CHM- Kurze Aufzeichnungen aus einem Vortrag über Lk 15


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andere Schriften von C.H. Mackintosh

Wir haben in Lukas 15 drei Gleichnisse. Die Quelle, die uns in allen gezeigt wird, ist die Liebe Gottes. Wir finden dort:

1. den Hirten, welcher das verlorene Schaf suchte.

2. Die Frau, die die verlorene Drachme suchte.

3. den Vater, der den verlorenen Sohn zurückerhielt.

In dem letzten Gleichnis handelt es sich nicht um das Suchen, sondern um die Art und Weise, wie der zurückkehrende Sohn empfangen wurde. Manches Herz möchte gern zurückkehren, aber es weiß nicht, wie es empfangen wird. Der Herr Jesus zeigt uns die Gnade Gottes zuerst im Suchen und dann im Aufnehmen. In den beiden ersten Gleichnissen haben wir das Suchen, in dem letzten die Aufnahme von feiten des Vaters. Ein erhabener Grundsatz zieht sich durch alle drei hindurch: es ist die Freude Gottes, den Verlorenen zu suchen und aufzunehmen. Er handelt Seinem eigenen Charakter gemäß. Ohne Zweifel ist es eine große Freude für den Sünder, ausgenommen zu werden, aber hier handelt es sich um die Freude Gottes, ihn aufzunehmen. Nicht bloß soll das Kind sich freuen, im Hause des Vaters zu sein; nein, der Vater sagt: „Lasset uns essen und fröhlich sein!"

Das ist eine trostreiche Wahrheit. Es ist der Ton, den Gott angestimmt hat, und der im Himmel in jedem Herzen nachklingt. Die von Gott berührte Saite ruft das Echo des Himmels wach; und so sollte es hienieden in jedem Herzen sein, welches durch die Gnade gestimmt worden ist. Welch einen Missklang muss daher die Selbstgerechtigkeit hervorbringen! Jesus verkündigt die in dieser Weise handelnde Gnade und Freude Gottes und stellt dies den Gefühlen des älteren Bruders oder (obschon derselbe eigentlich die Juden darstellt) einer jeden selbstgerechten Person gegenüber.

Das ist der Ton, der in Gnade und Liebe vom Himmel herabklingt, und den wir hienieden im Herzen Jesu entdecken. Doch wie süß diese Klänge auch sein mögen, so sind sie doch in einem gewissen Sinne hier unten noch lieblicher als dort oben. Hier unten ist diese Liebe Gottes (und sie muss es sein, wenn der Mensch erreicht werden soll) staunenerregend; im Himmel ist sie natürlich. Hier auf Erden, unter uns, hat Gott geoffenbart was Er ist, und dass es Seine Wonne ist, Verlorene zu erretten; und das ist so wunderbar, dass die Engel begehren hineinzuschauen.

Der Hirt legt das Schaf auf seine Schultern und trägt es heim mit Freuden. Hat Gott nicht das Recht, Verlorene zu suchen und Jesus, sich Zöllnern und Sündern zu nahen? Dies mag einem ehrbaren Menschen nicht anstehen; aber es ist Gott angenehm es ist Sein Vorrecht, also zu handeln und den Verlorenen nahe zu treten, weil Er sie aus ihrem Zustande befreien kann und will. Der Hirt hat das Schaf auf den Schultern und freut sich; er beladet sich mit demselben und übernimmt alle Mühe. Es ist gleichsam sein eigenes Interesse, also zu handeln, weil das Schaf ihm wert und teuer ist; es ist sein, und er bringt es heim. Ebenso ist es mit „dem großen Hirten der Schafe". Er stellt es als Sein Interesse dar, „zu suchen und zu erretten was verloren ist". Ja, Sein Interesse steigert sich zu dem Gefühl der innigsten Liebe; denn Er bringt das Schaf heim mit Freuden.

Dann finden wir in dem zweiten Gleichnis noch eine andere Sache, nämlich die Sorgfalt und Unverdrossenheit, mit welcher die Liebe das Verlorene sucht. Hier ist nicht ein Schaf, sondern ein Geldstück der verlorene Gegenstand. Alles wird angewandt, um das Verlorene wieder zu erlangen. Das Weib (ein Vorbild von dem Heiligen Geiste) zündet ein Licht an, sie kehrt das Haus aus; unmöglich kann sie in der Arbeit ihrer emsigen und tätigen Liebe innehalten, bevor die verlorene Drachme wiedergefunden ist. Wiederum handelt es sich um ihre Angelegenheit und um ihr Interesse. Und dann sehen wir ihre Freude, nachdem ihr Eigentum wiedergefunden ist. Sie gibt gleichsam allen in ihrer Umgebung den Ton an, und andere werden herzugerufen, um Anteil an ihrer Freude zu nehmen: „Freuet euch mit mir! denn ich habe die, Drachme gefunden, die ich verloren hatte".

