CHM- Kein Gericht für den Gläubigen


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Soweit der Gläubige in Betracht kommt, ist das Gericht vorüber und für immer beendigt. Die finstere Wolke des Gerichts hat sich über dem Haupte unseres göttlichen Sündenträgers entladen. Er hat für uns den Kelch des Zornes und des Gerichts bis auf den letzten Tropfen geleert und unsere Füße auf den neuen Auferstehungsboden gestellt, welchen das Gericht nimmer erreichen kann. Es ist ebenso unmöglich, dass ein Glied des Leibes Christi noch ins Gericht kommen könnte, wie das göttliche Haupt selbst. Das scheint eine gar starke Behauptung zu sein; aber ist sie wahr? Wenn sie es ist, so bildet ihre Stärke nur einen Teil ihres Wertes und ihrer Schönheit.

Für wen, lasst uns fragen, wurde Christus auf dem Kreuze gerichtet? Für Sein Volk. Für uns ward Er zur Sünde gemacht. Er war dort unser Stellvertreter. Er nahm unseren Platz ein. Er trug alles, was wir verdient hatten. Unser ganzer Zustand samt allem, was mit demselben verbunden war, fand in dem Tode Christi einen so völligen Abschluss, dass nie mehr die Rede davon sein kann.

Hat Gott mit Christus, dem Haupte, noch irgendeine Frage zu ordnen? Wahrlich nicht. Nun, ebenso wenig gibt es noch eine ungeordnete Frage zwischen Ihm und den Gliedern Christi. Alles ist in göttlicher, ewig gültiger Weise in Ordnung gebracht, und zum Beweise dafür ist das Haupt mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt und zur Rechten der Majestät in den Himmeln gesetzt worden. Mithin ist die Voraussetzung, dass die Gläubigen zu irgendeiner Zeit, oder um irgendeiner Sache willen ins Gericht kommen könnten, eine Verleugnung der Grundwahrheit des Christentums, und gegenspricht den klaren Worten unseres Herrn und Heilandes, welcher ausdrücklich erklärt hat, dass alle, die an Ihn glauben, „nicht ins Gericht kommen werden". (Joh. 5, 24.)

Die leider nur zu weit verbreitete Vorstellung, dass das Anrecht des Gläubigen auf den Himmel und seine Fähigkeit für denselben erst vor dem Richterstuhl Christi endgültig geprüft werden würde, ist ebenso töricht als schriftwidrig. Wie könnte man z. B. denken, dass Paulus oder der Räuber am Kreuze bezüglich ihres Anrechts auf den Himmel noch ein Gericht zu bestehen haben sollten, nachdem sie sich schon nahe an zweitausend Jahre dort befunden haben? Das aber müsste der Fall sein, wenn die Lehre von einem allgemeinen Gericht irgendwie der Wahrheit entspräche.

Wenn die große Frage unseres Anrechts auf den Himmel erst am Tage des Gerichts in Ordnung gebracht werden muss, dann ist sie selbstredend nicht am Kreuze geordnet worden; und wenn sie dort nicht geordnet worden ist, so sind wir unrettbar verloren. Das ist so klar wie das Licht der Sonne; denn wenn wir überhaupt gerichtet werden, so muss es ein Gericht sein „nach unseren Werken", und der einzig mögliche Ausgang eines solchen Gerichts ist die Verdammnis. Wenn andererseits behauptet wird, dass die Gläubigen nur aus dem Grunde vor Gericht gestellt werden, um dort den Beweis zu liefern, dass sie durch den Tod Christi von jeder Schuld befreit sind, so heißt das den Tag des Gerichts in eine leere Form verwandeln — ein Gedanke, der jedes fromme Gemüt empören muss.

Tatsächlich liegt auch gar keine Notwendigkeit vor, über diesen Punkt zu streiten. Eine einzige Stelle der Heiligen Schrift ist weit besser, als zehntausend der kräftigsten Beweise der Menschen. Unser Herr Jesus hat in den klarsten und feierlichsten Ausdrücken erklärt, dass die Gläubigen „nicht ins Gericht kommen werden". Das ist genug. Der Gläubige ist vor mehr als achtzehnhundert Jahren in der Person Christi, seines Hauptes, gerichtet worden; will man ihn deshalb noch einmal ins Gericht bringen, so heißt das nichts anderes, als das Kreuz Christi in seiner versöhnenden Kraft vollständig verkennen.

Könnte Gott eine solche Verunehrung des Werkes Seines Geliebten jemals zugeben? Nein, selbst der schwächste Gläubige kann mit dankbarem Herzen triumphierend ausrufen: „Alles, was im Blick auf mich gerichtet werden musste, ist bereits gerichtet. Jede Frage, die geordnet werden musste, ist geordnet. Das Gericht ist ausgeführt worden und für immer vorüber. Ich weiß, dass mein Werk geprüft und mein Dienst nach seinem Werte abgeschätzt werden muss (2. Kor. 5.); aber im Blick auf meine Person, meine Stellung und mein Anrecht auf den Himmel ist alles göttlich geordnet. Er, der am Kreuze für mich starb, ist jetzt auf dem Throne gekrönt; und die Krone, welche Er trägt, ist der Beweis, dass es kein Gericht mehr für mich gibt. Ich warte nur noch auf die Erlösung meines Leibes."


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