CHM- Ein Herz für Christus


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andere Schriften von C.H. Mackintosh

Nach einem Vortrag über Matth. 26

In diesem ernsten Kapitel werden allerlei Herzen offenbar: das Herz der Hohenpriester, das Herz der Ältesten, das Herz der Schriftgelehrten, das Herz des Petrus, das Herz des Judas. Ein Herz aber ist ganz besonders unähnlich all den anderen, und zwar das Herz des Weibes, die das Alabasterfläschchen mit sehr kostbarer Salbe brachte^ um damit den Leib Jesu zu salben. Dieses Weib hatte ein Herz für Christus. Vielleicht war sie eine sehr große Sünderin, eine sehr unwissende Sünderin, aber ihre Augen waren geöffnet, und sie sah in Jesu den Schönsten unter den Menschenkindern, für Den nichts zu kostbar war. Sie hatte in Wahrheit ein Herz für Christus.

Wir übergehen die Hohenpriester, Ältesten und Schriftgelehrten und betrachten kürz das Herz dieses Weibes im Gegensatz zu dem Herzen des Judas und des Petrus.

Judas war geizig; er liebte das Geld. Diese Liebe ist weit verbreitet gewesen in jedem Zeitalter. Er hatte das Evangelium gepredigt; er hatte mit dem Herrn Jesu gewandelt in den Tagen Seiner öffentlichen Wirksamkeit. Er hatte Seine Worte gehört, Seine Taten gesehen, Seine Freundlichkeit erfahren. Aber ach, obgleich er ein Apostel war, obgleich er in der Gesellschaft Jesu gelebt hatte, obgleich er das Evangelium gepredigt hatte, so hatte er doch kein Herz für Christus. Er liebte das Geld, sein Herz war immer beschäftigt mit dem Gedanken an Gewinn. Wenn es sich um Geld handelte, so war er mit ganzem Herzen dabei. Der Gedanke an Geld konnte die tiefsten Tiefen seines Wesens erregen. „Der Beutel" war ihm das Liebste und Teuerste. Satan wusste dies. Er kannte die besondere Lust des Judas. Er wusste sehr wohl um welchen Preis -er käuflich war. Er wusste, wie er seinen Mann versuchen musste, um ihn in seine Hände zu bekommen. Welch ein ernster Gedanke?

Beachten wir auch wohl, dass gerade die Stellung des Judas ihn zu einem besonders geeigneten Werkzeug Satans machte. Weil er die Gewohnheiten Jesu so genau kannte, war er besonders geeignet, Ihn zu verraten und in die Hände Seiner Feinde zu überliefern. Die Erkenntnis göttlicher Dinge macht einen Menschen nur umso härter, gottloser und böser, wenn das Herz nicht davon berührt wird. Die Hohenpriester und Schriftgelehrten in Matth. 2 hatten wohl eine verstandesmäßige Erkenntnis der Heiligen Schrift, aber fie hatten kein Herz für Christus. Sie konnten sofort die Rolle des Propheten aufschlagen und die Stelle finden, wo geschrieben stand: „Und du Bethlehem, Land Juda, bist keineswegs die geringste unter den Fürsten Judas; denn aus dir wird ein Führer hervorkommen, der mein Volk Israel weiden wird." (Matth. 2, 6.)

Dies alles war sehr gut, sehr wahr und sehr- schön; aber sie hatten kein Herz für diesen Führer, keine Augen, Ihn zu erkennen; sie wollten nichts von Ihm wissen. Sie konnten die Schrift- stellen von den Fingern hersagen, und sie hätten sich wahrscheinlich geschämt, wenn sie die Frage des Herodes nicht hätten beantworten können. Es wäre eine Schande gewesen für Menschen in ihrer Stellung, wenn sie in diesen Fragen Unwissenheit gezeigt hätten; aber sie hatten kein Herz für Christus, und darum legten sie ihre Schrifterkenntnis nieder zu den Füßen eines gottlosen Königs, der im Begriff stand, diese Erkenntnis zu gebrauchen, um, wenn es möglich war, den wahren Erben des Thrones zu töten. Dahin kann uns die Erkenntnis bringen, die nicht mit Liebe zur Wahrheit verbunden ist. (2. Thess. 2, 10.)

