CHM- Ströme lebendigen Wassers


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andere Schriften von C.H. Mackintosh
„An dem letzten, dem großen Tage des Festes aber stand Jesus und rief und sprach: Wenn jemanden dürstet, so komme er zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, gleichwie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen." (Joh. 7, 37. 38.)

Das Fest, von welchem in dieser Stelle die Rede ist, war das „Laubhüttenfest". Es wird zu Anfang unsers Kapitels „das Fest der Juden" genannt. Das zeigt uns seinen Charakter. Es konnte nicht länger, wie in 3. Mose 23, „ein Fest Jehovas" genannt werden; der Herr konnte es nicht mehr als solches anerkennen. Es war zu einer leeren Form, zu einer kraftlosen Satzung geworden, zu einer Sache, deren der Mensch sich noch rühmen konnte, während Gott ausgeschlossen war.

Das ist nichts ungewöhnliches. Das Herz des Menschen hat zu allen Zeiten die Neigung gezeigt, an den äußeren Formen festzuhalten, wenn auch geistliche Kraft längst verschwunden ist. So war es in alten Zeiten mit Israel: viel äußere Form ohne innere Kraft. Möchten auch wir auf der Hut sein vor dieser gefährlichen Schlinge des Feindes! Er ist stets, darauf aus, unsre Seelen zu betrügen und Gott auszuschließen; und er benutzt dazu gerade solche von Gott gegebenen Anordnungen. Aber mögen diese letzteren noch so gut und schön sein, welchen Wert haben sie, wenn die geistliche Kraft verschwunden ist! Doch wo der Glaube in lebendiger Wirksamkeit steht, hat die Seele es mit Gott zu tun; und Kraft und Frische werden in dieser Weise bewahrt.

Der Evangelist Johannes bezeichnet von Anfang an jene von Gott angeordneten Feste als Feste der Juden; und nicht nur das, wir finden auch, dass der Herr eines noch dem anderen gleichsam beiseitesetzt und sich selbst an ihrer Stelle als den Gegenstand des Herzens darbietet. So ist es auch, wie schon bemerkt, im Anfang des 7. Kapitels. Wir lesen da: „Und nach diesem wandelte Jesus in Galiläa, denn Er wollte nicht in Judäa wandeln, weil die Juden Ihn zu töten suchten. Es war aber nahe das Fest der Juden, die Laubhütten." Welch ein schrecklicher Gegenspruch! Welch eine Verblendung! Sie suchten den Sohn Gottes zu töten und wollten doch das Fest der Laubhütten feiern! Das ist der religiöse Mensch ohne Gott.

Es sprachen nun Seine Brüder zu Ihm: „Ziehe von hinnen und gehe nach Judäa, auf dass auch Deine Jünger Deine Werke sehen, die Du tust; denn niemand tut etwas im Verborgenen, und sucht selbst öffentlich bekannt zu sein. Wenn Du diese Dinge tust, so zeige Dich der Welt; denn auch Seine Brüder glaubten nicht an Ihn." Obgleich Seine Brüder Ihm dem Fleische nach so nahestanden, glaubten sie doch noch nicht an Ihn. Sie hätten es gern gesehen, wenn Er sich der Welt bekannt gemacht hätte, um von ihr bewundert und angestaunt zu werden. Ach, sie wussten nicht, weshalb Christus vom Vater herabgekommen war; sie kannten nicht den Zweck Seiner Erscheinung in dieser Welt. War Er aus dem Himmel herabgestiegen, um ein Gegenstand der Bewunderung seitens der Welt zu sein? Nein, Er war gekommen, um zu dienen und Sein Leben als Lösegeld zu geben für viele. Über „das Tier" wird sich einmal die ganze Erde verwundern; (vergl. Offbg. 13, 3.) aber der Sohn Gottes war in dieser Welt erschienen, um Gott zu verherrlichen, sich selbst zu verbergen und dem Menschen zu dienen.

