JGB- Das Festmahl Belsazars und die Weltausstellung


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andere Schriften von J.G. Bellett

(Daniel 5)

Während Jeremia in Jerusalem gelassen wurde, um als ein Zeuge der moralischen Verderbnis der Juden ihnen die kommenden Gerichte zu verkündigen, und Hesekiel seinen Platz unter dem weggeführten Überrest, dem Gegenstand der Zucht Gottes, am Flusse Kebar fand, wurde Daniel mitten unter die Heiden in Babylon gestellt, wo Gott ihm zu verstehen geben wollte, welches die Geschichte und die Wege der Nationen der Welt sein würden.

Wir haben diese Geschichte in den sechs Kapiteln, welche den ersten Teil des Buches Daniel bilden.

In Kapitel 1 sehen wir die Heiden oder Nationen im Gegensatz zum Volke Gottes als die Gewalthabenden der Erde konstituiert.

Kapitel 2 zeigt uns dieses System, d. h. die Welt in ihrer politischen Organisation, während der Periode, die mit der chaldäischen Herrschaft beginnt und mit dem Reich des Sohnes des Menschen zu Ende kommt, hier symbolisch dargestellt durch das große Bild in allen seinen Teilen, von dem Haupt von Gold bis zu den Füßen von Eisen und Ton. Dieses System wird zur Zeit des Endes gerichtet werden durch den zu einem Berge werdenden Stein, der auf der Erde ein Reich aufrichtet, das nie an andere übergehen wird und in dem sich die Macht und Herrlichkeit des höchsten Gottes entfalten werden.

Die vier folgenden Kapitel geben uns in der Geschichte Nebukadnezars, Belsazars und Darius' eine Art Umriss der moralischen Geschichte der Welt. In Nebukadnezar zeigt sich die Gewalt als Verfolgerin im Verein mit der Religion des Menschen oder dem Götzendienst. Der König lässt ein großes Bild aufrichten und verlangt, dass die Menschen es anbeten, mit der Drohung, dass, wenn sie es nicht tun, sie in den feurigen Ofen geworfen würden. Die Gerechten weigern sich dessen und leiden dafür.

Belsazar dagegen stellt uns die Welt dar, welche die Bequemlichkeit und das Vergnügen liebt und dabei die Religion verachtet. Der König macht ein großes Festmahl, bei welchem dem Vergnügen und Luxus auf außerordentliche Weise gefrönt wird. Die Gerechten bleibet diesem durchaus fern.

Bei Darius sehen wir wiederum, wie bei Nebukadnezar, die Gewalt verfolgend auftreten, nur ist es hier in Verbindung mit seiner eigenen Erhebung. Der König erlässt ein Verbot, welches jedermann untersagt, während so und so viel Tagen irgendjemand außer ihm als Gott anzurufen, bei der Strafe, in die Löwengrube geworfen zu werden. Wiederum weigern sich die Gerechten, dieses Verbot zu beachten, und dafür sind Leiden ihr Teil.

Das sind die Marksteine, welche uns hier im Vorbilde auf bestimmte Weise den Fortschritt der Gottlosigkeit der Nationen bezeichnen. Für mich selbst bin ich überzeugt, dass die gegenwärtige Periode, die durch die Zeit Belsazars vorgebildete ist. Die der seinigen vorangegangene Regierung kennzeichnet sich durch Verfolgung und Götzendienst; die ihr nachfolgende durch Verfolgung und Vergötterung des Menschen. Bei Belsazar aber finden wir nur eine bequeme Gleichgültigkeit, Genusssucht und Befriedigung in den Dingen, welche die Welt bietet. Des Königs Gebot und Verbot nicht zu beachten und infolgedessen zu leiden, ist das Teil der Gläubigen in den Tagen des götzenanbetenden Nebukadnezar wie in den Tagen des sich selbst erhebenden Darius, welche beide zu Verfolgern wurden. Aber in den Tagen Belsazars ist der Platz, den die Heiligen einnehmen, derjenige gänzlicher Absonderung.

Es enthält diese Erzählung ernste Belehrung für uns. Daniel beteiligt sich nicht am Gastmahl. Eine andere Persönlichkeit hält sich ebenfalls fern; nicht dass sie das gleiche Licht hatte wie der Prophet, aber sie handelt im gleichen Geist — ich meine die Königin, die Mutter des Monarchen. Der König wusste nichts von dem Manne Gottes, der in seinem Reiche lebte. Er wusste nichts oder wollte nichts von den Taten wissen, welche Gott zur Zeit seines Vaters gewirkt hatte. Aber die Königin kennt sie und bewahrt die Erinnerung daran und auch sie geht nicht zum Feste.

