CHM- "Heilige Brüder"- und was sie beschäftigen soll


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„Daher, heilige Brüder, Genossen der himmlischen Berufung, betrachtet den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, Jesum." (Heb. 3, 1.)

„Und lasst uns aufeinander Acht haben zur Anreizung der Liebe und guter Werke." (Heb. 10, 24.)

Die zwei angeführten Stellen stehen in enger Verbindung mit einander schon dadurch, dass im Urtext dasselbe Wort in beiden gebraucht wird, welches auch, durch diesen ganzen Brief hindurch, einzig an diesen zwei Dellen vorkommt.*). *) (In Heb. 12, 3 haben wir zwar ebenfalls das Wort „betrachtet". „Betrachtet den, der so großen Widerspruch" u. s. w. Allein das dort mit „betrachtet" übersetzte Wort ist ein anderes als in unsern zwei Stellen. Es schließt die Idee von Vergleichung in sich und kommt nur an diesem einzigen Ort vor. In den zwei uns beschäftigenden Stellen dagegen hat das Wort die Bedeutung von „sich vertiefen", „seine Gedanken mit Ernst aus etwas richten".)

Wir sollen Jesum betrachten, und auf alle diejenigen Acht haben, die Ihm angehören, wo irgend sie sich befinden. Das sind zwei große Gegenstände, die unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen sollen. Indem wir unsere Gedanken mit Fleiß auf Ihn richten, und auf Seine Interessen hienieden, werden wir befreit von dem traurigen Zustand, von uns selbst und unseren Interessen erfüllt zu sein, eine herrliche Befreiung in der Tat, für welche wir billig unserm Erlöser danken sollten.

Lasst uns aber, ehe wir zur Betrachtung unseres eigentlichen Gegenstandes übergehen, noch ein wenig bei dem besonderen Namen verweilen, den der Heilige Geist hier allen Gläubigen, allen wahren Christen gibt. Er nennt sie „heilige Brüder", ein Titel, der uns wahrlich eine große Würde beilegt. Er bedeutet nicht, dass wir heilig sein sollten, nein, er zeigt an, dass wir es sind. Es handelt sich hier um die Stellung eines jeden Kindes Gottes auf der Erde, welche es durch die freie Gnade Gottes erhalten, der aber selbstverständlich unser Wandel, unser ganzer innerer Zustand stets entsprechen sollte. Wir dürfen uns nichts erlauben, dass im Geringsten mit dieser unserer Stellung unvereinbar wäre. Heilige Gedanken, heilige Worte, heilige Handlungen allein geziemen denjenigen, denen eine unbegrenzte Gnade den Titel „heilige Brüder" gegeben hat.

Lasst uns dies nie vergessen! Lasst uns nie denken, es sei uns nicht möglich, einer solchen Würde gemäß uns zu betragen, oder praktischerweise einen solchen Standpunkt einzunehmen. Dieselbe Gnade, welche uns diese Würde geschenkt hat, ist auch stets bereit, uns die Kraft zu einem Wandel darzureichen, der damit übereinstimmt. Wir werden weiter unten sehen, welche reiche Fürsorge diese Gnade getroffen hat, um einen unserer hohen Berufung gemäßen praktischen Wandel bei uns hervorzubringen.

Doch lasst uns zuerst noch sehen, worauf der Apostel die Benennung „heilige Brüder" gründet. Es ist wichtig, darüber klar zu sein, denn wenn wir nicht einsehen, dass sie sich nicht auf unsern Zustand oder Wandel noch etwas dergleichen stützt, so verstehen wir weder die Stellung, in die der Gläubige gebracht ist, noch ihre praktischen Resultate. Wir können aber mit Bestimmtheit sagen, dass der heiligste Wandel, oder der höchste geistliche Zustand, der hienieden je erreicht wurde, nie die Grundlage der Stellung bilden könnten, durch welche wir Ansprüche auf diese Benennung haben. Nichts in uns oder von uns selbst berechtigt uns dazu, selbst nicht das Werk des Geistes in uns, so sehr auch im geistlichen Leben jeder kleinste Schritt vorwärts davon abhängig und damit verwoben ist.

