JGB- Jesus im Umgang mit Seinen Jüngern


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andere Schriften von J.G. Bellett

Wir alle wissen, auf wie vielfache Weise unsere Brüder und Schwestern im Herrn uns oft wehe tun und unsere Geduld auf die Probe stellen, und ohne Zweifel bereiten wir ihnen die nämlichen Schwierigkeiten und Betrübnisse. Irgendwelche schlimmen Eigenschaften, welche wir in einander sehen oder zu sehen glauben, wollen es uns schwer erscheinen lassen, uns gegenseitig zu ertragen, oder gemeinschaftlich unseren Weg zu gehen. Aber wenn wir unseren Herrn Jesus Christus betrachten, so finden wir, dass Sein Herz in den Tagen Seines Fleisches gerade auf dieselbe Weise durch die Jünger betrübt und beschwert wurde, wie das unsrige oft durch unsre Mitjünger. Und dennoch setzte Er in Gemeinschaft mit ihnen Seinen Weg fort, indem Er sich nicht vom Bösen überwinden ließ, sondern das Böse in ihnen überwand mit dem Guten, das in Ihm war. Es wird uns vielleicht nützlich sein, uns an einige dieser bei ihnen sich zeigenden bösen Dinge zu erinnern, welche den Herrn betrübt haben müssen, und deren Einfluss auf unsere eigenen Gedanken und Gefühle anderen gegenüber wir wohl kennen und beständig erfahren.

Eitelkeit in anderen berührt uns sehr unangenehm, ein selbstzufriedenes, von sich selbst eingenommenes Wesen, oder eine Sucht, von anderen bewundert zu werden, sind uns sehr gegenlich. Der Herr hatte diesen Geist in Seinen Jüngern zu ertragen, auch Seine Mutter und Seine Brüder verrieten ihn (Joh. 2 und 7). Auch Petrus war so voll Selbstvertrauen als er sagte: „Wenn sich auch alle ärgern werden, ich aber nicht." Ja alle die Jünger zeigten diese Gesinnung, als sie stritten, wer unter ihnen der Größte sei, wie auch als sie denjenigen wehrten, welche nicht mit ihnen nachfolgten.

Üble Laune ist eine sehr verdrießliche Sache, welche uns schnell beeinflusst. Martha war davon befallen, als sie sich bei dem Herrn über ihre Schwester beklagte. Unfreundlichkeit gegen uns oder andere reizt uns sehr zum Unwillen. Dieser Geist zeigte sich oft bei den Jüngern, wie wir aus Stellen wie Matth. 15, 23; 19, 13 klar sehen. Auch die Frage Petrus (Matth. 18, 21) hatte zweifelsohne ihren Ursprung nicht in gütigen, wohlwollenden Gedanken.

Kalte Gleichgültigkeit gegen andere und selbstsüchtige Sorge in Bezug auf sich selbst sind uns sehr gegenwärtig und schwer zu ertragen. Jesus hatte genug davon in Seinen Jüngern zu erdulden. Er hatte sie gebeten, mit Ihm zu wachen, und fand sie schlafend; als Er von Seinem Tode sprach, dachten sie an ihre Stellung und Ehre im Reich; als Er von Seinem Fortgehen redete, fragte Ihn keiner, „wohin gehst Du" ? und beim Sturm auf dem See war es ihre eigene Sicherheit, um die ihnen bange war. Dies sind Beispiele großer Gleichgültigkeit gegen Ihn.

Unwissenheit in anderen macht uns leicht ungeduldig. Ach wer fand je größere Unwissenheit bei denen, welche Er beständig zu belehren suchte, als der Herr? Die einfachsten Lektionen schienen sie oft nicht gelernt zu haben, und wenn Er auf geistliche oder bildliche Weise zu ihnen sprach, so nahmen sie es buchstäblich auf, und baten Ihn um Erklärung der einfachsten Gleichnisse.

Ungeistlichkeit in unseren Mitjüngern beschwert uns oft und macht unser Herz traurig. Wie fortwährend litt der Herr Jesus durch diesen ungeistlichen Sinn unter den Seinigen; und Er irrte sich nie in der Beurteilung desselben, da Er das Licht war, während wir uns oft täuschen und aus Eitelkeit oder Selbstüberschätzung solche, die nicht unsere Ansichten teilen, für ungeistlich halten.

Dies sind einige der mannigfachen Weisen, auf welche die Jünger das Herz und die Geduld ihres göttlichen Meisters auf die Probe gestellt haben müssen, und wir sehen, dass sie denselben Neigungen und Schwächen entsprangen, durch welche wir einander so vielfach den gemeinsamen Weg erschweren. Es mag uns freilich scheinen, als ob diese verschiedenen bösen Neigungen in den angeführten Beispielen nur sehr schwach zu Tage träten; aber dann müssen wir uns erinnern, wie rein und vollkommen der Sinn des Herrn Jesu war, und dass Sein zarteres Gefühl selbst durch eine schwache Kundgebung des dem Menschen innewohnenden Bösen ebenso sehr oder noch mehr verletzt wurde, wie wir durch einen starkem Ausbruch desselben.

Wie tröstlich ist es doch, den Herrn auch in solchen Prüfungen uns vorangehen zu sehen! Aber Er ist uns nicht in denselben vorangegangen, ohne uns zugleich das Beispiel des Siegens über sie zu hinterlassen, und gerade darin sollen wir „Seinen Fußstapfen nachfolgen." Denn Er ist nicht nur unser Vorbild in der Art, wie Er sich Seinen Feinden gegenüber benahm, sondern wie Er mit Seinen Jüngern verkehrte. Er der „nicht wieder schalt, da Er gescholten ward, nicht drohte, da Er litt", hat uns gleicherweise auch ein Beispiel gelassen durch das geduldige Vorangehen mit Seinen Jüngern, trotz all ihrer Unarten, Fehler und Mängel. Wir sind zu Ihm zurückgekehrt, „dem Hirten und Aufseher unsrer Seelen", und sollen zu Ihm schauen als unserm Vorbild in unserm Benehmen gegen alle, seien es Feinde oder Brüder (1 Petr. 2, 21—25). Er ließ sich, wie schon gesagt, nie überwinden von dem Bösen, das in anderen war, sondern überwand stets das Böse durch das Gute, das Ihm innewohnte (Röm. 12, 20).

So litt Jesus seitens Seiner Jünger, und so siegte Er. Wie bereit sind dagegen unsre selbstsüchtigen Herzen, zu denken, dass wir das Recht haben, uns von solchen fern zu halten, die uns nicht gefallen oder uns nicht zusagen. Aber so war es nicht mit Jesu. Der Hochmuth, die Gleichgültigkeit, die schlechte Laune, die Unwissenheit und Ungeistlichkeit, welche die Jünger immer wieder an den Tag legten, brachten Ihn nicht dazu, sich von ihnen zu trennen. Nein, am Ende des gemeinschaftlich zurückgelegten Weges steht Er ihnen so nahe wie je zuvor, Joh. 13—17). Sie verursachten Seinem Herzen viel Mühe und nahmen Seine Geduld beständig in Anspruch; Er hatte sie zu warnen und zu belehren, zu tadeln und zu strafen; aber Er gab sie nie auf. Teurer, gesegneter Herr, wie vollkommen warst Du, wie unveränderlich Deine Liebe zu den Deinigen! (1 Joh. 2, 3.)


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