Wer sind heutzutage die Abgesonderten? Diejenigen, welche sich an das königliche Fest begeben oder diejenigen, welche, im Lichte des Herrn die Dinge beurteilend, davon fernbleiben? Unsere Zeit ist eine Zeit der Liebe zur Welt und Bequemlichkeit, des Suchens nach den Genüssen und Vergnügungen des Lebens. Man feiert die Werke von Gold, Silber, Erz, Holz und Eisen, indem man dem Tag entgegengeht, wo man ihnen Anbetung entgegenbringen wird wie Göttern. Alan ruft alles zu Hilfe, was den Glanz des Festes erhöhen kann, an dem man seinen Ruhm zu entfalten sucht. Materielles Wohlergehen und möglichst leichte Erlangung des Vergnügens, das sind die großen Ziele, welche man dabei verfolgt. Die Werke des Menschen, die Produkte seiner Geschicklichkeit und die Reichtümer der Erde schmücken und verschönern den Schauplatz und ihre Zusammenstellung bildet sozusagen das glänzende Mahl, welches der, der euch eingeladen, für euch bereitet hat. Und der Mensch sorgt dafür, dass die Freude nicht fehle in dieser feierlichen Stunde der Geschichte der Welt — feierlich in der Tat, zwar nicht etwa durch Gerichte und Heimsuchungen, sondern hinsichtlich der moralischen Grundsätze, welche die Menschen darin leiten. Was kümmerte Belsazar die Gefangenschaft Zions? Er beschäftigte sich mit den heiligen Gefäßen nur, um sie zu entweihen. Die Taten Gottes galten ihm nichts. Wein und Musik machten das Fest fröhlich genug. So kommen auch heute die Menschen zusammen zu gemeinsamer Freude, vergessen, dass sie Christus verworfen haben und bewillkommnen sich gegenseitig, weil sie alle zusammen von der gleichen, gottentfremdeten Welt und aus Fleisch und Blut geboren sind. Und wollen die Auserwählten Gottes während der Zeit dieses Festes vergessen, was Gott von ihnen und ihrem Zeugnis der Welt gegenüber erwartet, wollen sie dies beiseitesetzen, bis das Fest zu Ende gefeiert ist?

Wo denn, ich frage wieder, befindet sich derjenige, der für Gott abgesondert ist? Wo ist Daniel? Das Mahl hat keinen Reiz für ihn und keine Anziehungskraft. Er kannte den Charakter dieses Festes, bevor das Gericht über dasselbe geoffenbart war. Er wartet nicht, bis die Menschenhand auf der Wand das Urteil darüber geschrieben hatte, um sich davon zu trennen. Die geheimnisvolle Schrift erschreckt und beunruhigt ihn auch nicht. Er ist außer dem Bereich eines plötzlichen Verderbens, das wie ein Dieb in der Nacht hereinbricht, denn er hält sich im Geiste da auf, von woher diese Hand gesandt worden ist, er ist ein „Kind des Lichtes und ein Kind des Tages." Das Gericht, welches am Hereinbrechen war, brauchte ihn nicht zu erschrecken, denn er nahm nicht teil am Gastmahl, sondern hatte es für sich schon verurteilt. Es war durchaus nicht etwa der Schlaf, welcher ihn davon getrennt hielt. „Die da schlafen, schlafen des Nachts und die da trunken find, sind des Nachts trunken." Aber Daniel war ebenso wenig gleichgültig in Bezug auf das Fest, als er dort sein Vergnügen suchte. Er blieb wie gesagt, nicht etwa weil er schlief, demselben fern. Nein, er wachte und war nüchtern im göttlichen Sinn (1. Thess. 5, 6), und an diesem Platz der Absonderung kannte er das Urteil Gottes über diese Dinge lange bevor die Schrift an der Wand es der Welt verkündigte. Wie ist dies alles voll Bedeutung für uns!

Ich behaupte nicht, dass die Form, in welchem das Böse in den Tagen Belsazars sich zeigte, die schlimmste von allen war. Vor ihm hatte Nebukadnezar einen Götzen errichtet, nach ihm machte sich Darius selbst zum Gott. Unter dem erstem lernte der Heilige den feurigen Ofen kennen, unter dem letztem wurde er in die Löwengrube geworfen. Die Zeit Belsazars weist nichts solches ans. Sie verlangte keine Anbetung des Gräuels der Ebene Dura, noch verbot sie, dass man gegen Jerusalem anbete. Und doch scheint sich bei Belsazar und seiner Zeit etwas zu finden, welches dem Geist des Herrn ganz besonders zugegen war. Für Nebukadnezar kann Daniel Interesse empfinden, und derselbe wird auch zur Reue und Demütigung gebracht, infolgedessen Gott das Gericht aufschiebt. Auch Darius musste sicher die Teilnahme des Propheten erwecken, denn es ist rührend, von der Demut und Gnade zu lesen, die er nachher zeigte, und wir können nicht anders als ihn bemitleiden, wenn wir sehen, wie er gegen seinen Willen das Böse ausführen muss, in welches ihn eine augenblickliche Eitelkeit und sein leicht beeinflusster Charakter gebracht hatte. Belsazar aber kann uns kein Interesse abgewinnen. Er empfängt von dem Geiste Gottes nichts als Tadel und von der Hand Gottes durch das Schwert der Meder nichts als die schnelle Ausführung der Drohung, welche die Hand auf die Mauer geschrieben hatte. „In selbiger Nacht ward Belsazar, der König der Chaldäer, getötet."

Er war der leichte, heitere Weltmensch. Er verachtete jede religiöse Furcht. Was er anbetete, waren seine Vergnügungen, waren die Götter von Gold und Silber, von Eisen und Erz, war das, was sein Fest herrlich machen und seine Lüste befriedigen konnte. Er rief die Welt nicht zusammen, um seinen Götzen oder um ihn selbst anzubeten, nein er rief sie an seinen Tisch und zu seinem Mahl. Während Nebukadnezar ein Bild errichtet und Darius einen königlichen Erlass ausgehen lässt, richtet Belsazar ein Fest zu. Aber Jerusalem und sein Unglück bleiben dabei vergessen. Die Wunder, welche der Gott der Juden gewirkt hatte, gelten ihnen so viel als ein Traum oder eine Sage, und der König wagt es selbst, bei seinem ausschweifenden Gelage einen entweihenden Gebrauch von den heiligen Gefäßen des Tempels Gottes zu machen.