Worauf denn ist dieser Name gegründet? Heb. 2,11 gibt uns die Antwort: „Denn sowohl Der, welcher heiligt, als auch die, welche geheiligt werden, sind alle von Einem; um welcher Ursache willen Er Sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen." Wie wunderbar tief und umfassend ist dieses kurze Wort! Hier sehen wir, wie wir „heilige Brüder" werden, nämlich durch die Vereinigung mit dem Gesegneten, der in den Tod hinunterstieg für uns, und in Seiner Auferstehung die Grundlage zu jener neuen Ordnung der Dinge legte, in welcher wir nun unsern Platz haben. Er ist das Haupt der neuen Schöpfung, welcher wir angehören, der Erstgeborne der vielen Brüder, deren Er Sich nicht schämt, da Er sie zu Sich selbst heraufgezogen, und sie nicht nur in der Vollgültigkeit Seines Werkes zu Gott gebracht, sondern auch bekleidet hat mit Seiner eigenen Wohlannehmlichkeit und Kostbarkeit. „Denn sowohl Der, welcher heiligt, als auch die, welche geheiligt werden, sind alle von Einem." „Gehe hin", sagt der auferstandene Herr zu Maria Magdalena, „von welcher sieben Teufel ausgefahren waren", „gehe hin und sage meinen Brüdern: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, und zu meinem Gott und zu eurem Gott."

Wir mussten aber geheiligt werden. Was setzt dies nun voraus? Es beweist aufs Klarste und Entschiedenste das gänzliche, hoffnungslose Verderben eines jeden von uns. Von diesem Standpunkt aus betrachtet stehen alle auf der gleichen Stufe, wie oder was wir auch in unserer Person und unserm Wandel waren. Wir mögen gebildet, liebenswürdig, moralisch und auf eine natürliche Weise religiös, oder wir mögen roh, unwissend, gottlos gewesen sein, in moralischer und gesellschaftlicher Beziehung so weit voneinander entfernt als die beiden Pole, aber dass „kein Unterschied" war, zeigt uns die Tatsache, dass wir alle, der Höchststehende wie der Niedrigste, müssten geheiligt werden, ehe wir „heilige Brüder" genannt werden konnten. Der Schlechteste unter uns brauchte nichts mehr, und der Allerbeste konnte durch nichts weniger für Gott passend gemacht werden. Und jetzt, nachdem dies geschehen, stehen wir wieder alle auf gemeinschaftlichem Boden, so dass das jüngste und schwächste Kind Gottes auf Erden so wirklich und wahrhaftig zu den „heiligen Brüdern" gehört, als der Apostel Paulus selbst. Es ist dies nicht eine Frage des Fortschritts oder Ergreifens, sondern einfach eine Frage unserer gemeinschaftlichen Stellung vor Gott, welche so herrlich nach dem „Erstgebornen" entschieden und bestimmt wird.

Wir möchten aber hier noch an einen Gegenstand erinnern, über den wir alle recht klare und richtige Begriffe haben sollten. Was ist der Grund der Verwandtschaft der „vielen Brüder" mit dem „Erstgebornen"? Die Schrift ist sehr entschieden und unzweideutig über diesen wichtigen Punkt. Der Herr Jesus sagt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, so bleibt es allein; wenn es aber stirbt, so bringt es viele Frucht" (Joh, 12, 24). Wenn Er Sich in der Herrlichkeit mit „vielen Brüdern" umgeben wollte, so musste Er Sich erniedrigen in den Tod, um jedes Hindernis Hinwegzuräumen und sie auf dem neuen Grund der Auferstehung mit Sich zu vereinigen. Er, der wahre David, musste allein dem schrecklichen Feind entgegentreten, auf dass Seine Brüder mit Ihm die Beute Seines herrlichen Sieges teilen könnten. Lob und Preis sei Seinem wunderbaren Namen!

