CHM- Die Speise der Erlösten


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andere Schriften von C.H. Mackintosh

Als Jehova die Kinder Israels besuchte, sie erlöste und aus Ägypten herausführte, war es gewiss nicht mit der Absicht, sie endlich in der Wüste sterben zu lassen. Er beabsichtigte in Seiner Gnade, während der ganzen Wüstenreise für sie zu sorgen, und im 1. Buche Mose, Kapitel 16, lesen wir von dieser wunderbaren Vorsorge.

„Und Jehova sprach zu Mose: Siehe, ich werde euch Brot vom Himmel regnen lassen." Sie hatten soeben gesagt: „Wären wir doch im Laude Ägypten gestorben durch die Hand Jehovas, als wir bei den Fleischtöpfen saßen, als wir Brot aßen bis zur Sättigung." Aber jetzt hieß es: „Brot vom Himmel." Welch ein gesegneter Gegensatz! Wie groß der Unterschied zwischen den Fleischtöpfen, dem Lauche, den Zwiebeln, dem Knoblauch Ägyptens und diesem himmlischen Manna! Ersteres war die Nahrung der Natur, letzteres die Speise von Gott. Dieses gehörte dem Himmel, jenes der Erde an.

Allein diese himmlische Speise diente zu gleicher Zeit als Prüfstein für den geistlichen Zustand Israels, wie wir lesen: „Damit ich es versuche, ob es wandeln wird in meinem Gesetz oder nicht". Nur ein von den Einflüssen Ägyptens befreites Herz konnte mit diesem „Brote vom Himmel" zufrieden sein, und in der Tat, wie wir wissen, gaben sich die Kinder Israel mit demselben nicht zufrieden, sondern verachteten es, indem sie es „lose Speise" nannten und nach Fleisch gelüsteten. Ein solches Betragen bewies, wie wenig ihre Herzen von Ägypten befreit und nach dem Gesetz Gottes zu wandeln geneigt waren. „In ihren Herzen wandten sie sich wieder nach Ägypten." Ja, es bedarf eines himmlischen Geschmacks, um sich vom Brote des Himmels zu nähren. Die Natur liebt eine solche Speise nicht, sondern trachtet stets nach den Dingen der Welt, und daher muss sie verleugnet werden.

„Und sie (die Kinder Israel) wurden alle auf Moses getauft in der Wolke und in dem Meere und aßen alle dieselbe geistliche Speise und tranken alle denselben geistlichen Trank." Wir dürfen nicht vergessen, dass die Kinder Israel uns als Vorbilder dienen. Die Gläubigen sind auf den Tod Christi getauft worden und durch den Glauben an die wirksame Kraft Gottes sind sie mit Christus auferweckt. Als solche nähren sie sich voll Christus als dem lebendigen Brote, das vom Himmel hernieder gekommen ist. Unsere Speise' ist also Christus, so wie Er uns mittelst des geschriebenen Wortes durch den Heiligen Geist vorgestellt wird.

Um nun dieses, unser Teil, genießen zu können, muss selbstredend das Herz von all dem, wonach der natürliche Mensch trachtet, losgelöst werden. Ein weltliches Herz wird weder Christus im Worte finden, noch Ihn genießen, wenn es Ihn finden könnte. Das Manna war so rein und zart, dass es keine Berührung mit der Erde ertragen konnte. Es fiel auf den Tau herab, und musste vor Sonnenaufgang gesammelt werden (siehe 4. Mose II, 9). Jeder musste daher frühe auf sein, um fein Teil zu empfangen. Und so verhält es sich jetzt mit dem Volke Gottes. Das himmlische Manna muss immer wieder frisch gesammelt werden. Das gestrige Manna taugt nicht für heute, noch das heutige für morgen. Wir müssen uns jeden Tag in der erneuerten Kraft des Geistes von Christus nähren, sonst wird das Wachstum bei uns aufhören.