Das ist das Wesen der Welt, ungebunden und fröhlich. Wir leben heutzutage in ähnlichen Zeiten, wo der Mensch die Wunder Gottes ganz vergisst und die Verwerfung und Erniedrigung Christi keines Gedankens mehr würdigt. Allerlei Musik und was irgend die Sinne nur erfreuen kann, muss zum Reiz dieser Feste beitragen, aber was Gott gewirkt hat, kann der Vergessenheit anheimfallen. Bis dahin hatte man für die Gefäße des Hauses Gottes noch Furcht und Ehrerbietung gehegt, aber jetzt werden sie verunreinigt und müssen den Begierden des Königs dienen. Gott hatte sie dazu bestimmt gehabt, von einem für Ihn abgesonderten, priesterlichen Volk zu zeugen; Er wollte, dass sie inmitten desselben Seinem Dienst geweiht seien. Stattdessen gebraucht sie der König als Mittel seines Vergnügens.

Was sind, frage ich, alle diese Anstrengungen, welche gemacht werden, um die Welt zu verschönern, sie zu genießen und sich ihrer zu rühmen, während Jesus von ihren Bewohnern verworfen ist? Ist es nicht der Geist des Festes Belsazars? Die Verwerfung Christi ist der Grund, warum das Gericht über diese Welt ausgesprochen ist; aber dies ist vergessen, verachtet, denn man findet seine Herrlichkeit und seinen Ruhm in dieser selben Welt, welche noch immer sagt: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche!"

Auch in diesen Tagen feiert man die Götter von Gold und Silber, von Erz, Eisen und Holz. Man breitet alle die Hilfsquellen der Welt, alles, dessen sie fähig ist, aus für das Auge, ohne einen Gedanken daran, dass sie Christus verworfen hat. Finden wir aber jemand aus dem Volke Gottes am Feste des Königs? Israel war weggeführt samt den Gefäßen des Tempels Gottes. Wer unter den Israeliten hätte gleichgültig oder unentschieden darüber sein können, ob er an der Lust des Königs, der die heiligen Gefäße dieses Hauses verachtete, teilnehmen sollte oder nicht? Und wer unter den Knechten des hochgeborenen Mannes könnte sich mit den Bürgern vereinigen, die nicht wollten, dass Er über sie herrsche, und die überdies mit Seinem Blut befleckt sind? (Siehe Lukas 19.)

Es ist kaum möglich, dass man sich bei einigem Nachdenken über diese Dinge eines Bergleiches derselben mit dem gegenwärtigen Augenblick und seiner „Weltausstellung" enthalten kann. Es wäre auch nicht richtig, über diesen Gegenstand gleichgültig zu bleiben, denn wir haben darin ein wichtiges Symptom unserer Zeit, über dessen moralische Bedeutung wir uns klar sein sollten.

Es mangelt den Weltausstellungen nicht an Verteidigern. sagt uns, dass sie den Zweck haben, die Brüderlichkeit der Nationen zu pflegen, das Wohlsein der Gesellschaft zu fördern, überhaupt das Glück der ganzen menschlichen Familie herbeiführen zu helfen. Liegt es aber, frage ich, in den Absichten Gottes, diese Dinge solcherweise herbeizuführen? Er hat die Nationen zerstreut, und es ist gar nicht Seine Absicht sie wieder Zu sammeln, bis Sein Fürst kommen und der Mittelpunkt ihrer Vereinigung werden wird. (1. Mose 49, 10.) Gott will, dass wir Fremdlinge seien hienieden; Er will, dass wir gegen die Welt in ihrem jetzigen Zustand zeugen und weder Schmeichelei noch Nachgiebigkeit für sie haben; auch nicht unseren Ruhm suchen in dem Fortschritt, dessen sie fähig ist. Eine Ausstellung ist das gerade Gegenteil der Gedanken Gottes. Christus zeigt uns die Welt in ihrer Versunkenheit und Gottentfremdung ; eine Ausstellung breitet den Ruhm und die Herrlichkeit der Welt vor dem staunenden Auge aus. Christus möchte sie erschrecken und zu sich selbst und dem Bewusstsein des Gerichts bringen, dem sic entgegengeht; eine Ausstellung macht die Welt zufriedener mit sich selbst als je.

Mir erscheint die Bewunderung, welche die Weltausstellung erregt, wie ein Schritt auf der Bahn, deren Ziel die Schrift mit den Worten kennzeichnet: „Und die ganze Erde verwunderte sich über das Tier." (Offbg. 13, 3.) Dieser Enthusiasmus wird nur ein noch entwickelterer Ausdruck desselben Grundsatzes sein. Wie traurig ist es, selbst das evangelische Bekenntnis seine Beiträge einsenden oder unter den Ausstellern vertreten zu sehen. Wie groß muss doch die Blindheit mancher Christen sein, wenn sie heute der Welt das ihr drohende Gericht verkündigen und morgen ihre Arbeit und ihr Genie wieder in Gemeinschaft mit ihr bewundern können.