Er weigerte sich daher, öffentlich zu dem Feste nach Jerusalem hinaufzuziehen. Seine Zeit war noch nicht da; „aber", fügt Er hinzu, „eure Zeit ist stets bereit". Der Augenblick, sich der Welt zu zeigen, war noch nicht gekommen. Er wird einmal kommen wenn das, wovon das Laubhüttenfest ein Vorbild war, in Erfüllung gehen wird. Aber zu der Zeit, von welcher das Kapitel handelt, war Seine Stunde noch nicht gekommen. Die Welt, ja, die religiöse Welt, hasste Ihn. „Die Welt kann euch nicht Haffen", sagt Er; „mich aber hasst sie, weil ich von ihr zeuge, dass ihre Werke böse sind. Geht i h r hinauf zu diesem Feste; ich gehe nicht hinauf zu diesem Feste; denn meine Zeit ist noch nicht erfüllt. Nachdem Er dies zu ihnen gesagt hatte, blieb Er in Galiläa. Als aber Seine Brüder hinaufgegangen waren, da ging auch Er hinauf zu dem Feste, nicht offenbarlich, sondern wie im Verborgenen."

Und weshalb ging Er hinauf? Um Seinen Vater zu verherrlichen und der willige Diener der Bedürfnisse des Menschen zu sein. Das war Sein einziger Zweck. „Als es aber schon um die Mitte des Festes war, ging Jesus hinaus in den Tempel und lehrte. Es verwunderten sich nun die Juden und sagten. Wie besitzt dieser die Gelehrsamkeit, da Er doch nicht gelernt hat? Da antwortete ihnen Jesus und sprach: Meine Lehre ist nicht mein, sondern Dessen, der mich gesandt hat." Wie strahlt uns aus diesen Worten Seine Herrlichkeit als der sich selbst verbergende Diener entgegen! „Meine Lehre ist nicht mein." Das war Seine Antwort denen gegenüber, welche sich über Seine Gelehrsamkeit verwunderten. Sie kannten Ihn ebenso wenig wie Seine Brüder. Die Beweggründe, welche Ihn leiteten, die Ziele, welche Er verfolgte, lagen weit außerhalb des Bereiches fleischlicher und weltlich gesinnter religiöser Menschen. Sie beurteilten Ihn nach ihren eignen Gedanken, und deshalb waren alle ihre Schlüsse falsch. „Wenn jemand Seinen Willen tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist, oder ob ich aus mir selbst rede. Wer aus sich selbst redet, sucht seine eigne Ehre; wer aber die Ehre dessen sucht, der ihn gesandt hat, dieser ist wahrhaftig, und Ungerechtigkeit ist nicht in ihm." Der gepriesene Sohn Gottes sprach nicht aus sich selbst, als wenn Er unabhängig von dem Vater gewesen wäre, sondern als Einer, der in unbedingter Abhängigkeit und in ununterbrochener Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott lebte, der alle Seine Quellen in Ihm hatte, der nichts tat, nichts sagte, ja, nichts dachte getrennt von dem Vater.

Wir begegnen derselben Wahrheit bezüglich des Heiligen Geistes in dem 16. Kapitel unsers Evangeliums: „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird Er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn Er wird nicht aus sich selbst reden, sondern was irgend Er hören wird, wird Er reden, und das Kommende wird Er euch verkündigen, Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen wird Er empfangen und euch verkündigen." (V. 13. 14.) Der Heilige Geist redete und redet nicht aus sich selbst, als unabhängig von dem Vater und dem Sohne, sondern als Einer, der in völliger Gemeinschaft mit beiden steht.