Wir haben in Mark. 8 eine schöne, unsern Gegenstand berührende Stelle: „Und Er fing an, sie zu lehren, dass der Sohn des Menschen müsse vieles leiden und verworfen werden von den Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. Und Er redete dieses Wort öffentlich. Und Petrus nahm Ihn zu sich und fing an. Ihn zu strafen." In einem anderen Evangelium erfahren wir was Petrus sagte: „Behüte, Herr! Dies wird Dir nicht widerfahren." Aber beachten wir wie der Herr antwortet: „Er aber, Sich umwendend und Seine Jünger ansehend, strafte den Petrus, sagend: Gehe hinter mich, Satanas, denn du sinnest nicht auf das, was Gottes, sondern auf das, was der Menschen ist." Wie schön und vollkommen ist dies! Es ist nicht nur eine Wahrheit, die wir hier lernen, nein, wir sehen unsern Herrn Jesum Christum selbst in Seiner moralischen Herrlichkeit, und unsere Seelen beugen sich vor Ihm in Anbetung. „Sich umwendend und Seine Jünger ansehend" ist es, als ob Er zu Seinem irrenden Jünger sagen wollte: Würde ich auf dein Ansinnen eingehen, würde ich an mich selbst denken, was würde aus diesen werden? Nein, Er konnte nicht an Sich selbst denken. „Er stellte Sein Angesicht fest, nach Jerusalem zu gehen", wohl wissend, was Ihn dort erwarten würde. Aber mitten aus den Todesschatten Golgatha's, wo Er unter all den schrecklichen Folgen unsrer Sünde litt und Gott dadurch verherrlichte, schaute Er vorwärts auf die Freude, aufgrund der Auferstehung den Namen des Vaters Seinen Brüdern zu verkündigen.

Wenden wir uns nun zu der an uns gerichteten Ermahnung: „Daher, heilige Brüder, Genossen der himmlischen Berufung, betrachtet den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, Jesum." Die Namen, welche unserm gesegneten Herrn hier gegeben sind, bringen Ihn auf ganz besondere Weise vor unsere Seelen. Sie schließen den weiten Kreis Seiner Geschichte in sich. Seinen Weg von dem Schoße des Vaters hernieder zu dem Staub der Erde, und von da zurück zu dem Throne Gottes.

Als der „Apostel" kam Er von Gott zu uns, und als der „Hohepriester" ist Er für uns wieder zu Gott zurückgekehrt. Er kam vom Himmel, um uns Gott zu offenbaren, um uns Sein Herz zu zeigen und die kostbaren Geheimnisse Seiner Liebe uns mitzuteilen. „Nachdem Gott vielfältig und auf mancherlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat Er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohne, den Er gesetzt hat zum Erben aller Dinge, durch den Er auch die Welten gemacht hat; welcher der Abglanz Seiner Herrlichkeit und der Abdruck Seines Wesens seiend und alle Dinge durch das Wort Seiner Macht tragend, nachdem Er durch Sich selbst die Reinigung der Sünden gemacht, Sich gesetzt hat zur Rechten der Majestät in der Höhe." „Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat Ihn kundgemacht." „Denn der Gott, der aus der Finsternis das Licht leuchten hieß, ist es, der in unsere Herzen geleuchtet hat zum Lichtglanz der Erkenntniss der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi." (Heb. 1; Joh. 1; 2 Kor. 4.)