Wenn ein Kind Gottes sich in einer Stellung befindet, wo es nicht die bewahrende Gewissheit hat, dass es vom Herrn dorthin berufen worden sei, so findet der Feind leicht Gelegenheit, sich seiner zu bedienen, wie er es mit dem alten Propheten in Bethel tat. Je mehr ich darüber nachdenke, desto unerklärlicher scheint es mir, dass ein Christ sich im Geringsten an dieser Sache beteiligen kann, die ich nicht anders zu betrachten vermag, denn als eine Äußerung der Gott durchaus entgegengesetzten Grundsätze, welche die völlige Reife des Antichristentums herbeiführen und kennzeichnen werden.

Als der Herr die Nationen zerstreute (1. Mose 11), war dies das Gericht über das stolze Unternehmen der Menschen, die, als sie noch einerlei Sprache und Zunge hatten, nach Unabhängigkeit von Gott trachteten. Hat Gott dieses Gericht je aufgehoben? Ohne Zweifel wird ein Zeitpunkt kommen, wo dies der Fall sein wird. Jerusalem wird ein Mittelpunkt der Völker werden und die Nationen werden in Menge nach Zion kommen, um dort den König in Seiner Schönheit zu sehen, und keine, das wissen wir jetzt schon, wird mit leeren Händen vor Ihm erscheinen. Die Produkte aller Länder werden die Stadt des Heiligtums Gottes zieren. Die Früchte Midians und Ephas, Sabiias Gold und Weihrauch wird man zu ihr bringen, die Herden Kedars und die Widder Nebajoths, die Herrlichkeit des Libanons und die Macht aller Nationen. Alles wird sich dort versammeln gleich Tauben zu ihren Fenstern, und die Könige werden dort ihre Herrlichkeit ausbreiten. Zu jener Zeit wird statt des Erzes Gold sein, und statt des Eisens Silber, und statt des Holzes Erz, und statt der Steine Eisen. (Jes. 60.) Alles auf Erden wird dann Herrlichkeit und Schönheit sein. Aber diese Dinge sind noch zukünftig, sie gehören dem „zukünftigen Zeitalter" an, der Zeit, wann aus Zion der Erlöser gekommen sein und die Gottlosigkeiten abgewendet haben wird von Jakob. (Jes. 59; Röm. 11.)

Erst die Aufrichtung des Reiches Gottes in Jerusalem wird dem Gericht der Verwirrung, das über Babel kam, ein Ende machen. Der, welcher zerstreut hat, muss auch wieder sammeln. Er ist der „König der Nationen." Es ist Sein Wille, dass sie noch also voneinander geschieden sind, aber für Jesus, und für Ihn allein, wird Er sie einst wieder "sammeln und für Ihn ein Königtum aufrichten, das die ganze Welt umfasst, wie geschrieben steht: „Auf dass jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters." (Phil. 2, 11.) „Er wird herrschen vom Meer bis zum Meer und von dem Strom bis zu den Enden der Erde." (Sach. 9, 10.)

Eigentlich wurde der Name Jesu am Pfingsttage dem Menschen als Mittelpunkt der Vereinigung angeboten. Verschiedene Sprachen, wie Babel sie hatte entstehen sehen, wurden den Jüngern gegeben, auf dass das wieder vereinigt würde, was getrennt worden war. Aber dieser Versuch der Gnade Gottes scheiterte an der Härte des ungläubigen Menschenherzens. Und nachdem die Menschen dort den göttlichen Plan, sie durch die Macht und Gegenwart des Heiligen Geistes um Jesus zu sammeln, verworfen haben, suchen sie sich ohne Gott, fern von Ihm, zu vereinigen. Der Mensch will sich erheben, wie zu Babel; er möchte unabhängig von Gott sein, ja, den Platz des Höchsten einnehmen. Das Tier wird bei Todesstrafe verlangen, von allen angebetet zu werden, und die, welche auf der Erde wohnen, werden sein Malzeichen an ihrer Stirne haben und ihm huldigen (Offbg. 13.) Das ist die zukünftige Geschichte der Welt. Man will den erhöhten Christus nicht anerkennen und kann nicht aufhören, sich selbst zu verherrlichen.

Jesaia, durch den Geist Gottes die letzten Tage voraussehend, ermahnt das Volk Gottes, nicht vereint mit der Welt zu sagen: „Bündnis." (Jes. 8.) Ich möchte mich und alle fragen: Hören wir wirklich auf diese Warnungen der Propheten? Beachten wir sie? Der Mensch ist in voller Arbeit sich selbst zu erheben und zu diesem Zweck Bündnisse zu schließen, und zuletzt wird er sich selbst zum Mittelpunkt der Vereinigung machen. Und wenn wir diese warnenden Mitteilungen hinsichtlich des Charakters der letzten Tage als göttlich erkennen, können wir dann, bei allem, was wir sehen und hören, daran zweifeln, dass die Menschen bereits in den Anstrengungen und Unternehmungen tätig seien, welche zu dem vorausgesagten Resultat führen werden? Es ist heute wohlbekannt, mit welchem Eifer für gegenseitige Annäherung der Nationen gearbeitet wird, und die Weltausstellungen, im Verein mit all den modernen Verkehrsmitteln, tragen ein großes Teil dazu bei. Es ist dem Geiste, der in allem diesem herrscht, ohne Zweifel auch ganz darum zu tun, die Sanktion der Religion dabei zu haben. Nichts passt dem Fürsten dieser Welt besser als dies, wenn er damit seine Zwecke erreichen kann. Er hätte es mit Freuden gesehen, wenn Jesus auf sein Geheiß, durch ein Wort der Schrift bestärkt, Seinen eigenen Ruhm gesucht hätte. Viele Male würde er Christus anerkannt und laut verkündigt haben, wenn dieser es ihm erlaubt hätte, wie später auch der Wahrsagergeist dem Diener Gottes Zeugnis geben wollte, wenn Paulus es zugegeben hätte. (Apostg. 16.) Aber das durfte nicht sein. Das Tier indessen wird seinen falschen Propheten haben, der die Religion seinen Zwecken dienstbar machen wird. Die göttliche Religion aber leitet uns in die Wahrheit und lässt uns Gottes Gedanken und Gottes Grundsätze erkennen. Sie lehrt uns, mit der ihr eigenen Autorität, dass wir nicht Gemeinschaft haben können mit Dingen, gegen welche wir zeugen sollen. (Eph. 5)

