(Nach einem Vortrag über 1. Mose 3, 1—7; 21)
„Wie lange kennen Sie schon den Herrn?" fragte vor einiger Zeit ein Freund von mir einen alten Mann aus N. Eigentlich erst seit drei Wochen", entgegnete er, „doch bin ich bereits vierzig Jahre beschäftigt gewesen, Feigenblätter zusammen zu flechten".
Diese kurze Antwort ist sehr beachtenswert; denn Tausende sind auch heute noch, gleich diesem alten Manne aus N. mit derselben unnützen Anstrengung mit derselben fruchtlosen Arbeit beschäftigt, Feigenblätter zusammen zu flechten, denn indem sie das Heil von der Beobachtung gewisser Vorschriften, Zeremonien, Sakramente oder von allerlei gottesdienstlichen Übungen abhängig machen, tun sie eben nichts anderes als Feigenblätter zusammen- flechten. Dasselbe tut auch ein jeder, der in dieser Beziehung sein Vertrauen auf seine Gebete, auf sein Fasten oder auf gute Werke setzt.
Alle diese Dinge mögen gut sein, und viele von ihnen sind es in der Tat, wenn sie an ihrem rechten Platze sind. Aber sobald eine Seele sie zur Grundlage der Vergebung der Sünden und des Friedens mit Gott macht, sobald sie dieselben in irgendeiner Weise als ein Anrecht betrachtet, einem gerechten und heiligen Gott nahen zu können, sobald sie dieselben zu einem Fundament macht, um darauf für die Ewigkeit bauen zu können, tut sie nichts anderes, als Feigenblätter zusammenflechten; und als solche werden sie sich über kurz oder lang für alle erweisen, die ihr Vertrauen daraus gesetzt haben.
Doch wenden wir uns für einen Augenblick zu dem dritten Kapitel des ersten Buches Mose, wo wir zum ersten Mal in dieser Welt den Versuch finden, Feigenblätter zusammen zu flechten. „Es ist gar nichts "Neues unter der Sonne" Pred. 1, 9), und wir können in Adams Schürze von Feigenblättern das erste Bild sehen, das die Schrift uns von jener Gerechtigkeit gibt, die der Mensch stets bemüht ist auszurichten. Es ist dies die erste Darstellung und Erklärung der menschlichen Anstrengungen, welche von dem Tage an, da der Mensch im Garten Eden fiel, bis auf diesen Dag gemacht werden, den wahren inneren Zustand zu bedecken.
Kaum hatte der Mensch von der verbotenen Frucht gegessen, als auch seine Augen geöffnet wurden. Aber ach! welch ein Öffnen war dieses! Welch eine Entdeckung! Er sah, dass er nackt war. Er erlangte ein Gewissen zur Erkenntnis des Guten und Bösen. Nun hatte er wohl ein Gewissen; aber dieses Gewissen machte einen Feigling aus ihm. „Da wurden ihrer beiden Augen aufgetan, und sie erkannten, dass sie nackt waren". Ja, welch eine traurige Entdeckung! Sie halten auf den Betrüger gehört, und das Resultat war: bewusste Blöße, Nacktheit und ein feiges Gewissen. Bis dahin hatten sie in Unschuld und glückseliger Unwissenheit bezüglich des Bösen gelebt, indem sie nur das Gute erkannten und genossen. Jetzt aber war alles verändert. Sie halten die Erkenntnis ihrer eigenen Blöße erlangt, und die wahre Erkenntnis Gottes, ja, Gott selbst verloren.
Und was taten sie jetzt? Wie suchten sie diesem Zustand abzuhelfen? Sie hefteten gleich jenem alten Manne aus N. Feigenblätter -zusammen und machten sich Schürzen. Beachten wir diese zwei Wörtchen: „Sie hefteten". Es war also nicht das Werk Gottes, sondern ihr eigenes. Es war so zu sagen, nicht ein einziger Stich in der Schürze, den Gott getan hatte. Von Anfang bis zum Ende war sie das Werk des Menschen; und alle seine Werke sind in dieser Weise gekennzeichnet.
Es ist unmöglich, dass ein gefallenes Geschöpf sich durch sein eigenes Werk aus dem Verderben, in welches es sich gestürzt hat, erheben kann. Es mag sich darin abmühen, aber es kann nichts daran ändern. Wir lesen deshalb, dass der Mensch und sein Weib sich versteckten, als sie die Stimme Gottes hörten. (V. 8.) Sie wagten es nicht, sich auf ihre Schürzen von Feigenblättern zu verlassen. Und wenn sie sich selbst nicht dadurch befriedigt fanden, wie konnten diese sie schirmen vor dem erforschenden Auge eines gerechten Gottes?
„Und Jehova Gott rief den Menschen und sprach zu ihm: „Wo bist du?" Und er sprach: „Ich hörte Deine Stimme im Garten, und ich fürchtete mich, denn ich bin nackt, und ich versteckte mich." Beachten wir die Worte: „Ich bin nackt." Hatte er seine Schürze vergessen? Fast scheint es so; aber die Tatsache ist, dass sie für ihn selbst ganz und gar keinen Wert hatte.