Und gerade das ist die Art und Weise unseres Gottes. So haben wir also in diesem, wie in dem vorigen Gleichnis, denselben großen Grundsatz. In beiden Gleichnissen zeigt sich die ausharrende Tätigkeit der Liebe, bis das Resultat erreicht ist. Hier ist es die Freude des Weibes, dort die des Hirten. Als erster hervorragender Punkt zeigt sich hier sowohl die energische Macht und Tätigkeit der Gnade, als auch der gute Wille. Bei dem Schafe selbst, wie auch bei der Drachme, herrscht völlige Untätigkeit. Der Hirt und das Weib verrichten alles.

Zwar zeigt sich zu gleicher Zeit ein höchst wichtiges Werk, eine Wirkung, die in dem Herzen dessen hervortritt, welcher von dem Irrtum seines Weges zurückgeführt wird. Daher haben wir das dritte Gleichnis, welches uns sowohl die Gefühle und Erfahrungen des Verirrten, als auch seine Aufnahme vor Augen stellt. Wir finden ferner in diesem dritten Gleichnis neben der Art und Weise des inneren Wirkens und Erfahrens auch eine Kundgebung des Herzens des Vaters. Diese Kundgebung befriedigte alle Gedanken des Wiedergefundenen. Der Vater siel ihm um den Hals und küsste ihn sehr; und das zeigte dem Sohne, was jenes Herz war.

Der Herr erzählt hier die Geschichte von dem verlorenen Sohne, um den Einwürfen der Pharisäer gegen Seine Aufnahme der Zöllner und Sünder zu begegnen.

Der Mensch macht einen Unterschied zwischen Sündern und Sündern. Darum wählt der Herr hier einen Fall, in welchem der Sünder nach menschlichem Urteil den höchsten Grad des Bösen erreicht hat, und zeigt dann, dass trotzdem dieses Böse die Gnade Gottes nicht übersteigt; und dieser Fall stellt in wunderbarer Weise die Wahrheit ans Licht, dass da, wo die Sünde überströmend geworden, die Gnade noch überschwänglicher geworden ist.

„Und daselbst vergeudete er sein Vermögen, indem er ausschweifend lebte." So wie jemand, der über seine Mittel hinauslebt, den Schein des Reichtums zur Schau trägt, so scheint auch der seine Seele verwüstende Sünder glücklich zu sein. „Als er aber alles verzehrt hatte, kam eine gewaltige Hungersnot über jenes Land, und er selbst fing an Mangel zu leiden. Und er ging hin und hängte sich an einen der Bürger jenes Landes; und er schickte ihn auf seine Äcker, Schweine zu hüten. Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Trübern, welche die Schweine fraßen; und niemand gab ihm." (V. 14—16.) Im fernen Lande ist das „Geben" nicht im Gebrauch. Satan verkauft alles, und zwar sehr teuer; Unsere Seelen sind der Preis. Wenn du dich dem Teufel verkaufst, so werden trüber deine Speisen sein; er wird dir nie irgendetwas geben. Wünschest du einen Geber kennen zu lernen, so musst du dich zu Gott wenden. Man überlasse einen Menschen nur etliche Stunden sich selbst, und er wird bald anfangen „Mangel zu leiden".

„Als er aber zu sich selbst kam, sprach er: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Überfluss an Brot, ich aber komme hier um vor Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen, und will zu ihm sagen: Vater: ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen; mache mich wie einen deiner Tagelöhner." (V. 17—19.) Er hatte noch nicht verstanden, wie seine Aufnahme sein würde, wohl aber, dass Brot in dem Vater- hause zu finden war. Der geringste Tagelöhner hatte Überfluss an Brot; und in betreff seiner selbst erkannte er nicht bloß, dass er hungrig war, sondern auch, dass er vor Hunger umkam. Jede Seele, die zu Gott zurückkehren will, wird auf diese Weise zu dem Gedanken an die Güte Gottes geleitet.