Lasst uns nicht denken, es sei schließlich gleichgültig oder von geringer Wichtigkeit, wie wir über diese Sache urteilen. Weit davon entfernt ist dieselbe im Gegenteil sehr dazu angetan, die Gewissen der Heiligen zu üben und ihr Urteil in Anspruch zu nehmen. Im Allgemeinen wird die Art, auf welche sie diese Sache anschauen und darin handeln, nicht ohne Wirkung auf ihren geistlichen Zustand bleiben. Wie leicht wird unser geistliches Verständnis verdunkelt, unsre Augen geblendet, und wenn wir auf dieser Bahn weitergehen, so wird uns der nächste Angriff des Feindes noch weniger vorbereitet finden. Liegt nicht in einem solchen Zustand eine große Gefahr, besonders zu einer Zeit, da die Verführungen auf allen Seiten sich überhaupt schon so mehren?

Das Wort rät uns, von Christus Augensalbe zu kaufen, auf dass wir sehen. Diese Augensalbe ist noch etwas weiteres als der Glaube und das Bekenntnis des Evangeliums. Laodizea schwamm mit dem Strome und rühmte sich sogar dessen sehr, aber es mangelte ihm diese Augensalbe. Und eines weiß ich sicher: Trotz allein was diese große Ausstellung aller Waren der Welt enthalten wird, wird und kann doch gerade diese Augensalbe nicht dort sein. Sie würde einem sofort zeigen, was dieser Ort ist. Es ist wahr, dass der Mensch dort nicht als Gott auf den Thron gesetzt wird. Dafür sind die Dinge noch nicht reif genug. Der Ausstellungspalast ist kein Tempel, in welchen sich der Mensch fetzt und sich selbst darstellt, als wäre er Gott. (2. Thess. 2.) Aber die Werke des Menschen werden dort ausgebreitet und seine Industrie auf den Thron gesetzt, um bewundert und angestaunt zu werden; und tausende treten, wie jemand gesagt hat, ein mit dem Gedanken, dem Genie des Menschen zu huldigen. Wie in einem prachtvollen Spiegel strahlt die Welt dort unter tausend anziehenden Formen wieder, — und man vergisst den demütigen Jesus, der nicht von der Welt ist und den die Erde verworfen hat. Man kann wohl seinen Namen dort aussprechen, so dass es den Anschein hat, als habe Seine Religion dort einen Platz; aber in Wirklichkeit ist Jesus, der nicht von der Welt ist, dort vergessen.

Lasst uns die Bedeutsamkeit und den Ernst dieser Dinge nicht unterschätzen; der Geist der letzten Tage ist darin mächtig wirksam. Dieser Palast, der aufgerichtet wurde, auf dass man in ihm die Werke des Menschen bewundere, ist nur wieder eine Stufe, die zu dem Tempel hinaufführt, in welchen sich der Mensch als Gott setzen wird. Die Wirkung dieser Bewunderung ist moralischerweise schrecklich: Sie hilft eine Generation zubereiten, welche das Tier anbeten wird. Ist es nicht zum Weinen, wenn man denkt, dass ein Christ auch nur die geringste Freude daran finden könne?

Es zeigt diese Ausstellung (wie sie sich selbst bedeutungsvoll nennt) dem Besucher auf ihre Weise in einem Augenblick alle Reiche der Welt. Dies ist es, was sie offen zu tun bekennt und unternimmt. Man findet da die Galerie der Vereinigten Staaten, diejenigen Russlands, Englands u. s. w. Sie entfaltet vor uns den Reichtum und die Pracht aller Länder, die Geschicklichkeit des Menschen und seine vielfachen Hilfsmittel. Sie zeigt dem Auge alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit. Wer hat dies nur früher schon einmal getan? Der Geist hatte den Sohn Gottes in die Wüste geführt, dem Aufenthalte des Fremdlings und Pilgers; aber der Teufel kam und „zeigte Ihm in einem Augenblick alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit."

Gemäß der Schrift ist die Welt verloren und gerichtet, einer vor Gott gültigen Verbesserung nicht mehr fähig. Keine einzige Stelle der Heiligen Schrift berechtigt uns zu der Annahme, dass sie für Gott bearbeitet und fruchtbar gemacht werden könne. Gott hat schon das Urteil über sie ausgesprochen, obschon Er in noch mit dessen Ausführung wartet und seine Langmut vielen zum Heil gereichen lässt. Aber als System hat die Welt keinerlei Hoffnung noch Aussicht auf Verbesserung mehr, bis das Gericht ausgeführt sein wird. Die Arbeit an der Vereinigung der Völker ist eine Anstrengung, die auf die Befestigung und den Fortschritt der Welt nach ihren gegenwärtigen Grundsätzen hinzielt, wo sie noch fern von Gott und ein Feind Christi ist. Von dem gleichen Gedanken waren ehemals die Bauleute zu Babel geleitet.

