her sein. In dem Maße, als wir das Bewusstsein haben, dass unsere Heimstätte im Himmel ist, werden wir hier auf Erden als Fremdlinge uns benehmen. Niemand kann sich selbst zu einem Pilger oder Fremdling auf der Erde machen. Dieser Charakter prägt sich nur dann in uns aus, wenn der Geist und die Gesinnung Christi in uns wirken, und der Ort, wo Er ist, uns als unsere wahre Heimat bekannter wird.

Wenn wir unsere Stellung in Christus durch die Kraft und Wirksamkeit des Heiligen Geistes kennen und verwirklichen, so wird es auch zur Folge haben, dass wir alles, was mit uns in Verbindung oder unter unserer Autorität steht, nach dieser erkannten Wahrheit zu regeln und ihr anzupassen suchen. Unsere häuslichen Beziehungen, unsere Familien sollen nicht unbeeinflusst von ihr bleiben und werden es auch nicht, wenn sie wirklich Macht über uns hat. Aber wie kläglich wird gerade in dieser Beziehung unter uns gefehlt, indem solche, welche für sich selbst mit der Welt fertig zu sein meinen, für ihre Familien Dinge, welche durchaus von dieser Welt sind, hingehen lassen oder selbst eifrig nach ihnen jagen, und dann des Erfolges sich rühmen, selbst wenn gerade dieser von Satan nur zu ihrem Betrug und Schaden gebraucht wurde. Auf diese Weise ist manch ein Zeugnis für den Herrn verderbt worden. Ach, wie vielfach sind die Kinder, die Familien und Haushaltungen der Gläubigen eine große Schmach für das Zeugnis. Andere Beispiele könnten noch angeführt werden, doch es sei genug; liegt es doch auf der Hand, dass, wo diese himmlische Stellung einen bestimmenden Einfluss ausübt, weder Hochmut, noch Welt- oder Geldliebe aufkommen kann. Sie wird nach allen Richtungen hin auf uns einwirken, unsere Gedanken und Anschauungsweise durchdringen und in allem Wandel wahrzunehmen sein, das Leben Christi in uns befördernd und seine Früchte zur Reife bringend. Der Herr gebe, dass in diesen letzten Tagen diese Wahrheit als eine Wirklichkeit von uns erkannt werde.


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