Ich denke jedoch nicht daran, die Erkenntnis der Heiligen Schrift herabsetzen zu wollen. Das sei ferne! Die wahre, lebendige Erkenntnis der Heiligen Schrift muss unsere Herzen hinführen zu Jesu. Aber es ist möglich, dass man die Schrift so genau kennt, dass man einen Vers nach dem anderen, ein Kapitel nach dem anderen hersagen kann, so dass man eine Art wandelnder Konkordanz ist, und bei alledem kann das Herz kalt und hart gegen Christus und Seine Rechte sein. Eine solche Erkenntnis wird uns nur umso mehr in die Hände Satans liefern, wie es in dem Falle der Hohenpriester und Schriftgelehrten war. Herodes würde sich nicht an unwissende Menschen gewandt haben, um Auskunft. Satan bedient sich nicht der unwissenden und dummen Menschen, um gegen die göttliche Wahrheit zu kämpfen. O nein, — er findet brauchbarere Werkzeuge für dieses Geschäft. Die Klugen, die Gelehrten, die tiefen Denker sind zu allen Zeiten viel geeigneter für ihn gewesen, vorausgesetzt, dass sie kein Herz für Christus haben.

Was bewahrte die drei Weisen davor, ein Werk zeug Satans zu werden? Warum konnte Herodes, warum konnte der Teufel sie nicht für seine Zwecke gebrauchen? Sie hatten ein Herz für Christus. Seliges Schutzmittel! Wahrscheinlich waren sie sehr unwissend in Bezug auf die Heilige Schrift; es wäre ihnen sehr schwer geworden, eine Stelle in dem Propheten zu finden, aber sie suchten Jesus; ernstlich, ehrlich, eifrig suchten sie Ihn. Herodes hätte sie gerne für seine Zwecke gebraucht, wenn es ihm möglich gewesen wäre. Es war aber unmöglich, denn sie standen außerhalb seines Einflusses. Ja, und sie fanden den Weg zu Jesu. Sie wussten nicht viel von dem Propheten, der von dem „Führer" geweissagt hatte, aber sie fanden den Weg zu diesem Führer selbst. Sie fanden diesen Führer in der Person des Kindes in der Krippe, und anstatt Werkzeuge zu sein in der Hand des Herodes, lagen sie zu den Füßen Jesu und huldigten Ihm.

Ich will nun aber damit durchaus nicht der Unwissenheit das Wort reden. Leute, die die Schrift nicht kennen, fallen sicherlich in große Irrtümer. Wenn Paulus zu Timotheus sagt: „Und weil du von Kind auf die Heiligen Schriften kennst, die der Mögend sind, dich weise zu machen zur Seligkeit", so ist es in seinen Augen ein Vorzug, aber er fügt auch sofort hinzu: „durch den Glauben, der in Christus Jesu ist" (2. Tim. 3, 15). Eine wahre, lebendige Erkenntnis der Heiligen Schrift wird uns immer zu den Füßen Jesu führen, aber eine bloße verstandesmäßige Erkenntnis der Heiligen Schrift ohne herzliche Liebe zu Christus macht uns zu nur umso brauchbareren Werkzeugen in den Händen Satans.

So verhielt es sich mit dem hartherzigen, geldliebenden Judas. Er hatte wohl Erkenntnis, aber keinen Funken Liebe zu Christus, und so machte seine genaue Bekanntschaft mit dem Gerechten ihn zu einem brauchbaren Werkzeuge Satans. Weil er Jesu so nahestand, konnte er Ihn verraten. Der Teufel wusste, dass er ihn für 30 Silberlinge kaufen konnte, um die schreckliche Tat zu vollbringen, dass er seinen Meister verriet.

