JND- Was lehrt die Schrift über das zukünftige Gericht?


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Zuerst, dass das unabwendbare und endgültige Gericht dem Sohne übergeben ist.

„Denn der Vater richtet auch niemanden, sondern das ganze Gericht hat Er dem Sohne gegeben, auf dass alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren." (Joh. 5, 22 u. 23.) Der Vater „hat Ihm Gewalt gegeben, auch Gericht zu halten, weil Er des Menschen Sohn ist." (Vers 27.)

Was jedoch unsre Fremdlingschaft in dieser Welt betrifft, so richtet uns jetzt der Vater im Sinne von 1. Petrus 1, 17—19: „Und wenn ihr Den als Vater anrufet, der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeden Werk, so wandelt die Zeit eurer Fremdlingschaft in Furcht, indem ihr wisset, dass ihr nicht mit verweslichen Dingen . . . erlöst worden seid . . ., sondern mit dem kostbaren Blute Christi". Dieses Gericht wird gemäß der Heiligkeit Seines Charakters dem Bösen gegenüber und gemäß Seiner väterlichen Fürsorge, die auf unsere Heiligkeit bedacht ist, ausgeführt, wie geschrieben steht: „Heiliger Vater, bewahre sie in Deinem Namen" usw. (Joh. 17, 11.) Und so sollten wir uns selbst richten; unterlassen wir dies aber, so werden wir von dem Herrn gerichtet. In dieser Hinsicht kommt Seine Regierung in Frage (1. Kor. 11, 31 u. 32), Er züchtigt uns. (Vergleiche Hiob 33 u. 36.)

Christus richtet die Lebendigen und die Toten bei Seiner Erscheinung und bei Seinem Reiche. (2. Tim. 4, 1.) Gegenwärtig haben wir nicht die Zeit des Gerichtes Christi, es sei denn dass Er dasselbe als Herr über Sein Volk zu ihrem Wohle ausübt, wie wir soeben gesehen haben. Die Welt lebt in der Zeit der Gnade. Der Umstand, dass die Juden als Nation verworfen sind, ist den Wegen Gottes gemäß die Versöhnung der Welt (Röm. 10, 15), die wohlannehmliche Zeit, der Tag des Heils geworden. Natürlich kann Gott jederzeit durch Gerichte eingreifen, ja sogar, wenn es Ihm gefällt, durch sehr schwere, wie Er sie einst in der Sündflut über den Menschen brachte; doch wir wissen, dass nicht ein Sperling auf die Erde fällt ohne Ihm Dennoch ist die gegenwärtige Zeit die Zeit der Gnade für die Welt. Wenn Er dagegen erscheint und das Reich aufrichtet, wird die Zeit des Gerichts beginnen, wie es in den Psalmen seinen Ausdruck findet, z. B.: „Denn zur Gerechtigkeit wird zurückkehren das Gericht, und alle von Herzen Aufrichtigen werden ihm folgen." (Pf. 94, 15.) Obgleich in dem Kreuze unendlich Größeres gewirkt und göttliche Gerechtigkeit aufgerichtet wurde, so gelangte dieselbe trotzdem in dieser Welt nicht zur Herrschaft, sondern das Gegenteil. Die Gerechtigkeit war seinerzeit in der Person Christi, das Gericht aber in den Händen des Pilatus oder der Obersten der Juden. Wenn Christus erscheint, um Sein Reich anzutreten, so werden Gericht und Gerechtigkeit auf Erden in einer Hand ruhen. In Psalm 94 lesen wir: „Gott der Rache, Jehova, Gott der Rache, strahle hervor! Erhebe Dich, Richter der Erde, vergilt den Hoffärtigen ihr Tun! Bis wann werden die Gesetzlosen frohlocken, werden übersprudeln, Freches reden, sich rühmen 'alle, die Frevel tun?" Christus kommt, die Erde zu richten: Er wird den Erdkreis richten in Gerechtigkeit". Ps. 96, 13.) Er hat einen Tag gesetzt, „an welchem Er den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch einen Mann, den Er dazu bestimmt hat". (Apg. 17, 31.)

Wenn der Herr die Toten richtet, kommt Er überhaupt nicht auf diese Erde, denn die Schrift sagt: „Und ich sah einen großen weißen Thron und Den, der darauf saß, vor dessen Angesicht die Erde entfloh und der Himmel, und keine Stätte ward für sie gefunden. Und ich sah die Toten, die Großen und die Kleinen, vor dem Throne stehen, und Bücher wurden aufgetan". (Offb. 20, 11 u. 12.) Jedwedes Kommen Seinerseits ist hiernach ausgeschlossen. Auf dem großen weißen Throne sitzt Einer, und Erde und Himmel fliehen von Ihm hinweg. Bei dem Gericht der Toten findet somit kein Kommen Christi statt. Nach diesem Gericht übergibt Er das Reich dem Gott und Vater, aber nicht eher. (Vergl. 1. Kor. 15, 24.) ... Es gibt indes noch ein anderes Gericht, nämlich das der Lebendigen (das Gericht dieser Welt), das auszuführen Christus kommen wird; vor welchem sie wie in den Tagen Noahs und Lots essen, trinken, kaufen, verkaufen, pflanzen, bauen, heiraten und verheiratet werden, bis jener Tag wie ein Dieb in der Nacht über sie kommt. Es ist klar, dass hier von einem ganz anderen Gericht die Rede ist, als von demjenigen vor dem großen weißen Throne, wo es kein Kaufen und Verkaufen mehr geben wird, aus dem die Menschen plötzlich herausgerissen werden.