Der verlorene Sohn kehrt also zurück und sagt: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen". Er verstand nicht, was sein Vater War, was ein Vaterherz ist. Es zog ihn zu dem Hause des Vaters; aber sein Gedanke blieb stets: „Mache mich wie einen deiner Tagelöhner". Er setzte nur ein beschränktes Maß von Liebe bei seinem Vater voraus und glaubte die Stellung eines Tagelöhners einnehmen zu müssen. Es gibt eine Menge von Seelen, welche sich in diesem Zustande befinden, die das, was Gott tun soll, nach ihrer eigenen Tauglichkeit abmessen; sie leben stets in einem Geiste der Gesetzlichkeit, welcher ihnen höchstens einen Platz als Tagelöhner im Hause anweist.

Allein das genügt dem Vater nicht, wenn es auch dem Sohne genügen würde; es würde dem Herzen des Vaters nicht entsprechen, wenn er einen Sohn als Tagelöhner im Hause hätte. Und wo bliebe für die Knechte im Hause das Zeugnis von der Liebe des Vaters? Nein, der Vater kann nicht Söhne als Tagelöhner im Hause haben; und wenn Seine grenzenlose Liebe sie hineinbringt, so muss die Art des Empfangs einer Vaterliebe würdig sein.

Doch der Vater lässt ihm nicht einmal Zeit, um zu sagen: „Mache mich wie einen deiner Tagelöhner". Er lässt ihn sagen: „Ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen", aber weiter nichts; denn er hängt schon an seinem Halse Und küsst ihn. Wie hätte der Sohn noch sagen können: „Mache mich wie einen deiner Tagelöhner", nachdem der ihn umarmende Vater das Bewusstsein in ihm geweckt hatte, dass er ein Sohn War?

„Der Vater aber sprach zu seinen Knechten: Bringet das beste Kleid her und ziehet es ihm an, und tut einen Ring an seine Hand und Sandalen an seine Füße; und bringet das gemästete Kalb her und schlachtet es, und lasset uns essen und fröhlich sein." (V. 22. 23.) Gott erweist Seine Liebe gegen uns als Sünder; aber dann bekleidet Er uns mit Christus. Er bringt uns in das Haus und bekleidet uns mit nichts Geringerem, als mit all der Ehre, womit Er uns überhäufen kann. Seine Liebe bewillkommte uns, während wir noch in den Lumpen waren; aber dann handelt dieselbe Liebe in noch anderer Weise. Er führt uns ein in das Haus, wie Er uns dort haben will, und zwar nach Seinen Gedanken über den Wert eines Sohnes. Wir finden hier das beste Kleid, den Ring, die Schuhe, das gemästete Kalb und das Festmahl. Die Meinung des Vaters war, dass sein Sohn dieser Dinge würdig, und dass es seiner selbst würdig sei, sie ihm zu geben.

Manche mögen das Begehren, ein Knecht in dem Hause zu sein, für Demut halten. Aber ein solches Begehren verrät nur Unwissenheit über die Gesinnung Gottes des Vaters. In Eph. 2, 7 lesen wir die Worte: „auf dass Er in den kommenden Zeitaltern den überschwänglichen Reichtum Seiner Gnade in Güte gegen uns erwiese in Christus Jesu". Wenn man nun von diesem Ziele aus die Gesinnung und die Gnade Gottes beschaut, würde es dann Seiner Würdig gewesen sein, uns mit einer beständigen Erinnerung .an unsere Sünde und Schande, an unsere frühere Schmach und Erniedrigung, in das Vaterhaus eingeführt zu haben?

Würde es des Vaters würdig gewesen sein, wenn ein Gefühl der Scham, die geringste Spur aus dem „fernen Lande" zurückgeblieben wäre? Sicherlich nicht! „Die den Gottesdienst Übenden haben, einmal gereinigt, kein Gewissen mehr von Sünden." Der Zustand dessen, der einen Platz im Hause Gottes findet, muss Gottes würdig sein. An dieser Liebe zu zweifeln, würde höchst tadelnswert sein, wie es auch dem verlorenen Sohne, während der Vater ihn umarmte, übel angestanden hätte, zu sagen: „Ich trage aber noch die Lumpen aus dem fernen Lande an mir". Dachte er wohl in diesem Augenblick an seine Lumpen, als an einen Grund, um dessentwillen die im Herzen seines Vaters wohnende Liebe nicht hätte zum Ausdruck kommen sollen? Wenn ich das Zeugnis beschaue, welches mir Christus, gezwungen durch die Selbstgerechtigkeit der Pharisäer, betreffs dessen gibt, was Gott mir als einem Sünder gegenüber ist, dann müssen angesichts einer solchen Gnade alle Zweifel meines Herzens zum Schweigen gebracht werden.


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