Wie kostbar ist dies alles. Jesus hat unsern Seelen Gott geoffenbart, Den wir nicht gekannt hätten, wenn der Sohn nicht gekommen wäre und zu uns geredet hätte. Aber nun können wir, gepriesen sei Er dafür, mit aller Gewissheit sagen: „Wir wissen, dass der Sohn Gottes gekommen ist und uns ein Verständnis gegeben hat, aus dass wir den Wahrhaftigen kennen; und wir sind in dem Wahrhaftigen, in Seinem Sohne Jesu Christo" (1 Joh. 5, 20). Das ist Gott, können wir sagen, wenn wir jetzt in den vier Evangelien den Gesegneten erblicken, der uns dort durch den Heiligen Geist dargestellt ist, in all der Freundlichkeit und Huld, die stets aus Seinem Wesen, aus Seinen Worten und Werken leuchtete. Wir sehen Ihn umher gehen und Gutes tun und heilen alle, die von Satan überwältigt, oder durch Krankheiten beschwert sind; wir sehen Ihn den Aussätzigen heilen, des Blinden Augen auftun, des Tauben Ohren öffnen, die Hungrigen speisen, der Witwe Tränen trocknen; wir sehen Ihn weinen am Grabe des Lazarus, und können sagen: Das ist Gott. All das Herrliche, das sich in dem Leben und Dienst des Apostels unseres Bekenntnisses zeigte, war der direkte Ausdruck Gottes. Er war „der Abglanz Seiner Herrlichkeit und der Abdruck Seines Wesens."

Vergegenwärtigen wir es uns nur, was es ist, die Offenbarung Gottes zu haben in der Person Christi, so dass wir Ihn kennen, und uns in Ihm freuen können. Wir nennen Ihn Abba, Vater, und wandeln in dem Licht Seines Angesichts, wir haben Gemeinschaft mit Ihm und mit Seinem Sohne Jesu Christo, und kennen die Liebe Seines Herzens. Welche Fülle der Freude! Wie können wir diesen Gott und Vater unsers Herrn Jesu Christi je genugsam preisen für die Gnade, womit Er uns in einen Kreis solcher Segnungen und Vorrechte, in solch innige Verbindung mit Ihm selbst und dem Sohn Seiner Liebe gebracht hat? O möchten unsere Herzen, unser Leben Ihn preisen, und Seinen Namen verherrlichen!

Gehen wir nun zu dem zweiten Theil unseres Gegenstandes über, zur Betrachtung des „Hohenpriesters unsers Bekenntnisses". Derselbe, der als der Apostel herniederkam, um Gott unsern Seelen zu offenbaren, ist auch zu Ihm zurückgekehrt für uns. Er kam, um zu uns von Gott zu reden, und Er ist zurückgekehrt, um mit Gott über uns zu reden. Er erscheint in der Gegenwart Gottes für uns, und trägt uns dort beständig auf Seinem Herzen. Er vertritt uns vor Gott und durch Seine Bemühungen werden wir praktisch in der Stellung erhalten, in welche Sein Versöhnungswerk uns gebracht hat. Sein Priestertum ist die göttliche Fürsorge für unsern Pfad durch die Wüste. Handelte es sich bloß um unsere Stellung oder Annahme, so würden wir kein Priestertum brauchen, sobald aber unser praktischer Zustand und Wandel in Frage kommt, so haben wir jeden Augenblick unsern großen Hohenpriester nötig, der stets für uns in der Gegenwart Gottes lebt.

Wir finden in der Epistel an die Hebräer drei kostbare Theile dieses priesterlichen Dienstes Christi erwähnt. Erstens lesen wir in Kap. 4: „Da wir nun einen großen Hohenpriester haben, der durch die Himmel gegangen ist, Jesum, den Sohn Gottes, so lasst uns das Bekenntnis festhalten; denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid haben kann mit unsern Schwachheiten, sondern der in allem versucht worden ist in gleicher Weise, ausgenommen die Sünde."