Wenn Christus zum Gericht kommt, wird es jedoch solche geben, „welche Strafe leiden werden, ewiges Verderben vom Angesicht des Herrn und von der Herrlichkeit Seiner Stärke, wenn Er kommen wird, um an jenem Tage verherrlicht zu werden in Seinen Heiligen und bewundert in allen denen, die geglaubt haben". (2. Thess. 1, 9 u. 10.) Zu diesem Gericht der Lebendigen wird Christus kommen und erscheinen. Dann werden auch die heiligen Engel mit Ihm kommen, wie wir aus Vers 7 des soeben angeführten Kapitels, sowie aus Luk. 9, 26 ersehen: „wenn Er (der Sohn des Menschen) kommen wird in Seiner Herrlichkeit und der des Vaters und der heiligen Engel." Ich könnte noch mehr solche Schriftstellen anführen, doch die vorstehenden sind hinreichend klar.

Dies führt uns zu der weiteren Tatsache, dass der Herr hierbei Seine Heiligen mit sich bringt, wie aus folgendem hervorgeht: „Wenn der Christus, unser Leben, geoffenbart wird, dann werdet auch ihr mit Ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit." (Kol. 3, 4.) „Also wird auch Gott die durch Jesus Entschlafenen mit Ihm bringen." (1. Thess. 4, 14.)*)

*) Wenn man dieses Kapitel seinem inneren Zusammenhänge nach genauer untersucht, so wird man finden, dass die Verse 15—18 desselben eine Einschaltung bilden, in der eine besondere Offenbarung gegeben wird. Der Apostel enthüllt darin die Wahrheit der Entrückung, die es ermöglicht, dass die Heiligen beim Herrn sein werden, um dann mit Ihm zu erscheinen in Seinem Reiche. (V. 11.)

Kapitel 5 zeigt, dass dies die Zeit des Gerichts der Sorglosen auf der Erde sein wird. Diese Wahrheit von dem Kommen der Heiligen mit Christus bei Seiner Erscheinung zum Gericht der Lebendigen, findet ihre ausführliche und völlige Bestätigung in der Heiligen Schrift. Sogar im Alten Testament lesen wir: „Und kommen wird Jehova, mein Gott, und alle Heiligen mit Dir" und zwar an dem Tage, wo „Jehova König sein wird über die ganze Erde." (Sach. 14, 5 bzw. 9.) Ebenso lesen wir in Judas: „Siehe, der Herr ist gekommen inmitten Seiner heiligen Tausende, Gericht auszuführen gegen alle." (Vers l4 u. 15.) Nicht die Engel allein sind es, von denen hier die Rede ist, wie aus einigen der angeführten Stellen, wenn auch ohne triftige Gründe, behauptet werden könnte, obwohl auch sie sicherlich kommen werden, denn weder Kol. 3, 4 noch 1. Thess. 4 oder Offb. 17, 14, wo es heißt: „und die mit Ihm find Berufene und Auserwählte und Treue", lassen eine solche Auslegung zu, und auch Offb. 19 kann nicht in dieser Weise angewandt werden. Dort, wo Seine Wiederkunft näher beschrieben wird, wird uns ausdrücklich gesagt, dass die feine Leinwand die Gerechtigkeiten der Heiligen sind. Wenn der Herr als „König der Könige" kommt, um das Tier und seine Heere zu richten und zu vernichten, wird Satan gebunden, und Seine Heiligen werden auf Thronen sitzen, und es wird ihnen gegeben, Gericht zu halten, denn die Heiligen werden die Welt, ja sogar Engel richten. (1. Kor. 6, 2 u. 3.) Auch in Jes. 66, 15 und folgende finden wir dieses Gericht der Lebendigen mit der feierlichen Erklärung: „Es kommt die Zeit, alle Nationen und Sprachen zu versammeln; und sie werden kommen und meine Herrlichkeit sehen. Und ich werde ein Wunderzeichen an ihnen tun und werde von ihnen Entronnene an die Nationen senden". Daraus geht hervor, dass bei dem Gericht der Lebendigen einige errettet werden. Dies zeigt in Bezug auf die Juden Sach. 13, die zehn Stämme Hes. 20 und Gog Hes. 39. Es kann nichts schaden, wenn ich hier noch eine andere Stelle, Joel 3, 11—16, anführe, die sich ebenfalls auf das Gericht der Lebendigen bezieht: „Eilet und kommet her, alle ihr Nationen ringsum, und versammelt euch! Dahin, Jehova, sende Deine Helden hinab! Die Nationen sollen sich aufmachen und hinabziehen in das Tal Josaphat; denn dort werde ich sitzen, um alle Nationen ringsum zu richten. Leget die Sichel an, denn die Ernte ist reif; kommet, stampfet, denn die Kelter ist voll, die Kufen fließen über! Denn groß ist ihre Bosheit. — Getümmel, Getümmel im Tale der Entscheidung; denn nahe ist der Tag Jehovas im Tale der Entscheidung. Die Sonne und der Mond verfinstern sich, und die Sterne verhalten ihren Glanz. Und Jehova brüllt aus Zion und lässt aus Jerusalem Seine Stimme erschallen, und Himmel und Erde erbeben. Und Jehova ist eine Zuflucht für Sein Volk und eine Feste für die Kinder Israel." Und zum Schluss redet der Prophet noch von der dauernden Segnung Jemsalems.

