CHM- David auf der Tenne Ornans


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andere Schriften von C.H. Mackintosh

(Nach einem Vortrag

über 1. Chron. 21—22, 1)

Es ist von der höchsten Wichtigkeit für ein gefallenes Geschöpf, sich mit Gott bekannt zu machen, so lange die Tür der Gnade noch offen steht und der Tag des Heils noch währt. Die Werke Gottes in der Schöpfung rühmen Seine Macht und verkündigen Seine Gottheit, aber das Wort Gottes allein, Christus, kann uns Seine Natur, welche Liebe ist, offenbaren. Der Mensch mag durch die Betrachtung und Erforschung der Natur erkennen, dass Gott ein allmächtiges Wesen sein muss; er mag aus der wunderbaren Genauigkeit der Naturgesetze, sowie aus der Vollkommenheit auch der kleinsten Dinge, wie sie das Vergrößerungsglas ihm zeigt, schließen, dass für Gott nichts zu groß und nichts zu klein ist, und dass Seine Macht und Weisheit als Schöpfer anbetungswürdig sind; aber in Wirklichkeit wird die einfältige, durch den Heiligen Geist unterwiesene Seele durch Gottes Wort mehr von Ihm kennen und verstehen, als der größte Gelehrte und der gründlichste Naturforscher. Der letztere kann davon reden, was Gott gemacht hat; aber die erstere weiß, was Er ist. Nach dieser einleitenden Bemerkung möchte ich die Aufmerksamkeit auf die Geschichte des Opfers Davids auf der Tenne Ornans, des Jebusiters, lenken.

Diese Geschichte wird uns zweimal erzählt, und jedes Mal mit einem besonderen Zweck. In dem 2. Buche Samuel findet sie sich ganz am Schlüsse, in 1. Chronika in der Mitte des Buches. Aus dem Buche Samuel lernen wir, dass Gott in Seiner Gerechtigkeit die Sünde nicht übersehen kann, während wir in 1. Chronika mehr erkennen, was Gott ist und was aus der Annahme des Opfers folgt. Seine Geschichte, als sie in dem 2. Buche Samuel erzählt wird, macht uns mit dem Menschen David bekannt; wogegen I. Chronika die Herrlichkeit seines Königtums schildert. In Übereinstimmung damit lesen wir in Samuel von seinem Aufstehen, von seinen Prüfungen und siegreichen Kämpfen; bis sein Reich sich ausdehnte vom Euphrat bis an den Strom Ägyptens. Dann hören wir von seinem traurigen Fall und von den Regierungswegen Gottes, zunächst mit ihm und seiner Familie, dann mit dem Hause Sauls und endlich mit dem Volke Israel. In 1. Chronik dagegen wird alles, was mit der Sünde Davids und mit dem Gericht über das Haus Sauls in Verbindung steht, übergangen, und inmitten der Erzählung von Davids Macht und Reichtum hören wir von der Zählung des Volkes und von all den Folgen, die daraus hervorgingen. Die Geschichte der Sünde Davids konnte in dem Buche, welches die Herrlichkeit des Königtums zu seinem Gegenstände hat, keinen Platz finden, wohl aber die Zählung Israels und die daraus hervorfließenden Regierungswege Gottes, weil diese zu der Feststellung des Ortes führten, auf welchem der zukünftige Tempel sich erheben sollte.

Israel hatte gesündigt, und so konnte das Gericht nicht ausbleiben; und der Stolz des Herzens Davids führte bald eine Gelegenheit dazu herbei. „Und Satan stand auf gegen Israel; und er reizte David, Israel zu zählen." Durch seinen König wird das Volk von der Strafe erreicht; denn David, ein Mensch wie die übrigen Israeliten, leiht sein Ohr den Einflüsterungen des Feindes und befiehlt, das Volk zu zählen. Joab macht ihn darauf aufmerksam, dass eine solche Handlung zwecklos, ja, böse sei; aber umsonst, David besteht auf seinem Willen. (I. Chron. 21, 1—6.) Die Zählung begann, aber sie wurde tue vollendet. Bevor Levi und Benjamin gezählt waren, „kam ein Zorn über Israel". (Vergl. 1. Chron. 27, 24.) Nachdem Gottes Absicht soweit ausgeführt war, hören wir nichts mehr von Satan. Er hatte nur als Werkzeug in der Hand Gottes gedient, um den göttlichen Vorsatz zur Ausführung zu bringen; sobald dieser Zweck erreicht war, finden wir nur noch den Herrn selbst auf dem Schauplatz. Gott musste die Sünde heimsuchen, aber Er wollte Sein Volk nicht verstoßen. Daher redet Er zu dem Herzen Davids, welches sich in den Fallstricken des Feindes hatte fangen lassen. Gott wollte ihn von der Sünde überführen, um dann gerechter Weise in Gnade handeln zu können. Der Zorn fiel auf Israel, bevor die Zählung vollendet war, damit David zur Einsicht käme und der Plage gewehrt würde. Gott wollte Davids Herz durch die Bedrängnis des Volkes erreichen, gerade so wie Er das Volk durch die böse Handlung seines Königs im Gericht erreicht hatte. So handelte Er in Gnaden mit ihm, wie Er ja stets mit den Seinigen handelt, damit die Rute wieder entfernt würde, welche für immer auf ihnen hätte ruhen müssen, wenn Gott nach Verdienst mit ihnen gehandelt hätte.