Wir müssen den Herrn zum Gegenstand machen und Ihn „frühe" suchen, bevor sozusagen andere Dinge Zeit gehabt haben, von unseren Herzen Besitz zu nehmen. Viele bleiben in dieser Hinsicht zurück. Sie geben Christus den zweiten Platz, und infolgedessen sind sie schwach und arm. Der Feind benutzt unsere geistliche Trägheit, um uns des Segens und der Kraft zu berauben, welche uns die Gemeinschaft mit dem Herrn bringt. Das neue Leben in dem Gläubigen kann nur durch Christus erhalten werden, wie wir auch lesen: „Gleichwie mich der lebendige Vater gesandt hat und ich lebe des Vaters wegen, so auch, wer mich isst, der wird auch leben meinetwegen (Joh. 6, 57).

Die Gnade des Herrn Jesu Christi, der vom Himmel herniederkam, um die Speise Seines Volkes zu sein, ist unaussprechlich köstlich für jede erneuerte Seele'; aber um Ihn in diesem Charakter genießen zu können, müssen wir unsere Stellung als ein in der Kraft einer vollbrachten Erlösung für Gott abgesondertes Volk verwirklichen. Wenn wir mit Gott durch die Wüste wandeln, so werden wir mit der Speise, welche Er uns gibt, zufrieden sein; und diese Speise ist der vom Himmel herniedergekommene Christus. „Das Erzeugnis des Landes" (Jos. 5) findet sein Gegenbild in dem aufgefahrenen und verherrlichten Christus. Als solcher ist Er die Speise derer, welche wissen, dass sie mit Ihm auferweckt und in Ihm in die himmlischen Oerter versetzt sind. Aber das Manna ist die Speise für das durch die Wüste pilgernde Volk Gottes. Durch das Manna wurden die Erlösten Jehovas erhalten während ihrer ganzen Reise von Ägypten nach Kanaan.

Die Stellung Israels in der Wüste war sehr beachtenswert. Hinter ihnen lag Ägypten, vor ihnen Kanaan und rings um sie her die Wüste, während sie selbst berufen waren, ihrer täglichen Nahrung wegen gen Himmel zu schauen. Die Wüste bot Israel nicht einmal einen Grashalm; es war ganz auf Gott angewiesen. Treffendes Bild von dem durch diese Welt pilgernden Volke Gottes! Hienieden finden sie nichts. Ihr Leben kann, weil es ein himmlisches ist, nur durch himmlische Dinge genährt und erhalten werden. Obgleich in der Welt sind sie doch nicht von der Welt, weil Christus sie aus derselben herausgenommen hat. Als ein himmlisches Volk befinden sie sich auf dem Wege nach ihrem Vaterlande und werden durch die Speise erhalten, die sie von dort empfangen. Es ist nutzlos, das Auge nach Ägypten zurückzuwenden; dort ist nicht ein einziger Strahl der Herrlichkeit zu entdecken. „Sie wandten sich gegen die Wüste, und siehe, die Herrlichkeit Jehovas erschien in der Wolke." Der Wagen Jehovas befand sich in der Wüste, und alle, welche Seine Gemeinschaft suchten, mussten sich gleichfalls dort befinden; waren sie nun einmal dort, so musste das Manna ihre Speise sein, und sonst nichts.

Es war allerdings eine Nahrung, welche ein Ägypter weder verstehen, schützen, noch gebrauchen konnte, aber diejenigen, welche „in der Wolke und in dem Meere gelaust" waren, konnten, wenn sie anders in Übereinstimmung mit dieser Taufe wandelten, das himmlische Manna genießen und sich davon nähren. Ebenso ist es jetzt mit dem wahren Gläubigen. Die Menschen dieser Welt können nicht verstehen, wie er lebt. Aber Christus ist sein Leben, und von Christus nährt er sich. Seine Speise bildet die Gnade Dessen, der „Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist". Er folgt Seiner Spur vom Schoße des Vaters bis zum Kreuze, und vom Kreuze bis zum Throne; und er findet in Ihm, in jedem Abschnitt Seiner Reise die köstlichste Speise für sein Herz.