Wollte ich auf Einzelheiten eingehen, so würde ich zu viele Schriftstellen anzuführen haben und dadurch den Leser vielleicht von der Hauptsache ablenken. Mit einem irdischen Gericht waren die Juden bekannt, weniger mit einem Gericht der Toten. Bei uns ist es umgekehrt; viele kennen das Gericht der Toten, nicht aber das Gericht der Lebendigen. Daher war es notwendig, eine größere Zahl derartiger Schriftstellen anzuführen. Die letzte derselben bezieht sich, wie überhaupt alle, die von dem Gericht der Lebendigen handeln, auf die Zeit, wo Jehova die Gefangenschaft Judas und Jerusalems wenden wird, und Gott alle Nationen versammelt und sie in das Tal Josaphat * Josaphat bedeutet: Rute oder Gericht Jehovas.

hinabführt, um daselbst mit ihnen über Sein Volk und Erbteil zu rechten. (Joel 3, 1 u. 2.) Die Psalmen 93 bis 100 schildern diese Ereignisse im Allgemeinen und lassen dabei die herrliche Berufung an alle die ergehen, die Ohren haben zu hören, von der auch in Offb. 14, 6 u. 7 die Rede ist unter dem Hinweis auf die kommenden Gerichte. Das Gleichnis von den Schafen, Böcken und den Brüdern (Matth. 25) beschreibt ebenfalls das Gericht der Nationen, genau genommen aber nicht die Vernichtung des Tieres und seiner Heere sowie des falschen Propheten. Dieses Gericht wird Christus, wenn Er vom Himmel kommt, im Kampfe mit ihnen Vollstrecken. „Und Er richtet und führt Krieg in Gerechtigkeit" in Offb. 19, 11 deutet auf die Vernichtung derer hin, die von Satan angestachelt, sich wieder Christus erheben.

Aber außer diesem Gerichts-Kampfe findet noch eine Gerichts-Sitzung statt, wenn Er nach der Vernichtung des Tieres und des Antichristen den Thron Jehovas aus dieser Erde zu Jerusalem bestiegen hat, denn Jerusalem wird man den Thron Jehovas nennen. (Jer. 3, 17.)

Lasst uns nun die Stelle aus Matthäus näher in Augenschein nehmen, und zwar um deswillen, weil viele sie als eine Beschreibung des allgemeinen Endgerichts auffassen, eine Annahme, die der Schrift völlig fremd ist; sie zeigt uns vielmehr einzig und allein das Gericht der Heiden oder Nationen; dasjenige irgend welcher Toten steht ganz außer Frage. Am Schluss von Matthäus 23 wendet sich der Herr an die Bewohner von Jerusalem und erklärt, dass ihnen ihr Haus wüste gelassen werden soll, und dass sie Ihn hinfort nicht mehr sehen würden, bis dass sie sagten: „Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!" (Vers 37—39.) Alsdann gibt der Herr im 24. Kapitel eine Beschreibung von allem, was in Verbindung mit dem Zeugnis unter den Juden stand, bis Er wiederkommt und sie „den Sohn des Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit Macht und großer Herrlichkeit!" (Vers 30.) Weiter ermahnt Er Seine Jünger und stellt ihnen in drei Gleichnissen die Verantwortlichkeit der Gläubigen während Seiner Abwesenheit vor (Kap. 24, 45—25, 30); Er zeigt hierbei, dass durch den Verzug Seiner Wiederkunft 1. priesterliche Anmaßung und Weltlichkeit in der Versammlung Platz greifen (siehe Vers 48 u. 49), wie es auch geschehen ist, und 2. sogar wahre Gläubige Seine Wiederkunft vergessen, hinsichtlich der Erwartung derselben einschlafen, durch den Mitternachtsruf: „Siehe, der Bräutigam!" aber wieder aufgeweckt werden (Kap. 25, 1—13); und schließlich zeigt Er in dem Gleichnis von den Pfunden, wie der Dienst der Gläubigen (nämlich der Gebrauch der Gaben, die ihnen der Herr bei Seinem Weggang, um ein Reich zu empfangen, anvertraut hat) beurteilt wird.