Die Tätigkeit Gottes geht gegenwärtig dahin, die Seinigen von der Welt zu trennen. Diese Trennung ist in sich selbst das deutlichste und vernichtendste Urteil, welches über sie abgegeben werden könnte. Es verdammt sie vollständiger, als es die Wasser der Sintflut taten, oder die Plagen Ägyptens oder das Schwert Josuas. Die Tatsache, dass Gott von der Welt trennt und zurückzieht, was Ihm angehört, offenbart Seine endgültigen Gedanken in Betreff ihrer und zeigt auch, dass Er durchaus nicht die Absicht hat, sie einfach von ihrer gegenwärtigen Verderbtheit zu reinigen, wie Er es durch die Fluten in den Tagen Noahs tat, als es sich darum handelte, eine neue Probezeit mit ihr zu beginnen. Die Probezeit der Welt ist nun vorüber, das Urteil über sie gefällt, und wenn seine Ausführung bis jetzt verzögert wurde, so war es um der Auserwählten willen, die gerettet werden sollten.

Die ganze Stellung der Versammlung, d. h. ihre von der Erde unabhängige, abgesonderte und himmlische Berufung zeigt uns die eigentliche Natur der Dinge hienieden. Auf diese Weise also offenbart sie schon durch ihre Stellung und Berufung das Urteil dieser Welt. Könnte sie denn im Verein mit denen, die das Blut ihres Herrn vergossen haben und die Ihn jetzt noch verwerfen, nach den Reichtümern und Vorteilen des Ortes jagen, wo man nicht will, dass Er herrsche, die Industrie seiner Bewohner mitfeiern helfen und sich des gemeinschaftlichen Fortschritts rühmen? Gewiss können ihre Glieder das nicht, wenn ihre Herzen dem angehören, der von der Welt gelitten hat, verworfen und getötet worden ist.

Der Becher des Grimmes des Allmächtigen wird die Runde unter den Nationen machen und von ihnen geleert werden müssen. Welch einen schrecklichen Gegensatz wird dies bilden zu dem Festmahl Belsazars und dem Weine seiner Tafel, der unter seinen Festgästen kreist. Ist es nicht ernst, zu sehen, wie die Völker sich freuen und die Werke von Gold und Silber und Erz und Eisen und Holz feiern, während eine Schrift wie diejenige, welche auf der Mauer erschien, ihr Urteil verkündigt? Wenn sie auch nicht auf den Mauern des Ausstellungspalastes zu lesen ist, so doch in den Büchern der Propheten. (Psalm 75, Jer. 25.)

Der Herr Jesus kann kein verunreinigtes Reich empfangen. Das Weib, welches in Offenb. 17 unter dem Namen der Hure erscheint, verherrlicht sich selbst und lebt in den Freuden der Erde, zu einer Zeit, wo schon das Gericht Gottes sich ankündigt. Aber die Braut des Lammes, von welcher das 21. Kapitel spricht, wird nicht hienieden offenbar, bis die Erde gereinigt und bereit ist, nicht für das Gericht des Herrn, sondern für die Gegenwart Seiner Herrlichkeit.

Diese zwei Zustände sind in moralischer Hinsicht unendlich weit voneinander verschieden. Die Welt muss gerichtet werden, ehe wahrhafter Friede auf ihr einkehren, sie muss gereinigt sein, ehe sie für Gott bereichert und geschmückt werden kann. Dieser Grundsatz tritt uns in der Geschichte der Regierung Gottes wieder und wieder entgegen. Noah, der Mann Gottes, empfing die Erde, um sie für Ihn zu regieren und ihrer zu genießen. Aber das reinigende Gericht der Sündflut war vorher über sie ergangen. Als Volk und Zeuge Gottes empfing Israel das Land Kanaan zu seinem Besitz und Erbteil, aber erst, nachdem das Schwert Josuas Gericht an seinen Bewohnern ausgeübt hatte. Und in Übereinstimmung mit diesen vorbildlichen Ereignissen wird auch die ganze Erde, ehe Jesus Seine Herrschaft über sic an sich nehmen wird, gereinigt werden von allen Ärgernissen, und die das Gesetzlose tun, aus ihr weggenommen.

In dem zukünftigen Zeitalter wird alles, was nur die Erde schmücken und verschönern kann, darin seinen berechtigten Platz finden, denn sie wird der Schemel der Füße des Herrn sein. Der Garten Eden hatte nicht nur seine Bäume und Pflanzen, seine Früchte und Blumen, sondern auch sein Gold,und seine Onyxsteine. Zu einer anderen Zeit, die uns ein Vorbild der zukünftigen Herrlichkeit gibt, handelte Salomo mit allen möglichen Kostbarkeiten, und so wird auch das Jerusalem des tausendjährigen Reiches einst die Herrlichkeiten aller Länder in seinen Mauern sehen. (Jes. 60.) Aber der gegenwärtige Zeitlauf ist nicht das tausendjährige Reich und die Erde noch nicht ein großes Eden geworden. Das Verderben ist immer noch da und zeigt sich überall unter unzähligen Formen, und die das Gesetzlose tun, sind noch nicht weggenommen. Der Acker kann jetzt noch nicht vom Unkraut gereinigt sein; er wartet auf die Engel, welche zur Zeit der Ernte es tun werden. Die Heiligen ihrerseits sind einfach den von Gott verordneten obrigkeitlichen Gewalten untertan, wissend, dass Er zu Seiner Zeit in ihrer Mitte richten wird. (Vergleiche Röm. 13, 1 mit Psalm 82, 1.)