Mein christlicher Leser, denke einmal recht darüber nach, was es ist, jemand zur Rechten der Majestät in der Höhe zu haben, der Mitleid haben kann mit deinen Schwachheiten, der alles das versteht, was dich niederdrückt, der für dich und mit dir fühlt in all deinen Übungen, deinen Prüfungen und Schwierigkeiten; was es ist, einen Menschen auf dem Throne Gottes zu haben, ein vollkommen menschliches Herz, jemand bei dem du daraus zählen kannst, dass Er in Bezug auf alles, ausgenommen die Sünde, Teilnahme mit dir hat. Wahrlich, keine menschliche Zunge könnte Worte finden, den tiefen, tiefen Trost, die Freude auszudrücken, die dieses Bewusstsein uns gibt, dass Derjenige, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, für uns dort lebt, dass Er in unsere Gefühle eingeht wie kein irdischer Freund es tun könnte. Wir können zu Ihm gehen und Ihm Dinge sagen, wie wir es unserm vertrautesten Freund gegenüber nicht tun könnten, weil niemand uns so völlig versteht wie Er. Er aber hat selbst auf alle Weise gelitten, und es ist Seine Freude uns nahe zu sein in Zeiten der Prüfung und Traurigkeit, wenn das Gewicht des Kummers, den Er allein ganz kennt, das Herz beugt und darnieder drückt. O mögen unsere Herzen sich freuen in Ihm, unserm kostbaren Heiland, unserm barmherzigen Hohenpriester; mögen wir noch viel mehr die unerschöpflichen Quellen des Trostes und der Freude genießen, welche Sein Herz voll Liebe für alle Seine Brüder birgt, die hier unten noch leiden und versucht werden.

In Hebr. 7, 25 lesen wir noch von einem andern Theil der priesterlichen Arbeit des Herrn, nämlich von Seiner Fürbitte, Seiner Tätigkeit zu unseren Gunsten in der Gegenwart Gottes. „Daher vermag Er auch völlig zu erretten, die durch Ihn zu Gott kommen, indem Er immerdar lebt, um Sich für sie zu verwenden."

Welch „starker Trost" ist dies für alle „heiligen Brüder", welche freudige Gewissheit und Zuversicht gibt es ihnen! Ihr großer Hohenpriester trägt sie beständig auf Seinem Herzen vor dem Throne Gottes, ihre Angelegenheiten sind in Seinen treuen Händen und können daher nie fehlschlagen. Er lebt für uns, und wir leben in Ihm. Er wird uns herrlich hindurchbringen bis ans Ende. In Ihm, unserem ewig bleibenden Hohenpriester, haben wir Ruhe in Betreff unserer endgültigen Sicherheit. Er versichert uns: „Weil ich lebe, werdet auch ihr leben." (Joh. 14, 19.) „Denn wenn wir, da wir Feinde waren, Gott versöhnt wurden durch den Tod Seines Sohnes" (der einzige Weg, wodurch dies möglich war), „vielmehr werden wir, da wir versöhnt sind, durch Sein Leben" (nämlich Sein Leben droben im Himmel) errettet werden." (Röm. 5, 10.) Er hat Sich verantwortlich gemacht, einen jeden der „heiligen Brüder" durch alle die Schwierigkeiten, alle Fallstricke und Versuchungen der Wüste hindurch sicher nach Hause in die Herrlichkeit zu führen.

In Hebr. 13, 15 finden wir den dritten Theil des Priesterdienstes des Herrn für uns erwähnt. „Durch Ihn nun lasset uns Gott stets die Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die Seinen Namen bekennen." Selbst dessen dürfen wir uns also getrösten, dass Einer in der Gegenwart Gottes ist, der unsere Opfer des Lobes und Dankes Ihm darbringt. Wie ermutigt uns dies, allezeit diese Opfer zu bringen. Wohl mögen sie in sich selbst recht armselig, schwach und unvollkommen sein, aber unser Hohepriester weiß das Köstliche vom Schlechten zu scheiden. Er nimmt unsere Opfer und bringt sie Gott dar in dem vollen Wohlgeruch Seiner eigenen Person und Seines Dienstes. Jede Bewegung des Herzens zu Ihm hin, jeder kleine Dienst der Liebe steigt hinauf zu Gott, entkleidet von all unserer Schwäche und Unvollkommenheit, und angetan mit der Vortrefflichkeit Dessen, der stets für uns tätig ist in der Gegenwart Gottes, nicht allein in Teilnahme und Fürbitte, sondern auch in der Darbringung unserer Lob- und Dankopfer. Es ist Seine Freude, uns auf Seinem Herzen zu tragen vor dem Throne Gottes, und Er denkt an ein jedes von uns im besonderen, gerade wie wenn es der einzige Gegenstand Seiner Sorge wäre. Ist es nicht wunderbar, zu denken, dass Er in unsere kleinen alltäglichen Prüfungen und Bekümmernisse eingeht, wie wenn Er an gar nichts anderes zu denken hätte? Dass ein jedes die ungeteilte Aufmerksamkeit Seines liebenden Herzens genießt in Bezug auf Alles, was uns auf unserem Wege befallen kann? Er kennt jeden Schritt unseres Weges durch diese Welt, Er ist ihn selbst gegangen, und wenn wir aufschauen in den geöffneten Himmel und Ihn dort als den verherrlichten Menschen auf dem Throne sehen, so wissen wir, dass es der gleiche Jesus ist, der hier auf Erden war. Seine Umstände find wohl sehr verändert, aber nicht Sein zärtliches, mitfühlendes Herz. Er ist „derselbe, gestern und heute und in Ewigkeit".