Das, was das jüdische Volk betrifft, ist in Matthäus 24, 1—31 eingehend behandelt; aus den dann eingeschalteten Ermahnungen und Gleichnissen ersehen wir das, was sich für die Gläubigen inzwischen, im Blick auf die Wiederkunft des Herrn, geziemt; mit dem 31. Verse des 25. Kapitels aber wird der geschichtliche Teil in Verbindung nur dieser Wiederkunft für Sein Volk Israel wieder ausgenommen. „Wenn aber der Sohn des Menschen kommen wird in Seiner Herrlichkeit und alle Engel mit Ihm" . . . Dies wird keine schnell vorübergehende Erscheinung gleich einem Blitze sein (Kap. 24, 27), sondern Er wird „auf Seinem Throne der Herrlichkeit sitzen; und vor Ihm werden versammelt werden alle Nationen". Bisher war von Israel und den Christen die Rede; das Evangelium des Reiches (Kap. 24, 14) sollte ausgebreitet werden zu einem Zeugnis an alle Nationen (d. s. die Heiden), und dann erst sollte das Ende kommen, nämlich das Ende der gegenwärtigen Zeitperiode. Nun war es da, und die Nationen, die Lebendigen, wurden gerichtet, je nachdem sie die Boten, die ihnen das Evangelium des Reiches verkündigt, ausgenommen hatten. (Kap. 25, 40.) Es ist ein Irrtum, bei dieser Schriftstelle nur von zwei Klassen zu reden, wie es so oft geschieht. Unser Abschnitt enthält deren drei, die Schafe, die Böcke und die Brüder des Herrn. Die Böcke haben die letzte Ankündigung des Reiches (Kap. 24, 14) verachtet und werden verdammt. Die Schafe dagegen hatten das Evangelium ausgenommen und gehen in die Segnungen ein; was sie an den Brüdern des Herrn getan hatten, wird ihnen angerechnet, als ob sie es dem Herrn selbst getan hätten: Die Auferstehung wird hier mit keinem Worte erwähnt. *) Man beachte, dass der alleinige Anlass zum Gericht die Art der Aufnahme der Boten Christi ist, sodass sich dasselbe unmöglich auf die gesamte Masse der heidnischen Völker, mit einem Wort auf die ungeheuere Menge aller Menschen erstrecken kann.

Dieses Gericht umfasst die Nationen (oder Heiden) auf der Erde und wird stattfinden, wenn Christus als König kommt, um auf der Erde zu herrschen, und als solcher wird Er es vollführen. Das ist die ausdrückliche Darstellung der Schrift, ein Ereignis, das oft von den Propheten besprochen wird.

Ich habe bei dieser Stelle länger verweilt, weil sie die althergebrachten Überlieferungen behandelt, die die Seelen hindern, die klaren und bestimmten Zeugnisse des Wortes Gottes aufzunehmen. Wir haben es hier einzig und allein mit dem Gericht der auf der Erde lebenden Nationen zu tun, denn wenn Christus kommt und in Herrlichkeit erscheint, so kommt Er auf diese Erde. Er wird sowohl die Lebendigen als auch die Toten richten. Was erstere betrifft, so wird jener Tag, wenn sie noch essen und trinken, kaufen und verkaufen werden, „wie ein Fallstrick .... kommen über alle, die auf dem ganzen Erdboden ansässig sind." (Luk. 21, 35.)

Auf noch viele Einzelheiten könnte ich näher eingehen z. B. auf das Gericht des jüdischen Volkes und Jerusalems, das Gericht des Tieres (Offb. 19, 20) und das Gericht Gots in Idumäa, die ihren Einzelheiten und ihrem Wesen nach alle voneinander abweichen. Man könnte sogar das Gericht der Juden, die, weil sie Christus verwerfen, den Antichristen aufnehmen werden, und dasjenige der zehn Stämme, die sich keiner von diesen beiden Sünden schuldig gemacht haben, unterscheiden, doch dies würde mich viel zu weit von meinem Gegenstände abführen. Es genügt zu sagen, dass Matthäus 25 die Gerichts-Sitzung über die Nationen beschreibt, die der Sohn des Menschen, wenn Er kommt, abhalten wird, und dass dieselbe mit dem Gericht der Toten ganz und gar nichts zu tun hat.