Davids Gewissen erwacht, und nachdem er seine Sünde bekannt hat, (dies muss stets geschehen, ehe die Züchtigung aufhören kann,) erscheint der Prophet Gad, um ihm auf Befehl Gottes drei Dinge zur Auswahl vorzulegen. (Kap. 21, 7—13.) Beachten wir hier, dass der Herr es war, welcher den Seher sandte, nicht aber dass Gad um Erbarmen für das Volk zu Gott flehte. Die Plage sollte jetzt in ihrer Dauer beschränkt werden, und die Art ihrer Beendigung wurde der Entscheidung des Königs überlassen. Als ein Mann, der Gott kannte, wählte er weislich lieber drei Tage Pestilenz als das Eindringen eines siegreichen feindlichen Heeres in sein Land. „Und David sprach zu Gad: Mir ist sehr Angst! Möge ich doch in die Hand Jehovas fallen, denn Seine Erbarmungen sind sehr groß." (V. 13.) Die Folge bewies, dass David Recht hatte, indem er die Hand Jehovas derjenigen der Menschen vorzog. Derselbe Gott, welcher auf das Gewissen Davids gewirkt und ihn zu einer rückhaltlosen Anerkennung seiner Sünde gebracht hatte, gebot dem verderbenden Engel Einhalt, als er mit gezücktem Schwerte über Jerusalem erschien. (V. 16.) Wer war es, der den Herrn zu dieser gnädigen Handlung veranlaßte? Wessen Dazwischenkunft und Bitte bewegte Ihn, dem Verderben ein Ziel zu setzen? Die Schrift selbst gibt uns Antwort auf diese Fragen, indem sie sagt: „Und Jehova sandte den Engel nach Jerusalem, es zu verderben. Und als er verderbte, sah es Jehova, und es reute Ihn des Uebels." (V. 15.) Hier also war die Quelle des Erbarmens, von hier aus ergoss sich der Strom der Gnade: „Jehova sah es, und es reute Ihn." Gott handelte ohne die Vermittlung irgendeines Geschöpfes. Und kann uns das wundern? Wer da weiß, was Gott ist, wer Ihn kennt, wird es nicht erstaunlich finden. Denn etwa tausend Jahre später gab Gott einen noch viel staunenswerteren Beweis, dass Er in dieser Weise handeln kann, indem Sein geliebter Sohn auf diese Erde herniederkam und Nikodemus verkündigte: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass Er Seinen eingeborenen Sohn gegeben, auf dass jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe." Alle jene Personen, welche einstmals Augenzeugen des auf Omans Tenne Geschehenen waren, haben diese Erde längst verlassen. Noch eine Weile, und auch diese Erde selbst wird verschwinden; aber die Geschichte von dem Kreuze Christi wird in alle Ewigkeit Zeugnis davon ablegen, dass Gott in unumschränkter Gnade und nach Seinem eigenen Vorsatz handelt, ohne die Vermittlung oder Dazwischenkunft irgendeines Geschöpfes.

Aber dem verderbenden Engel Einhalt tun und ihn veranlassen, sein Schwert in die Scheide zu stecken, sind zwei verschiedene Dinge. Das eine geschah durch ein Wort; für das andere war noch mehr nötig. Bei dem Anblick des Engels mit dem gezückten Schwerte fielen David und die Ältesten von Israel, in Sacktuch gekleidet, auf ihre Angesichter nieder, und David flehte für das Volk. (V. 16. 17.) Doch seine Fürsprache war nicht imstande, den zum Schlage erhobenen Arm des Engels zurückzuhalten und das Vvlk vor dem Gericht sicher zu stellen. Mochte sein Gebet auch noch so ernst, seine Demütigung noch so tief sein — etwas anderes als das war nötig. David und die Ältesten von Israel waren in dieser Sache machtlos, ja, mehr noch, sie waren völlig ratlos. Was konnten, was sollten sie für das Volk tun? Alle menschlichen Vorschläge waren hier nicht am Platze, alle menschlichen Hilfsquellen wertlos. Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, macht Gad, den Seher, vermittelst des Engels mit den Forderungen Seiner Heiligkeit bekannt. (V. 18.) Der Herr hatte David von seiner Sünde überführt, Er hatte dem Verderber Einhalt geboten, und jetzt teilt Er David mit, was er tun sollte. Alles ist von Gott.