Dies ist stets mit allen menschlichen Anstrengungen in Sachen des Heils der Fall; sie erweisen sich wertlos, sobald sich der Mensch in Wirklichkeit in der Gegenwart Gottes befindet; denn dort kann nichts bestehen, als nur Sein Werk, und wir können versichert sein, dass uns Menschen nichts helfen und nichts Frieden bringen kann, als nur das, was unmittelbar von Gott selbst herrührt. Es gibt bis jetzt unter dem ganzen Himmel keine Seele, die gestützt auf eigene Anstrengungen, welcher Art sie auch sein mögen, wahren Frieden besitzt. Nur dadurch, dass die Seele einfach in dem ruht, was völlig und gänzlich von Gott ist, kann sie einen wahren, dauernden und göttlichen Frieden besitzen.
Letzteres, nämlich das, was von Gott ist, wird uns in den Röcken von Fell vorgestellt, welche Jehova Gott für Adam und sein Weib machte, und womit Er in Seiner Gnade diese nackten Sünder bekleidete. (V. 21.) Diese Bedeckung für den Menschen ging aus dem Tode hervor, ein schöner Hinweis auf die Frucht des Erlösungstodes Christi und auf jene Gnade, welche zur bestimmten Zeit durch Ihn erscheinen sollte, heilbringend für alle Menschen. (Tit. 2, 11.) Hier finden wir unter einen: Vorbilde das Werk, welches Gott für uns durch Christus vollbracht hat, welches beweist, dass Er ein Heiland-Gott und für uns ist, und auf Grund dessen der Mensch allein vor Ihm gerechtfertigt werden oder das Kleid der Gerechtigkeit in Christus besitzen kann. (Vergl. Röm. 3, 20—26, mit 4, 24 -26 und 5, 1—9.)
Der große Unterschied zwischen den Schürzen von Feigenblättern und den Röcken von Fell bestand darin, dass Gott nicht einen Stich an jenen, und der Mensch nicht einen Stich an diesen getan hatte. Jene waren ganz und gar von dem Menschen, und deshalb waren sie nutzlos; diese waren gänzlich von Gott, und deshalb waren sie völlig genügend, und der Mensch hatte nichts dabei zu tun.
O möchte jede Seele hier diese Belehrungen, welche uns zum ersten Male in den Schürzen von Feigenblättern und den Röcken von Fell gegeben werden, wohl erwägen! Wir können versichert sein, dass sie ein ernster Mahnruf für alle Zeiten, besonders aber für die gegenwärtige sind. Die Christenheit gleicht von einem Ende bis zum anderen einem aufgehäuften Lager von Schürzen aus zusammengehefteten Feigenblättern. Tausende sind mit dieser nutzlosen Arbeit beschäftigt. Und diese Schürzen mögen gut genug sein bis zu dem Augenblick, da sich die Stimme Gottes wird hören lassen und ihre Wertlosigkeit entdeckt wird, wenn es aber auch vielleicht für immer zu spät ist.
Welche Ausdrücke! Die Stimme Gottes! Furcht! Nacktheit! O liebe Seele, denke an diese Dinge. Denke jetzt daran. Worauf verlässest du dich? Worauf setzest du dein Vertrauen? Auf dein Werk oder auf das Werk Gottes? Wende dich nicht gleichgültig oder gar ärgerlich von diesen Fragen ab, sondern beantworte sie dir in diesem Augenblick mit aller Aufrichtigkeit; denn lange genug schon hast du damit gezögert, schiebe aber nicht länger auf. Von der Beantwortung dieser großen Fragen hängen die Folgen für Zeit und Ewigkeit ab.
Lass diese Röcke von Fell, dieses Werk der Gnade Gottes zu dir reden! Vertraust du auf deine eigenen Werke, oder ruhst du in vollkommenem Vertrauen auf dem kostbaren Blute Christi, welches von aller Sünde reinigt? Prüfe die Grundlage deines Vertrauens jetzt genau und gründlich, denn es wäre schrecklich für dich, zu spät zu der Überzeugung zu gelangen, dass du dein Haus auf die Erde ohne Grundlage gebaut und nicht auf den Felsen des Heils gegründet hast. (Luk. 6, 48. 49.)
Höre die lieblichen und ernsten Worte, welche der Geist Gottes dir erklären und deiner Seele tief einprägen möge: „So sei es euch nun kund, Brüder, dass durch Diesen euch Vergebung der Sünden verkündigt wird; und von allem, wovon ihr im Gesetz Moses nicht gerechtfertigt werden konntet, wird in Diesem jeder Glaubende gerechtfertigt.
Sehet nun zu, dass nicht über euch komme, was in den Propheten gesagt ist: „Sehet ihr Verächter, und verwundert euch und verschwindet". (Apostelgeschichte 38—41.)
Hier ist ein Fundament, welches Gott selbst in - Seiner heilbringenden Gnade gelegt hat. Er erwartet nicht von dir, dass du etwas hinzufügen, sondern dass du dich einfach darauf stützen, darauf vertrauen, daran glauben sollst. Und wenn du in Wahrheit des Glaubens an Jesus bist (Röm. 3, 26), so versichert dich das Wort Dessen, der nicht lügen kann, dass du auch gerechtfertigt und bekleidet bist. Und „was sollen wir nun hierzu sagen? Wenn Gott für uns ist, wer gegen uns? .... Gott ist es, welcher rechtfertigt; wer ist, der verdamme? Christus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der auch auferweckt, der auch zur Rechten Gottes ist." (Röm. 8, 31—34.)