Lasst uns nun untersuchen, inwieweit und in welcher Weise ein Gericht auf die Gläubigen der Jetztzeit, die Genossen der himmlischen Berufung, Anwendung findet. Zunächst sind sie von dem Gericht der Lebendigen und auch dem der Toten (das erste findet bei der Erscheinung des Herrn, also zu Beginn Seines Reiches statt, das letzte bevor Er dasselbe dein Gott und Vater übergibt) offenbar gänzlich ausgeschlossen, denn wenn Er erscheint, so werden sie mit Ihm erscheinen in Herrlichkeit; ja sie werden Ihn begleiten, wenn Er kommt, das Gericht auszuführen. (Kol. 3, 4; 1. Thess. 4; Offb. 19.) Eine schlagende Bestätigung hierzu liefern die Vorgänge in Offenbarung 4, wo Johannes einen Thron erblickt, und zwar nicht einen Thron der Gnade, sondern des Gerichts; Blitze, Stimmen und Donner- gehen von ihm aus. Rings um diesen Thron her sitzen vierundzwanzig Älteste, die Könige und Priester sind (Kap. 5, 10), auf vierundzwanzig Thronen; sie stellen die auferstandenen Heiligen dar. Es wird nicht nötig sein, hier die vielen Stellen, die sich auf das Kommen der Gläubigen m i t dem Herrn beziehen, nochmals anzuführen, sondern allein die, die unseren Gegenstand behandeln, auf die wir aber noch nicht hingewiesen haben.

Lasst uns nun vor allem die Tatsache anerkennen, dass wir uns dem Urteil Gottes zu unterwerfen haben und Seines Gerichts gewärtig sein müssen, da auch wir Gott verantwortlich sind. Das ist eine große Grundwahrheit, auf der sowohl die Errettung als auch der kommende Zorn beruht, und diese Wahrheit, darf um keinen Preis geschwächt werden. Es heißt: „Also wird nun ein jeder von uns für sich selbst Gott Rechenschaft geben" (Röm. 14, 12), und wiederum: „wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus geoffenbart werden, aus dass ein jeder empfange, was er in dem Leibe getan" (2. Kor. 5, 10); und ferner: „wir werden alle vor den Richterstuhl Gottes gestellt werden." (Röm. 14, 10.) Doch der Gläubige kommt dem allen durch die Gnade Gottes zuvor; er hat, von Gott unterwiesen, jenes Gericht als sein eigenstes Teil anerkannt; er weiß, dass in ihm, das ist in seinem Fleische, nichts Gutes wohnt (Röm. 7, 18), und hat im Geiste sagen lernen: „gehe nicht ins Gericht mit Deinem Knechte! denn vor Dir ist kein Lebendiger gerecht." (Psalm 143, 2.)

Mit einem Worte, das Urteil, das am Tage des Gerichts über die Gottlosen gefällt wird, hat der wahre Christ schon jetzt durch Glauben über seine Seele anerkannt. Er weiß, dass der, welcher nicht glaubt, schon gerichtet ist (Joh. 3, 18), er hat das Urteil: „Da ist kein Gerechter, auch nicht einer" (Röm. 3, 10), auf sich selbst angewandt; ja, wenn er seinen Zustand wirklich erkannt hat, ist er noch weiter gegangen und hat gelernt, was es heißt: „Die aber, welche im Fleische sind, vermögen Gott nicht zu gefallen." (Röm. 8, 8.) Alles in allem, der Gläubige hat kraft eines göttlichen Werkes in seiner Seele erkannt, was die Sünde in den Augen Gottes ist, d. h. als was sie sich am Richterstuhl erweist. Das Bewusstsein hiervon mag ein mehr oder weniger tiefes sein, aber wenn er überhaupt ein solcher ist, so hat sich dies bei ihm bewahrheitet. Sodann aber hat der Gläubige erkannt, dass Der, „der bereit ist, Lebendige und Tote zu richten" (1. Petr. 4, 5), — der Herr Jesus Christus — als Heiland jenem Tage zuvorgekommen und in Gnade ins Mittel getreten ist, noch ehe Er als Richter hervortritt; Er hat seine „Sünden an Seinem Leibe auf dem Holze getragen" (1. Petr. 2, 24) und so in gesegnetem Gehorsam und aufopfernder Liebe den Kelch des Zornes getrunken. Die Sünden, für die der Gläubige hätte gerichtet werden müssen, auf Grund deren er sicherlich zu Recht verdammt worden wäre, hat ein anderer getragen, und dieser Andere ist gerade Der, dem das Gericht übergeben ist. Wenn es sich nicht also verhielte, ginge auch er verloren. So aber erkennt er die Vollkommenheit dieses Werkes an, ja dass es vollkommen ist in jeder Hinsicht, denn Gott ist darin verherrlicht, sowohl in Seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit der Sünde gegenüber als auch in all Seiner Liebe zu dem Verlorenen. Der Gläubige erkennt an, dass wenn Christus das Werk nicht vollbracht und für alle den Tod geschmeckt hätte, dasselbe überhaupt nicht vollbracht werden kann, und dass Gott nie in Bezug auf die Sünde verherrlicht worden wäre. Ebenso weiß er, dass wenn seine Sünden nicht damals getilgt worden sind, sie es nie sein können, denn Christus lebt, um nie mehr zu sterben. Ja, er erkennt in der Tat an, dass es — nachdem Christus durch sich selbst die Reinigung der Sünden gemacht und durch ein Opfer auf immerdar vollkommen gemacht hat, die geheiligt werden — ein weiteres Opfer für Sünden nicht gibt, und dass Er sich auf immerdar gesetzt hat zur Rechten der Majestät in der Höhe. Es mag sein, dass er die Sünden, obgleich sie hinweggetan sind, jetzt viel tiefer fühlt, und so sollte es der Fall sein, — oder dass er mehr und mehr einsieht, was die Sünde ist, und je näher er Gott kommt, umso mehr ihre Schrecklichkeit und Abscheulichkeit kennen lernt, doch das Werk, das sie hinweggetan hat, ist vollbracht und kann nicht wiederholt werden. Und wenn der Gläubige vor dem Richterstuhle Christi geoffenbart wird, so steht er vor Dem, der alle seine Sünden hinweggetan hat. Christus müsste sich selbst verleugnen, wollte Er ihm irgendeine Sünde zurechnen.