„An dem letzten, dem großen Tage des Festes aber stand Jesus und rief und sprach: Wenn jemanden dürstet, so komme er zu mir und trinke!" Wie kostbar und von welch außerordentlicher praktischer Wichtigkeit sind diese Worte: „Wenn jemanden dürstet, so komme er zu mir!" Die Person Christi ist die göttliche Quelle aller Segnung, aller Frische und geistlichen Energie. In Ihm allein kann die Seele finden was sie bedarf. Obwohl der Herr hier zunächst von dem Heiligen Geiste redet, welchen die an Ihn Glaubenden empfange» sollten, so hat die Stelle doch auch eine gesegnete Bedeutung für unseren ganzen Pfad als Gläubige, für unseren täglichen Wandel und für unseren Dienst Anderen gegenüber. Christus ist es, zu welchem wir uns allezeit wenden müssen; alle unsre persönliche Erfrischung und Segnung fließt von Ihm aus uns zu. Wenn wir daher zu irgendeiner Zeit die Entdeckung machen, dass wir dürr, leer und trocken sind in unseren Herzen, was sollen wir dann tun? Sollen wir Anstrengungen machen, unseren Zustand zu verbessern, den Ton unsers geistlichen Lebens höher zu stimmen? Nein, auf diesem Wege werden wir niemals unseren Zweck erreichen. Was sollen wir denn tun? Uns zu Ihm wenden und trinken! Und was wird das Resultat sein, wenn wir so kommen und trinken? — Wir werden selbst erfrischt werden, und Ströme lebendigen Wassers werden aus unseren Leibern, d. h. von unserm inwendigen Menschen, Anderen zufließen. Lebendiges Wasser wird von uns ausströmen, um auch andere Dürstende zu laben. Der Heilige Geist, welcher in uns wohnt, ist dann nicht nur ein Quell des Wassers, der in das ewige Leben quillt, (Joh. 4.) sondern wird auch zu einem erquickenden Strome für Andere.

Nichts ist törichter und vergeblicher als die ruhelosen Anstrengungen einer Seele, die den persönlichen Umgang mit dem Herrn entbehrt. Wir mögen dann sehr beschäftigt sein, unsre Hände voll Arbeit, der Kopf voll Erkenntnis, und unsere Füße mögen eilig hierhin und dorthin laufen; aber alles ist, soweit es uns betrifft, vergeblich. Ist das Herz nicht in lebendiger Verbindung mit der Person Christi, nicht in Wahrheit mit Ihm beschäftigt, so muss Dürre und Leere folgen, und unmöglich können „Ströme lebendigen Wassers" aus uns stießen. Sollen wir Anderen zum Segen sein, so müssen wir uns selbst von Christus nähren. Wir „trinken" nicht für Andere, sondern für uns selbst; wir trinken, um unseren eignen Durst zu stillen. Aber wenn wir so trinken, stießen jene Ströme von selbst. Zeige mir einen Mann, dessen Herz in Wahrheit mit Christus erfüllt ist, und ich will dir einen Mann zeigen, dessen Hände für das Werk geschickt und dessen Füße bereit sind, in dem Dienst des Herrn zu laufen. Das eine steht und fällt mit dem anderen. Beginnen wir nicht mit wahrer Herzensgemeinschaft, so wird unser Laufen und Wirken umsonst sein; weder wird Gott verherrlicht werden, noch werden wir Anderen zum Nutzen sein können.

Ja, mein Leser, wir müssen beginnen in unserm eignen Innern, in der verborgenen Stille unsrer eignen Herzen und dort durch den Glauben mit einem lebendigen Christus beschäftigt sein; anders wird sich der bloße Dienst als völlig wertlos erweisen. Wünschen wir, einen guten Einfluss auf Andere auszuüben, möchten wir als ein Segen dienen unter unseren Mitmenschen; wünschen wir, Gott Frucht zu bringen und als Lichter zu scheinen in der - moralischen Finsternis um uns her; möchten wir ein Segenskanal sein, inmitten der dürren Wüste dieser Welt — ja, mein Leser, dann lass uns lauschen auf die Worte unseres Herrn in Joh. 7, 37! Lass uns trinken an der wahren und einzigen Quelle! Und was dann? Aufhören, zu trinken? Nein, wieder trinken, allezeit trinken — und die Ströme lebendigen Wassers müssen stießen. Wenn ich sage: „Ich muss mich bemühen, ein Segenskanal für Andere zu sein", so werde ich nur meine eigne Ohnmacht und Torheit erfahren. Wenn ich aber zu der Quelle komme und trinke, wenn ich mich gleichsam als ein leeres Gefäß mit dem lebendigen Wasser füllen lasse, so werden ohne Anstrengung meinerseits, ganz von selbst, die Ströme stießen zum Segen für Andere.


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