CHM- Bereit


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andere Schriften von C.H. Mackintosh

Wir möchten den Leser bitten, einige Augenblicke bei dem Wörtchen zu verweilen, das die Überschrift dieser Zeilen bildet. Wenn wir uns nicht sehr irren, wird er in ihm, so wie es durch den Heiligen Geist in der Schrift gebraucht wird, einen tiefen Sinn und viel Stoff zum Nachdenken finden. Wir werden uns hier auf vier Stellen beziehen, in welchen dieses Wort vorkommt; und möge Derjenige, der darin spricht, sie unserm Verständnis öffnen und sie mit göttlicher Kraft und Frische auf unser aller Seelen wirken lassen.

. 1. Wenden wir uns zuerst zu 1. Petr. 1, 5, wo dieser Ausdruck in Verbindung mit dem Wort „Errettung" gebraucht wird. Es wird hier von den Gläubigen gesagt, dass sie „durch Gottes Macht durch Glauben bewahrt werden zur Errettung, welche bereit ist, in der letzten Zeit geoffenbart zu werden."

Hier also lernen wir, dass die Errettung in diesem Augenblick bereit ist, geoffenbart zu werden, denn wir sind.

wie Johannes sagt, in der „letzten Stunde." Und beachten wir, dass der Begriff des Wortes hier sich nicht auf die Errettung der Seele von dem ewigen Verderben beschränkt, sondern sich besonders auf die Erlösung des Leibes des Gläubigen von der Macht des Todes und der Verwesung erstreckt. Ja er begreift alles in sich, was in irgendeiner Weise mit dem glorreichen Erscheinen unsers Herrn und Heilandes in Verbindung steht. Wir besitzen schon die Errettung unserer Seelen, wie es uns auch die Stelle selbst sagt, welcher unser Text entnommen ist. „Indem ihr das Ende euers Glaubens, die Errettung der Seelen, davontragt .... Deshalb umgürtet die Lenden eurer Gesinnung, seid nüchtern und hoffet völlig auf die Gnade, die euch gebracht wird bei der Offenbarung Jesu Christi."

So finden wir es also hier aufs klarste dargelegt, dass die Errettung, welche bereit ist, geoffenbart zu werden, in enger Verbindung steht mit der Offenbarung Jesu Christi. Dies wird auch bestätigt durch Hebr. 9, 28, wo wir lesen, dass Christus, „einmal geopfert, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Mal ohne Sünde erscheinen wird denen, die Ihn erwarten, zur Seligkeit."

Aus allem diesem geht hervor, dass die Errettung, welche bereit ist, geoffenbart zu werden, eigentlich das zweite Kommen unseres Herrn Jesu Christi ist. Dieses zu erwarten, und zwar jeden Augenblick, werden wir als Gläubige gelehrt. Es gibt in Wirklichkeit gar nichts, soweit es Gott betrifft, soweit es das Werk Christi oder das Zeugnis des Heiligen Geistes betrifft, das ein Hindernis wäre, dass wir nicht „die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes" noch diese Nacht, ja noch diese Stunde hören könnten. Alles ist getan, was getan zu werden brauchte. Die Versöhnung ist geschehen, die Erlösung vollbracht, Gott ist verherrlicht worden durch das Werk Jesu Christi, wovon Sein Sitzen zur Rechten der Majestät in den Himmeln der unumstößliche Beweis ist. Von dem Augenblick an, als Er Seinen Platz aus dem Thron einnahm, konnte gesagt werden, dass die Errettung bereit sei, geoffenbart zu werden.

Vorher war dies nicht der Fall, denn der Grundstein dieser Errettung wurde erst gelegt in dem Tod und der Auferstehung des Heilandes. Als aber einmal dieses Werk aller Werke vollendet war, da war auch die Errettung bereit, geoffenbart zu werden. „Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße" (Psalm 110, 1).

Der Apostel Petrus gibt uns aber' noch eine andre Anwendung unsers Wortes. In Kap. 4, 5 spricht er von solchen, „welche dem Rechenschaft geben werden, der bereit ist zu richten die Lebendigen und die Toten."

O des schrecklichen Ernstes, in welchem hier dieses Wort vor uns steht! So wahr es einerseits ist, dass die Errettung bereit ist, geoffenbart zu werden, so wahr ist es anderseits, dass das Gericht bereit ist, seinen Lauf zu nehmen, zum ewigen Verderben derer, welche das Heil Gottes, das ihnen angeboten war, vernachlässigt

haben. Die eine dieser Aussagen des Wortes ist so wahr und bestimmt wie die andre. Gott hat Seine Gnade bis zum äußersten gezeigt, und der Mensch ebenso seine Schuld. Diese beiden Dinge haben in dem Tode Christi ihren höchsten Punkt erreicht; und indem wir Christum jetzt mit Herrlichkeit gekrönt auf dem Throne sehen, haben wir dadurch den kräftigsten Beweis, dass nichts mehr übrig bleibt, als dass sowohl die Errettung als auch das Gericht sich offenbaren.