In welchem Zustande aber wird der Gläubige vor dem Herrn erscheinen? — Dann ist er auferweckt in Herrlichkeit. (1. Kor. 15, 43.) Kein Gericht kann ihn treffen, das seine Stellung in der Herrlichkeit in Frage stellen könnte, denn er befindet sich bereits dort, wenn er vor dem Richterstuhl erscheint. Worauf erstreckt sich nun dieses Gericht? — Es beginnt, wenn Christus erscheint; Er wird „Lebendige und Tote" richten bei Seiner Erscheinung und Seinem Reiche (2. Tim. 4, 1); allein „wir wissen, dass, wenn es offenbar werden wird, wir Ihm gleich sein werden, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist." (1. Joh. 3, 2.) Wir sind „zuvorbestimmt, dem Bilde Seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit Er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern." (Röm. 8, 29.) „Wie wir das Bild dessen von Staub getragen haben, so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen." (1. Kor. 15, 49.) — Worin kann denn dann das Gericht bestehen, wenn wir dem Richter vollkommen gleich sind und Er selbst unsere Gerechtigkeit ist? — Von der Erkenntnis dieser Wahrheit hängt unser gegenwärtiges Glück in dieser Welt ab. „Hierin ist die Liebe*) mit uns vollendet

*) In 1. Joh. 4, 9 u. 10 finden wir Liebe zu uns als Sünder, damit wir Leben haben und unsere Sünden gesühnt werden; sodann, in Vers 12, Liebe in uns zu unserer Freude und dem Genuss unserer Segnungen, und in Vers 17 haben wir endlich die Vollendung der Liebe in Bezug auf uns, sodass wir Freimütigkeit haben am Tage des Gerichts.

worden, auf dass wir Freimütigkeit haben an dem Tage des Gerichts, dass, gleichwie Er ist, auch wir sind in dieser Welt." (1. Joh. 4, 17.) Eine bloße gute Hoffnung auf den Tag des Gerichts zu haben, ist, obschon wir alle erfahrungsgemäß diesen Zustand, wovon Röm. 7. redet, durchkosten, eine der Höhe der Wahrheit nicht entsprechende, haltlose Auffassung, die durch nichts gerechtfertigt werden kann. Wenn ich gerichtet werde, so ist die ewige Verdammnis sicherlich mein Los, bin ich aber gerechtfertigt, so steht mir keinerlei Gericht bevor. Eine bloße gute Hoffnung zu haben, ist, obwohl es ein uns von Natur eigener Zustand ist, das Ergebnis menschlicher Vernunftschlüsse und nicht die Einfalt des von Gott gewirkten Glaubens. Aber je mehr wir über das nachdenken, was die Schrift lehrt, desto mehr werden wir die Wahrheit erkennen, die ich hier betone.

Wenn wir abscheiden oder ausheimisch sind von dem Leibe, so sind wir bei Christus, wir sind bei dem Herrn im Himmel. Würde Paulus oder Stephanus je aus dem Himmel getan werden können, um durchs Gericht zu entscheiden, ob ihnen dort tatsächlich ein Platz gebühre? Die Schrift lehrt das nicht. Sie lehrt eine vollkommene Errettung, kraft deren wir, gerechtfertigt, Frieden mit Gott haben und uns in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes rühmen, sodass wir in Hoffnung frohlocken können: „Wenn Gott für uns ist, wer gegen uns? . . . Gott ist es, welcher rechtfertigt; wer ist, der verdamme?" (Röm. 8, 31 u. 32.) Auf welche Weise gelangen nun aber die Gläubigen vor den Richterstuhl Christi? —