Es liegt also eigentlich eine Verachtung der Heiligkeit Gottes darin, diese böse Welt mit ihrem Schmuck und ihrer Pracht, ihren Reichtümern und Hilfsquellen darzustellen, wie eine Ausstellung es tut. Und ihr Christen, bedenkt es, es liegt darin auch eine Verachtung der Leiden Christi und ein Vergessen der Ungerechtigkeiten, die Er ertragen musste.

Kann derjenige, der diesem Herrn dient, sich daran beteiligen, wenn die, welche Ihn, den geliebten Sohn Gottes, hinausgeworfen haben, das ausstellen, was sie produzieren und was ihre geschickten Hände bilden können? Kann er noch Sein Knecht sein, wenn er auf diese tatsächliche Weise die Schmach und Schande vergisst, die sein Herr von ihnen empfangen hat? Nein; er kann ein sehr nützliches Glied der Gesellschaft sein und seiner Generation vielleicht treffliche Dienste leisten. Aber er kann nicht im eigentlichen Sinne des Wortes ein Knecht Christi sein, sobald er dessen Verwerfung durch die Welt vergisst. Und wenn er seitens der Bürger, die sich dieser Tat schuldig gemacht haben (Luk. 19), die Einladung annimmt, sich mit ihnen an der Ausstellung ihrer Werke zu freuen, so offenbart er dadurch seinerseits die größte Vergesslichkeit und Gleichgültigkeit.

Es ist schon etwas, worüber das Kind Gottes trauern und sich demütigen soll, dass so viel Lauheit und Inkonsequenz sich mit dem Andenken an das, was unser Herr war und litt, vereinigen kann. Wenn wir aber in unserer Seele so weit von Ihm entfernt sind, dass wir uns mit den Menschen auf der ganzen Erde in dem großen, gemeinsamen Unternehmen vereinigen können, die Werke und Herrlichkeiten der Welt auszustellen — also auf Grund der Zusammengehörigkeit mit der Menschheit und deren Fortschritt in voller Gemeinschaft mit allen zu handeln — so ist das in der Tat eine Vermischung des Lichtes mit der Finsternis, des Christus mit Belial. Es bedeutet so viel, als ob wir sagten: Lasst uns für eine Zeit lang die unveränderlichen Rechte des Herrn Jesus und Seine Leiden vergessen und uns festlich vereinigen mit der Welt, die Ihn verworfen hat!

Kann es sein, dass die Heiligen so wenig Augensalbe von Christus gekauft haben, um in einer solchen Blindheit des Geistes verharren zu können? „Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein." Als Daniel mit seinen Gefährten in der heidnischen Stadt ankam, nahm er sich in seinem Herzen vor, sich nicht zu verunreinigen mit der seinen Speise des Königs. (Dan. 1, 8.) Er wusste nicht, was dies ihn möglicherweise kosten würde, aber nichts destoweniger war dies sein Entschluss. Er besaß diese Augensalbe, ehe er sich unter denen befand, die Gott nicht kannten, und durch die Kraft des Herrn blieben er und seine Freunde treu. Der feurige Ofen und die Löwengrube waren Zeugen der Siege dieser Männer, die sie in der Kraft Christi erlangten. „In diesem allem aber sind wir mehr als Überwinder durch den, der uns geliebt hat." Auch in die Festhalle Belsazars trat Daniel eben so sehr als Sieger ein, wie später in die Löwengrube. Er hatte durchaus nichts mit dem zu tun, was darin vorging, und hielt sich, wie wir gesehen haben, völlig abgesondert, bis er dorthin berufen wurde, wo der König sich befand, der ihm dann versprach, ihn als den „dritten Herrscher im Königreiche" einzusetzen. Aber „deine Gaben seien für dich selbst und deine Geschenke gib einem anderen", antwortet der Knecht Christi.