Daraus folgt, dass es ein großer Irrtum ist, wenn man meint, dass der Mensch noch auf der Probe sei, ein verhängnisvoller Irrtum in der Tat in Bezug aus den Zustand und die Stellung des Menschen. Wenn Gott den natürlichen Menschen noch immer prüfen würde, wenn Er noch damit beschäftigt wäre, zu sehen, ob er zu etwas Gutem tauglich sei, ob er irgendwelche Frucht für Ihn hervorzubringen vermöge, dann könnte es ja nicht wahr sein, dass Er „bereit ist, zu richten." Die Welt ist nicht reif für das Gericht, so lange die Prüfung noch im Gange ist, so lauge noch auf das Resultat derselben gewartet werden muss, ehe das Gericht einschreiten kann.

Nein, unbekehrter Leser, wir möchten es dir ernster ans Herz legen, dass die Zeit der Prüfung für immer vorbei, und die Zeit der Langmut Gottes fast abgelaufen ist. O wie wichtig ist es, diese Wahrheit anzunehmen, denn sie zeigt dem Sünder seine wirkliche Lage, zeigt ihm, dass das Gericht in der Tat nahe ist. Ja es ist in diesem Augenblick „bereit", über den unbußfertigen Leser dieser Zeilen hereinzubrechen. Die Ge

schichte der menschlichen Natur — des Menschen überhaupt und der Welt — hat vor Gott schon lange ihren Austrag und Schluss gefunden. Das Kreuz Christi hat die Schuld und das Verderben der Menschheit völlig ans Licht gestellt und auch die Probezeit des Menschen geschlossen. Und von jener ernsten Stunde an bis jetzt ist die wirkliche Stellung der Welt im Ganzen und diejenige eines jeden einzelnen Sünders in ihr, die Stellung eines Verbrechers gewesen, welcher verhört, schuldig befunden und verurteilt worden, an welchem das Gericht aber noch nicht vollzogen worden ist.

Mein Freund, willst du nicht darüber nachdenken? Willst du nicht sofort diesen ernsten Dingen deine ungeteilte Aufmerksamkeit widmen? Vergib mir, dass ich so direkt und unumwunden spreche. Wer, der auch nur in kleinem Maße fühlt, welch Schreckliches die Worte: „bereit zu richten", für den Sünder bedeuten, müsste sich nicht dazu gedrungen fühlen? Gott weiß, dass wir nicht Aufsätze oder Predigten zu schreiben, sondern Seelen zu erreichen wünschen. Möchte der Leser fühlen, dass dies nicht eine trockene Abhandlung über einen religiösen Gegenstand ist, geschrieben mit dem Zweck, einen Traktat zu machen, sondern ein ernster Ruf an sein Herz und Gewissen in der Gegenwart Dessen, „der bereit ist, zu richten die Lebendigen und die Toten."

Dies führt uns zu der dritten Stelle des Wortes, die ich anführen möchte. Sie findet sich in Luk. 12, 40: „Auch ihr nun, seid bereit, denn zu einer Stunde, da ihr es nicht meinet, kommt der Sohn des Menschen."

Wenn die Errettung „bereit" ist, geoffenbart, wenn das Gericht „bereit" ist, vollzogen zu werden, was anders geziemt uns dann, als auch „bereit" zu sein?

Und worin besteht dieses Bereitsein? Wie können wir dazu gelangen? Ich glaube, die Antwort ist eine zwiefache. Erstens müssen wir bereit sein in betreff unsrer Stellung und zweitens in Bezug auf unsern Zustand — bereit dem Gewissen und bereit dem Herzen nach. Das eine ist gegründet auf das Werk Jesu für uns, das andre steht in Verbindung mit dem Werk des Heiligen Geistes in uns. Wenn wir durch Glauben einfach auf dem vollendeten Werke Christi ruhen, und uns allein aus das stützen, was Er getan hat und was Er ist, dann sind wir in Wahrheit unsrer Stellung nach bereit, und können sicher sein, dass wir bei Ihm sein werden, wenn Er kommt. Stützen wir uns aber ans irgendwelches Gute, auf irgendwelche Gerechtigkeit, die wir zu besitzen meinen, darauf, dass wir niemandem etwas zu leid getan, dass wir nicht schlechter gewesen seien als andre, vielleicht auch darauf, dass wir fleißig zur Kirche oder Versammlung gehen und religiöse Vorschriften befolgen — ich sage, wenn wir uns irgend auf solche Dinge stützen, oder sie dem Werk Christi noch hinzufügen wollen, so können wir sicher sein, dass wir unsrer Stellung, unserm Gewissen nach noch nicht bereit sind. Gott kann als Titel zur Seligkeit nichts, absolut nichts annehmen als Christum. Etwas anderes bringen wollen, heißt erklären, dass Christus nicht notwendig sei; etwas noch neben Ihn stellen wollen, dass Er nicht genug sei. Aber Gott bezeugt es überall in Seinem Wort, dass nichts anderes als Christus uns retten kann, dass wir aber auch außer Ihm nichts weiter bedürfen. Daher ist Christus unser gültiger und allgenügender Titel zur Seligkeit.