„Euer Herz werde nicht bestürzt", sagt der Herr, „ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seiet." (Joh. 14, 1—3.) Diese Stelle zeigt uns, wie die Gläubigen zu Christus, ihrem Richter, gebracht werden. Ja, Er liebt die Seinen so sehr, dass Er selbst kommt, sie zu sich zu nehmen, auf dass sie bei Ihm seien, wo Er ist. Und so sagt uns der Apostel 1. Thess. 4, 16 u. 17: „Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf . . . herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen, danach werden wir, die Lebenden, die übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und also werden wir allezeit bei dem Herrn sein." Dies führt uns die gesegnete Art und Weise, auf welche wir vor den Richterstuhl Christi gelangen, vor Augen. Ebenso lesen wir Philip. 3: „Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit Seinem Leibe der Herrlichkeit". (Vers 20 u. 21.)

Die Gläubigen werden also vor dem Richterstuhl Christi dadurch erscheinen, dass Er, der sie geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat, kommt, um sie zu sich in das Haus des Vaters zu nehmen, und sie zur bestimmten Zeit auferweckt oder verwandelt. (1. Kor. 15, 51.) Ihm gleichförmig werden sie auf immerdar bei Ihm sein, der als der Auferstandene der Erstling der Entschlafenen ist. (1. Kor. 15, 20 u. 21.) Dies ist es, was uns die Schrift darüber sagt, wie die Gläubigen vor den Richterstuhl Christi gelangen, und in welchem Zustande sie vor demselben geoffenbart werden.

Doch die Schrift geht noch näher auf die Frage ein, ob wir, die Glaubenden, ins Gericht kommen oder nicht, wie wir aus Joh. 5 ersehen. Die Herrlichkeit des Sohnes wird daselbst in zweifacher Weise aufrecht erhalten; einerseits wirkt der Sohn gemeinschaftlich mit dem Vater (V. 21), andererseits allein. (V. 22.) — Er macht lebendig und vollstreckt das Gericht. Durch das eine genießen wir schon jetzt die Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes (1. Joh. 1), durch das andere wird die Ehre des Sohnes den Gottlosen gegenüber gewahrt, die Ihn verworfen haben. (V. 23.) Diese beiden Wahrheiten werden niemals in der Schrift miteinander verwechselt. Der Herr stellt durchaus nicht die Tatsache des den Seinen mitgeteilten Lebens dadurch in Frage, dass sie, also lebendig gemacht, ins Gericht kommen. Worin besteht nun das Teil der Gläubigen? Der Herr beantwortet diese Frage in unserm Kapitel selbst und spricht: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt Dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben", ist also lebendig gemacht, „und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tode in das Leben hinübergegangen." (V. 24.) Beim Richterstuhl Christi handelt es sich also nicht darum, dass der Gläubige auf Grund seines Verhaltens ins Gericht kommt, um zu entscheiden, ob er angenommen werden kann oder nicht. Er war tot in Sünden, aber er ist aus jenem gänzlich verlorenen Zustande heraus in einen neuen gebracht worden, und zwar durch die lebendig machende Kraft des Sohnes Gottes, dessen Stimme er gehört hat. (Joh. 5, 24.) Im weiteren Verlaufe unsers Kapitels lesen wir dann von zwei völlig voneinander verschiedenen Auferstehungen. Es gibt eine Auferstehung der Gerechten, eine Auferstehung des Lebens (vergl. Luk. 14, 14 u. Joh. 5, 29), sowie eine Auferstehung derer, die das Böse verübt haben, die Auferstehung des Gerichts. Die, welche ewiges Leben haben, kommen, wie die Schrift sagt, nicht ins Gericht. (V. 29.)

Dieser Gegensatz zwischen dem Teile des natürlichen Menschen im Gericht und dem Lose derer, die auf Grund des Kreuzes Christi errettet, an der Erlösung teil haben, gelangt in treffender Weise am Ende des 9. Kapitels des Hebräerbriefes zum Ausdruck. Dort lesen wir: „Und ebenso wie es den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht, also wird auch der Christus, nachdem Er einmal geopfert worden ist, um Vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Male denen, die Ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen zur Seligkeit." Er erschien das erste Mal, um der Sünde wegen zur Sünde gemacht zu werden und dieselbe durch Sein Opfer vor Gott abzuschaffen. (V. 26.) Dies ist es, was Er für uns vollbracht hat, und nachdem Er, der von jeher sündlos war, die Sünde bei Seinem ersten Kommen um unsertwillen hinweggetan hat, wird Er denen, die Ihn erwarten, ohne dann irgend etwas mit der Sünde zu tun zu haben, zum zweiten Male erscheinen zur Seligkeit. Das Los des Menschen als solcher ist der Tod und das Gericht; das Teil des Gläubigen dagegen, dass Christus, der seine Sünden getragen und getilgt hat, kommt, um ihn in die Herrlichkeit zu bringen. Wenn daher nach Offb. 4 der Thron des Gerichts aufgerichtet ist, so sehen wir die Heiligen als Könige und Priester auf 24 Thronen rings um denselben sitzen, um dann mit Christus in Herrlichkeit zurückzukehren und mit Ihm die Erde zu richten.