Welch edle Haltung eines Mannes Gottes! Es wäre eine moralische Unmöglichkeit gewesen, dass ein solcher Mann die Einladung zu diesem Feste hätte annehmen können. Und das Licht Christi, das in ihm war, machte ihn noch zu weitern Dingen fähig, während er sich in diesem Palast aufhielt, wo die Freuden der Welt genossen wurden. Die Sprache der Worte auf der Mauer war an und für sich selbst durchaus nicht unverständlicher für die Weisen Babylons als für Daniel, im Gegenteil möchte ich behaupten, dass das Lesen derselben ihnen weniger Schwierigkeit machte als ihm, musste doch ein Chaldäer mit diesen Ausdrücken allerwenigstens ebenso bekannt sein wie ein Hebräer. Und doch konnten weder Weise noch Schriftgelehrte des königlichen Hofes sie deuten. Sie waren moralischerweise dafür unfähig. Und was ist heutzutage das einzige, was uns klare Einsicht und Verständnis geben kann? Ein einfältiges Auge, das auf Christus gerichtet ist. Wenn wir die Dinge an irgend etwas außer an Christus prüfen wollen, so wird unser Prüfstein gewiss uns trügen. Eine Sache kann uns gut, schön und wünschenswert erscheinen, wenn wir nur an das allgemeine Wohl oder die Vervollkommnung des Menschen denken. Untersuchen wir sie aber in dem Lichte eines verworfenen Jesus, so verliert sie ihren Reiz für uns. Als Daniel in jenem geräuschvollen Saale stand, da betrachtete und beurteilte er die ganze, ihn umgebende Szene in ihrer Beziehung zu Gott. Er spricht zu dem König von den Wegen Gottes mit seinem Vater, Nebukadnezar, von dessen Demütigung unter Gottes Hand, von seiner, Belsazars, Herzenshärte, seinem Stolz und Unglauben, von der schrecklichen Verachtung, welche er Dem entgegengebracht, der solche Wunder gewirkt hatte. Das alles war für Daniel der Schlüssel, der ihm, natürlich unter dem Einfluss des Geistes Gottes, die Bedeutung der Worte an der Wand erschloss — aber der Prophet hatte sich selbst schon Rechenschaft gegeben über die wirkliche Natur des königlichen Mahles, weil er es Gott gemäß beurteilte. Nach Daniels Gedanken konnte die Inschrift von nichts anderem sprechen als von Gericht, obschon scheinbar nichts weiteres vorhanden war, als des Königs Geladene, eine Anzahl Herren und Frauen, die in diesem Saale die Lust der Welt genossen.

O du, der du Christus angehörst, salbe deine Augen mit Augensalbe, „auf dass du sehest." So köstlich es ist, dies zu tun, so ist damit doch durchaus nicht gesagt, dass es leicht sei. Wir sind so geneigt, die Dinge nach ihren Beziehungen zu uns, und nicht nach ihren Beziehungen zu Christus zu beurteilen. Wir denken viel lieber an den Fortschritt der Welt, als an die Verwerfung Christi, sprechen eher von dem Genie und der Geschicklichkeit des Manschen, als von seinem unheilbaren Abfall. Aber wenn uns diese Augensalbe, ohne welche wir nicht sehen können, fehlt, so können wir die eigentliche Natur des Festes nicht unterscheiden, noch die Inschrift auf der Mauer entziffern.

Sie mangelte auch den Jüngern damals, als sie vom Ölberge aus mit Bewunderung den Tempel betrachteten. Sie sahen das schöne Gebäude mit ihren Augen, aber nicht mit den Augen Christi an. Er aber betrachtete es vom göttlichen Standpunkt aus, und so herrlich und kostbar es auch dastand, so war doch Sein Gericht schon darüber ausgesprochen, und Jesu eigene Worte hatten an dieser Mauer gegenhallt: „Jerusalem, Jerusalem! .... Siehe, euer Haus wird euch wüste gelassen werden." Das stand hier sozusagen geschrieben, verzeichnet mit der gleichen göttlichen Autorität wie der Urteilsspruch gegen Belsazar und sein Mahl. Und während die Jünger noch die Schönheit der Steine betrachten, schreibt Jesus ihn durch Seine Antwort auf ihre Frage zum zweiten Male hin, als Er ihnen geduldig entgegnete: „Wahrlich, ich sage euch: es wird hier nicht ein Stein auf dem anderen gelassen, der nicht abgebrochen wird."

Es ist traurig zu sehen, wie wenig Verständnis der Gedanken des Herrn die Jünger hatten, in einem Augenblick, wie jener es war. Aber es ist noch viel trauriger, dem gleichen Mangel an Verständnis heutzutage zu begegnen, wo der Grund davon nur in der Blindheit und Verweltlichung unsrer Herzen zu suchen ist.

Die Könige der Erde und ihre Kaufleute und die Schifffahrer werden wehklagen über den Fall Babylons. Wir können uns nicht darüber wundern, denn sie beweinen ihr eigenes Unglück. Sie hatten mit ihr üppig gelebt, wie konnten sie sie denn betrachten, wie der Himmel sie betrachtete? Gott ist „eingedenk worden ihrer Ungerechtigkeiten", aber sie sind ihrer eingedenk als einer Stadt, „in welcher, durch die Macht ihrer Üppigkeit, reich wurden alle, die Schiffe auf dem Meere hatten." Daher wehklagen sie, während der Himmel fröhlich ist. Die Festgäste zittern, wenn der Himmel sein Urteil über das Fest kundgibt. Aber es ist überaus traurig, dass Heilige „die Üppigkeit", welche der Himmel schon gerichtet hat, bewundern können.

O Geliebte, lasst diese Worte nicht nur an eure Ohren tönen und die Handschrift Gottes vor eure Augen kommen. Lasst uns von Ihm „Augensalbe" kaufen, auf dass wir sehen. Bitten wir Ihn um die geistliche Kraft, das königliche Fest, die Herrlichkeit der Völker, den Fortschritt der Welt, das Jubiläum Babylons im Lichte des verworfenen Sohnes Gottes zu beurteilen, von dem die Welt auch jetzt noch sagt: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche." Und wenn unsre Herzen nicht ganz aufgehört haben, für Ihn zu schlagen, wenn nicht alle Treue gegen Ihn daraus gewichen ist, werden wir dann fortfahren können, uns des gegenwärtigen Zeitlaufs zu rühmen und teil zu nehmen an seiner stolzen Pracht und seinen Vergnügungen?


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