Dann aber kann es vorkommen, dass jemand bekennt, in dieser Beziehung bereit zu sein, während er dies seinem innerlichen und praktischen Zustand nach nicht ist. Möchten wir doch in dieser Hinsicht wachen! Es gibt heutzutage, wo das Licht des Evangeliums ungehindert ausstrahlen kann, so viel bequemes Christentum. Die Dunkelheit früherer Jahrhunderte ist dem Glanz der frei verkündigten frohen Botschaft und der wieder geöffneten Bibel gewichen, und gewiss können wir für dies alles nicht zu dankbar sein; dennoch aber bleibt es eine traurige Tatsache, dass in unsrer Zeit schrecklich viel Lauheit, Unterwürfigkeit und Genusssucht mit dem christlichen Bekenntnis Hand in Hand gehen. Mit tiefem Kummer muss man bemerken, wie manche junge Christen, welche, soweit es eine Frage des Wissens ist, eine klare Einsicht in die Heilswahrheiten haben oder zu haben meinen, aus ihrem Benehmen, ihrem Äußern und ihren Gewohnheiten zu schließen, ihrer innerlichen Stellung zu Christo, dem praktischen Zustand ihres Herzens nach, nicht bereit sind. Es ist oft recht entmutigend und betrübend zu sehen, wie junge Gläubige sich in ihrer Kleidung der eitlen und sündigen Welt gleichstellen; wie sie ihre Zeit oft mit dem Lesen von leichten Büchern oder dem Singen von weltlichen Liedern zubringen, und überhaupt in ihren Gesprächen leicht und oberflächlich sind. Es ist unmöglich, solche Dinge zu vereinigen mit dem Wort: „Auch ihr nun, seid bereit!"

Man wird uns vielleicht erwidern, dass dies Äußerlichkeiten seien, und dass die Hauptsache die Beschäftigung mit Christo sei, ja es ist schon gesagt worden: Wenn wir nur Christum im Herzen haben, so ist es gleich, was wir tragen oder in die Hände nehmen. Wir antworten: Wenn wir Christum wirklich im Herzen haben, so wird dies bestimmen, was wir tragen oder tun, ja es wird einen offenbaren heiligenden Einfluss auf unser Äußeres und Benehmen haben.

Wir möchten einigen von unsern jungen Freunden die Frage vorlegen: Würdet ihr es gern haben, wenn der Herr Jesus bei Seinem Kommen euch am Lesen eines Romans, oder am Singen eines weltlichen Liedes antreffen würde? Gewiss wünschet ihr dies nicht. Dann aber lasst uns in Seinem Namen darnach trachten, dass wir nichts tun, was sich nicht mit dem Bereitsein für Ihn reimt. Stellen wir uns doch immer wieder die Frage: Bin ich bereit? Bereit nicht nur dem Gewissen, sondern auch dem Herzen nach. Die Zeiten find wirklich so ernst, dass es uns geziemt, über unsern wahren Zustand nicht gleichgültig zu fein. Es fehlt unter uns leider vielfach an einem wirklichen Wandel vor dem Herrn, an Übung des Herzens und Gewissens, und es ist zu befürchten, dass es viele, viele gibt, welche nicht bereit sind, und welche von dem Kommen des Herrn oder dem Tode schrecklich überrascht werden würden. Dinge, die wir uns wirklich nicht erlauben dürfen, wenn wir in Wahrheit den Herrn erwarten, werden von solchen gesagt und getan, die ein sehr hohes Bekenntnis im Munde führen.

Gott gebe, dass mein Leser wisse, was es sei, ein gereinigtes Gewissen und ein in Wahrheit geübtes, auf den Herrn gerichtetes Herz zu haben. Er wird dann

die Wichtigkeit der vierten und letzten Stelle erkennen, auf welche wir seine Aufmerksamkeit lenken möchten. „Als sie aber (die törichten Jungfrauen) weggingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm ein zur Hochzeit, und die Tür ward verschossen!" (Matth. 25, 10).

Wie ernst, wie schrecklich ernst ist dies! Die bereit waren, gingen hinein, und die nicht bereit waren, wurden ausgeschlossen. Diejenigen, welche Leben in Christo haben, in denen der Heilige Geist wohnt, werden bereit sein. Aber die bloßen Bekenner, welche die Wahrheit nur im Kopf und auf den Lippen, aber nicht im Herzen haben, welche wohl die Lampe des Bekenntnisses, aber nicht den Geist des Lebens in Christo besitzen — sie werden hinausgeschlossen werden in die äußere Finsternis, in ewiges Elend, in das ewige traurige Einerlei der Hölle.

Geliebter Leser, lass uns, indem wir Abschied von dir nehmen, noch einmal die ernste Frage in das Innerste deines Herzens rufen: Bist du bereit?


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