O liebe Seele, bedenke dies! Hier war ein Apostel, ein Prediger des Evangeliums, einer, der sich zu Jesu bekannte, und doch, unter dieser Außenseite, verbarg sich ein Herz, das dem Geiz ergeben war, ein Herz, in dem viel Raunt war für 30 Silberlinge, aber nicht eine Ecke für Jesus. Welch eine furchtbare Tatsache! Welch ein Bild! Welch eine Warnung! O ihr alle, die ihr Jesus mir mit dem Munde bekennt, denkt an Judas! Denkt an sein Leben! Denkt an seinen Charakter! Denkt an sein Ende! Er predigte das Evangelium, aber er hatte es nie erkannt, es nie geglaubt, es nie empfunden. Er hatte Sonnenstrahlen auf die Leinwand gemalt, aber nie ihre Kraft und Wärme empfunden. Er hatte ein ganzes Herz für Geld, aber kein Herz für Christus. Als „der Sohn des Verderbens", ging er hin und erhängte sich. Er ging an seinen Ort. Ihr, die ihr euch Christen nennt, hütet euch vor bloßem Kopfwissen, vor Lippenwerk, vor bloßer amtlicher Frömmigkeit, vor mechanischer Religion. Hütet euch vor allen diesen Dingen und trachtet danach, dass ihr ein Herz für Christus habt!

Auch Petrus ist ein Warnungszeichen für uns, wenn auch in anderer Weise. Er liebte Jesus aufrichtig, aber er fürchtete sich vor dem Kreuze. Er schreckte davor zurück, den Namen seines Herrn zu bekennen inmitten der Feinde. Er rühmte sich, was er tun wollte zu einer Stunde, wo er hätte leer sein sollen vom -eigenen Ich. Er war fest eingeschlafen, wo er hätte auf seinen Knieen sein sollen. Anstatt zu beten, schlief er, und anstatt stille zu sein, zog er das Schwert. „Er folgte Jesu von ferne", und dann wärmte er sich an dem Feuer des Hohenpriesters. Schließlich verfluchte er sich und schwur, dass er seinen göttlichen Meister nicht kenne. Dieses alles war so furchtbar! Man hätte annehmen können, dass der Petrus von Matth. 16,16 derselbe war, wie der Petrus von Matth. 26? Und doch ist es so. Auch der beste Mensch ist nur wie ein dürres Blatt im Herbst. Keiner ist fest. Die höchste Stellung, das lauteste Bekenntnis mag enden darin, dass man Jesu „von ferne" folgt und dann in niedrigster Weise Seinen Namen verleugnet.

Es ist sehr wohl möglich, ja fast sicher, dass Petrus den Gedanken, Jesus um 30 Silberlinge zu verraten, mit Verachtung von sich gewiesen hätte. Dennoch fürchtete er sich, Ihn vor einer Magd zu bekennen. Es ist möglich, dass er Ihn nicht an Seine Feinde verraten hätte, aber er konnte seinen Meister wohl vor ihnen verleugnen. Vielleicht liebte er das Geld nicht, aber er versagte, als es galt, ein Herz für Christus zu beweisen.

O, ihr lieben Christen, denkt auch an den Fall des Petrus und hütet euch vor Selbstvertrauen! Pfleget den Geist des Gebets! Haltet euch nahe bei Jesu und fern von allem Einfluss, den die Gunst dieser Welt auf euch ausüben könnte! Bewahret euch selbst rein! Hütet euch, dass eure Seele nicht in einen schläfrigen, trägen Zustand gerät! Seid eifrig und wachsam! Beschäftigt euch mit Christus, denn dieses ist das beste Schutzmittel! Seid nicht zufrieden damit, wenn ihr euch nur bemüht, offenbare Sünde zu meiden! Ruhet nicht darin, dass euer Handeln und euer Charakter ohne Tadel seien! Pfleget eine warme, innige Liebe zu Christus! Wer Jesu „von ferne" folgt, kann Ihn über kurz oder lang verraten. Lasst uns das bedenken. Lasst uns aus der Geschichte des Petrus etwas lernen. Er selbst sagt uns ja später: „Seid nüchtern, wachet; euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem gegenstehet, standhaft im Glauben" (1. Petr. 5, 8. 9). Das sind schwerwiegende Worte, da sie durch den Heiligen Geist aus der Feder eines Mannes kommen, der durch Mangel an Wachsamkeit viel gelitten hatte.