Der Prophet braucht nur das Wort Jehovas zu überbringen, und David hat nur zu gehorchen. Ein Altar muss errichtet werden auf der Tenne Omans, des Jebusiters, und auf diesem Altar müssen Opfer gebracht werden. Doch was für Opfer sollte David bringen? Ein Mensch würde sicherlich Sündopfer vorgeschlagen haben; der Herr aber gebot Brandopfer und Friedensopfer. Die Sündopfer redeten von der Sünde des Menschen und von dem Boden, auf welchem ihm Vergebung zu teil werden konnte; die Brand- und Friedensopfer stellten dar, was das Opfer für Gott war, sowie den Anteil, welchen der Opfernde mit Gott an dem auf dem Altar gebrachten Opfer hatte. In dem Brandopfer erblicken wir Christus als Den, der sich freiwillig ohne Flecken Gott völlig geopfert hat; deshalb wurde es ganz und gar auf dem Altar geräuchert. (3. Mose 1, 13; 6, 1—6.) In dem Friedensopfer wurde die gemeinsame Freude Gottes und des Opfernden an dem einen Opfer vorgebildet; ein Teil des Opfers wurde auf dem Altar verbrannt, ein Teil war für den Priester, und ein Teil wurde von dem Opfernden gegessen. (3. Mose 7.) Das also waren die Opfer, welche von David gebracht werden mussten; denn es sollte ans Licht gestellt werden, was das Opfer für Gott war, und wie Er auf Grund desselben in Güte handeln wollte, nicht aber was der Mensch bedurfte.

Der Altar wurde errichtet, die Opfer geschlachtet, und dann bezeugte Gott die Annahme der Opfer und derer, welche sie brachten, dadurch, dass Feuer vom Himmel herabfiel und den Teil des Opfers, welcher für Gott war, verzehrte. (V. 26.) Dann erst, und keinen Augenblick früber, gebot Gott dem Engel, sein Schwert wieder in die Scheide zu stecken. (V. 27.) War es denn nötig, dass Gott erst versöhnt und willig gemacht wurde, zu vergeben? Nein, Sein Verhalten in dieser ganzen Geschichte bezeugt das Gegenteil; aber damit Er vor aller Augen in Seinen Handlungen gerechtfertigt, und damit Seine Heiligkeit und Gerechtigkeit befriedigt würden, darum mussten die Opfer gebracht werden, und dann konnten alle den Boden erkennen, auf welchem Er in Gnade handeln konnte. Das bewirkten die Opfer, und nachdem dieselben gebracht waren, konnten David und das ganze Volk wissen, dass sie in Sicherheit waren. Das in seine Scheide zurückgebrachte Schwert konnte nie wieder zur Bestrafung der vorliegenden Sünde entblößt werden. Das war die Ordnung der Dinge in jenen Tagen, und dieselbe Ordnung finden wir in Verbindung mit dem Kreuze. Das Opfer ist vollbracht und von Gott angenommen, und deshalb kann jetzt der Friede verkündigt werden.

Doch David blieb hierbei nicht stehen. Alle, welche Gnade empfangen und das Erbarmen Gottes empfangen haben, sollten lernen, was es heißt, anzubeten. David erfuhr dieses; denn gerade da, wo Gott Seinen gerechten Zorn abgewandt und die Opfer angenommen hatte, opferte er wiederum. (V. 28.) Ferner lernte er, dass gerade an diesem Orte der Gottesdienst Israels fortan ausgeübt werden sollte. Die Stiftshütte und der Brandopferaltar befanden sich damals zu Gibeon (V. 29); aber der zukünftige Platz für den Altar und den Dienst Jehovas war die Tenne Ornans, denn nur auf Grund eines angenommenen Opfers kann wahre Anbetung dargebracht werden.

Verstehen wir alle das? Bringen die Kinder Gottes im Allgemeinen eine wahre Anbetung dar, d. h. nahen sie sich Gott mit Herzen, die mit Lob und Dank erfüllt sind, um sie gemeinschaftlich vor Ihm auszuschütten und Ihn zu preisen für das, was Er in dem Opfer Seines Sohnes getan hat und für das, was Er ist? David opferte nicht von neuem, um den Zorn Gottes abzuwenden, sondern weil er sah, dass der Herr ihm auf der Tenne Ornans geantwortet hatte. Nachdem durch die einmal dargebrachten Brand- und Friedensopfer die verdiente Strafe abgewandt war, dachte er nicht mehr daran, nochmals dieselben Opfer zu bringen; aber er dachte auch nicht, dass es jetzt nichts mehr für ihn zu tun gäbe. In Sicherheit gebracht durch das einmalige Opfer, sollten vielmehr seine Lobopfer in Zukunft bezeugen, welch eine Dankbarkeit sein Herz erfüllte gegenüber der Gnade und Güte Gottes. Und das ist es auch, was in den Versammlungen der Kinder Gottes gefunden werden sollte. Auch die in Hebr. 13 genannten Opfer sollten stets zu Gott emporsteigen, weil der Wert des Opfers Christi erkannt und geglaubt worden ist. Anbetung sollte stets der Erkenntnis der Annahme folgen.

Fortan sollte es weit und breit in Israel bekannt sein, dass der Ort, an welchem Gott in solch unverdientem Erbarmen gehandelt hatte, den Mittelpunkt der Anbetung bildete (Kap. 22, 1); und Salomos Tempel war der stumme, aber ausdrucksvolle Zeuge für die Tatsache, dass die Anbetung des Volkes Gottes einzig und allein gegründet ist auf die Annahme des Opfers von feiten Gottes.


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