Es ist etwas Trauriges, wenn man Christen findet, die nach den Dingen dieser Welt trachten. Es beweist, dass sie das himmlische Manna verachten und es als „lose Speise" betrachten. Ja, sie frönen gerade dem, was sie töten sollten. Dagegen offenbart sich das neue Leben in dem Gläubigen darin, dass er „den alten Menschen mit seinen Handlungen ausziehen und je mehr dieses verwirklicht wird, desto mehr werden wir wünschen, uns von dem wahren Manna zu nähren. Wie im natürlichen Leben eine fortgesetzte Tätigkeit unseren Appetit steigert, so vermehrt sich auch im geistlichen Leben das Bedürfnis, uns von Christus zu ernähren, in dem Maße, in welchem wir unsere erneuerten Fähigkeiten in Übung setzen.

Es ist eine Sache, zu wissen, dass wir Leben in Christus besitzen, verbunden mit einer völligen Vergebung und Annahme vor Gott, aber eine ganz andere in steter Gemeinschaft mit Ihm zu stehen, indem wir uns von Ihm nähren. Viele bekennen, Frieden in Jesu gefunden zu haben, während sie' in Dingen Nahrung finden, die in keiner Verbindung mit Ihm stehen. Man sieht, wie sie sich in Zeitungen und in die leichten, geistlosen Erzeugnisse der Tagesliteratur vertiefen. Finden sie aber Christus dort? Bedient sich der Heilige Geist solcher Mittel, um der Seele etwas von Christus mitzuteilen? Sind das etwa jene reinen Tautropfen, auf welche das himmlische Manna herabfällt für die Erhaltung der Erlösten Gottes in der Wüste? Es handelt sich nicht darum, ob der Christ sich dieses oder jenes erlauben kann oder nicht, sondern es frägt sich, ob diese Dinge Christus sind oder nicht? Welche Natur findet nun ihre Nahrung in weltlicher Literatur? Ist es die alte oder die neue? Ist es das „Fleisch" oder der „Geist"? Es gibt nur eine Antwort auf diese Frage. Welche aber von den Beiden wünsche ich zu pflegen? Gewiss, mein Betragen wird die beste Antwort ans diese Frage geben. Wenn ich aufrichtig wünsche, in der göttlichen Natur zu wachsen, so werde ich sicher von ganzem Herzen die Nahrung suchen, welche Gott zur Förderung des Wachstums gegeben hat. Wenn ich daher jemanden sehe, welcher, obgleich er ein Christ zu sein bekennt, seine Bibel vernachlässigt, während er reichlich Zeit findet — ja, sogar oft seine kostbarsten Stunden dazu verwendet —, die Zeitung zu lesen, so fällt es mir nicht schwer, auf seinen geistlichen Zustand zu schließen. Gewiss, ein solcher Christ kann nicht geistlich sein, kann sich nicht nähren von Christus, nicht für Ihn leben, noch von Ihm zeugen.

Wenn ein Israelit es versäumt hätte, zeitig seine tägliche Portion von der für ihn bestimmten Nahrung zu sammeln, so würde es ihm bald an Kraft gemangelt haben, seine Reise fortsetzen zu können. Und ebenso verhält es sich mit uns. Wo Christus nicht mehr der Gegenstand ist, da nimmt die geistliche Kraft ab.

Ach, dass wir so wenig in die Kraft dieser Dinge eingehen! Möchte doch der Heilige Geist ein tieferes Verlangen nach der Person des Herrn Jesu Christi in unseren Seelen erwecken, so dass wir mehr von den sichtbaren Dingen losgelöst werden!

(Aus „Neues und Altes", Jahrg. 1858.)


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