Dies also, geliebter Leser, ist der große Hohepriester, "den zu „betrachten" wir ermahnt werden. Wahrlich, wir haben Alles in Ihm, was wir bedürfen, vollkommene Teilnahme, vollkommen wirksame Fürbitte und eine vollkommen wohlannehmliche Darbringung unserer Opfer. Wohl können wir sagen: Wir haben alles in Fülle und haben Überfluss.

Und nun lasst uns zum Schluss noch einen Blick auf die Ermahnung in Hebr. 10, 24 werfen: „Lasst uns aufeinander Acht haben zur Anreizung der Liebe And guter Werke."

Wie lieblich sind diese zwei Stellen in ihrer Verbindung miteinander! Je aufmerksamer und anhaltender wir Ihn betrachten, desto fähiger und bereitwilliger werden wir, auf alle diejenigen Acht zu haben, die Ihm angehören, wer und wo sie auch sein mögen. Zeige uns- einen Menschen, der von Christo erfüllt ist — bei ihm wirst du auch Liebe, Sorge und Interesse für jedes Glied Seines Leibes finden. Es muss sich so verhalten, denn es ist unmöglich, Christo nahe zu sein und nicht mit zarter Liebe gegen alle erfüllt zu werden, die Sein sind. Wir können Ihn nicht betrachten, ohne an sie erinnert und angetrieben zu werden, in unserem kleinen Maße ihnen zu dienen und uns in Gebet und Teilnahme um sie zu bemühen. Jemand mag noch so beredt von seiner Liebe zum Herrn und seiner Freude in Ihm sprechen, zeigt er aber keine Sorge, kein Interesse für die, welche dem Herrn angehören, keine Bereitwilligkeit, für sie zu verwenden und verwendet zu werden, keine Selbstverleugnung um ihretwillen, so können wir sicher sein, dass wir es mit einem hohlen und wertlosen Bekenntnis zu tun haben. „Hieran haben wir die Liebe erkannt, dass Er für uns Sein Leben dargelegt hat; auch wir sind schuldig, für die Brüder das Leben darzulegen. Wer aber der Welt Güter hat und sieht seinen Bruder Mangel leiden und verschließt sein Herz vor ihm, wie bleibt die Liebe Gottes in ihm? Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten, noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit." „Und dieses Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, auch seinen Bruder liebt." (1. Joh. 3, 16-18; 4, 21.)

Dies sind heilsame Worte für uns alle. Mögen Wir sie fleißig auf uns anwenden und durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes angetrieben werden, von ganzem Herzen die zwei wichtigen und nötigen Ermahnungen zu befolgen, den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses zu betrachten, und aufeinander Acht zu haben. Und erinnern wir uns stets daran, dass «in Gott wohlgefälliges Achthaben auf einander sich nie in unzarter Neugier oder unberechtigtem Einmischen in die Angelegenheiten anderer ausdrücken wird, Dinge, welche den Verkehr der Christen unter einander nur hindern und verderben. Nein, es ist das gerade Gegenteil von allem solchem. Es ist eine liebende zarte Sorge, die sich in aller Art von verständigem, taktvollem Dienst offenbart, als eine liebliche Frucht wahrer Gemeinschaft mit Christo.


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