Gepriesen aber sei die Gnade, die' zu Petrus noch vor seinem Falle sagte: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre!" Beachten wir, dass Jesus nicht sagte: Ich habe für dich gebeten, dass du nicht fallen mögest, sondern dass dein Glaube nicht aufhöre, wenn du gefallen bist. Kostbare, unvergleichliche Gnade! Ja, diese Gnade war die Zuflucht des Petrus. Er war ihr Schuldner von Anfang bis zu Ende. Als ein verlorener Sünder war er ein Schuldner des kostbaren Blutes Christi, und als ein irrender Heiliger war er ein Schuldner der allmächtigen Fürsprache Christi. So war es mit Petrus, die Fürsprache Christi war die Grundlage seiner Wiederherstellung. Von dieser Fürsprache wusste Judas nichts. Nur diejenigen, die gewaschen sind im Blute Christi, haben Teil an Seiner Fürsprache. Judas kannte weder das eine noch das andere, darum ging er hin und erhängte sich, während Petrus hinausging als ein bekehrter und wieder zurechtgebrachter Mensch, um seine Brüder zu stärken. Niemand ist so geeignet, seine Brüder zu stärken, als der, der an sich selbst die wiederherstellende Gnade Christi erfahren hat. Petrus konnte vor der ganzen Versammlung Israels stehen und sagen: „Ihr habt den Heiligen und Gerechten verleugnet", obgleich er gerade das selbst getan hatte. Dies zeigt uns, wie völlig sein Gewissen durch das Blut gereinigt und sein Herz durch die Fürsprache Christi wiederhergestellt war.

Und nun noch zum Schluss ein Wort über das Weib mit dem Alabasterfläschchen voll köstlicher Salbe. Sie steht in einem leuchtend schönen Kontrast zu allen. Während die Hohenpriester, die Ältesten und Schriftgelehrten einen Anschlag auf Christus machten in dem Palaste des Hohenpriesters, welcher Kajaphas genannt war, salbte sie Seinen Leib im Hause Simons des Aussätzigen. Während Judas mit den Hohenpriestern einen Handel abschloss, dass er ihnen Jesus für 30 Silberlinge verkaufen wollte, goss sie den kostbaren Inhalt ihres Gefäßes aus über Seine geliebte Person.

Welch rührender Kontrast! Sie war völlig hingenommen von ihrem Gegenstand, und dieser Gegenstand war Christus. Diejenigen, die Seinen Wert und Seine Schönheit nicht kannten, mochten ihr Opfer als Verschwendung bezeichnen, und wer Ihn für 30 Silberlinge verraten konnte, mochte davon sprechen, dass man es hätte den Armen geben sollen, aber sie kümmerte sich nicht darum. Ihre Verdächtigungen und ihr Murren gingen sie nichts an. Christus war ihr ein und alles geworden. Mochten sie murren, sie aber wollte niederfallen und anbeten. Jesus war ihr mehr als alle Armen der ganzen Welt. Sie fühlte, dass nichts, was sie Ihm gab, Verschwendung war. Mochte Er für den, der ein Herz für Geld hatte, nur 30 Silberlinge wert sein; ihr war Er mehr wert als zehntausend Welten, weil sie ein Herz für Christus hatte.

Glückliches Weib! Möchten wir dir nachahmen! Möchten wir stets unseren Platz finden zu den Füßen Jesu, vor Ihm niederfallen, Ihn lieben, anbeten, bewundern! Möchten wir uns Ihm hingeben, uns in Seinem Dienste verwenden und verwenden lassen, selbst wenn solche, die sich Christen nennen und doch kein Herz für Ihn haben, unseren Dienst als törichte Verschwendung bezeichnen sollten. Die Zeit naht schnell, wo wir nichts bereuen werden, was wir um Seines Namens willen getan haben. Ja, wenn wir dann noch Raum haben für Reue, so wird es das sein, dass wir Seiner Sache in dieser Welt so schlecht und so schwach gedient haben. Wenn an jenem „Morgen ohne Wolken" noch Schamröte unsere Wangen bedecken kann, so wird es sein, dass wir, während wir hienieden waren, uns nicht völliger und ungeteilter Seinem Dienste geweiht haben.

Möchten wir alle über diese Dinge nachdenken; und möge der Herr selbst uns allen geben ein Herz für Christus!


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