Ein treffendes Beispiel von der durch den Gedanken an das Gericht hervorgebrachten Wirkung in der Seele des Gläubigen finden wir in 2. Kor. 5. Aus den einleitenden Versen ersehen wir, dass das Teil der Gläubigen, weit davon entfernt der Tod und das Gericht, oder aber der Tod und eine darauffolgende Glückseligkeit zu sein, in der Erwartung besteht, dass das Sterbliche vom Leben verschlungen werde (V. 4), indem bei der Ankunft des Herrn der sterbliche Leib in Herrlichkeit verwandelt wird, ohne dass notwendigerweise der Tod iiberhaupt eintritt. Der Tod und das Gericht sind das Teil des gefallenen Menschen. (Hebr. 9. 27.) Sollte nun der Apostel oder der Gläubige sterben, so durfte er allezeit gutes Mutes sein (V. 6), denn er hatte das Leben aus Gott empfangen, sodass Sterben für ihn „ausheimisch von dem Leibe" aber „einheimisch bei dem Herrn" bedeutet. (V. 8.) Darauf betrachtet der Apostel in unserm Kapitel das Gericht, nennt es „den Schrecken des Herrn", fasst es ruhig ins Auge, kennt es schon und sagt, dass wir alle vor dem Richterstuhl Christi geoffenbart werden müssen (V. 10), und dann? Ja, was dann? — Zittert er bei dem Gedanken an sich selbst? Keineswegs, sondern er sagt: „Da wir nun den Schrecken des Herrn kennen, so überreden wir die Menschen." Er denkt an andere; der Schrecken des Herrn ist ihm selbst kein Schrecken mehr, dieses Gericht traf andere, aber dennoch übte es einen mächtigen Einfluss auf sein Herz und Gewissen aus. Andere hatten Ursache, es zu fürchten, und der Gedanke an jenen Tag drängte den Apostel in der Liebe des Christus, die Menschen, die noch nicht aus ihn vorbereitet waren, zu überreden. Sodann aber beurteilte er sich selbst und alles andere im Lichte des Richterstuhls, und dies übte einen reinigenden und heiligenden Einfluss auf sein ganzes Leben aus. Sodann fügt er hinzu: „Gott aber sind wir offenbar geworden". Es heißt nicht nur: „werden wir offenbar werden", und dies zu beachten, ist von höchster Wichtigkeit. Wir sehen hier die Wirkung, die der Richterstuhl Christi in der Seele des Gläubigen hervorbringt. Er sieht sich schon jetzt in der Gegenwart Gottes, richtet sich selbst und lernt zwischen Gutem und Bösem zu unterscheiden, wie jener Tag es unterscheiden wird. Der Apostel entsetzte sich nicht bei dem Gedanken an jenen feierlich ernsten Tag. Dieser Tag des Schreckens war kein Schrecken für ihn; er regte ihn nur an, umso eifriger den Unbekehrten nachzugehen, und hielt seine Seele selbst in der Gegenwart und in der Furcht Gottes.

Nur noch eine Stelle in unserm Kapitel beansprucht unsere Aufmerksamkeit, sie lautet: „auf dass ein jeder empfange, was er in dem Leibe getan". Der Ausdruck „Gericht" ist hier sorgfältig vermieden, wenn auch in gewissem Sinne ein solches stattfindet. Ich erwähne dies bloß, weil der Mensch dann nur zu geneigt wäre, diese Stelle so aufzufassen, als ob es sich hier um unsere Annahme oder Verwerfung handele. Was das Teil derjenigen, die Böses verübt haben, betrifft, so brauche ich dabei nicht länger zu verweilen, sie werden empfangen, was sie in dem Leibe getan haben, und dies wird ihre Verdammnis sein. (Joh. 5, 29.) Aber auch die, welche des Christus sind, werden empfangen, was sie in dem Leibe getan haben. Was indes ihre Annahme betrifft, so hat Gott sie in Christus alle gleicherweise begnadigt in dem Geliebten (Eph. 1, 6), ja Er hat sie zuvorbestimmt, dem Bilde Seines Sohnes gleichförmig zu sein (Röm. 8,29); sie alle haben Christus zur Gerechtigkeit. Selbst ein Paulus könnte nicht vollkommener sein oder eine noch erhabenere Herrlichkeit besitzen. Doch außerdem waren sie dazu berufen, Gott zu dienen, und die Gefäße zu sein, durch die Seine Liebe zu anderen ausströmen konnte, und hierin, in dem Werke des Heiligen Geistes durch uns, gibt es einen Unterschied. Während Gott alles zuvor bereitet hat, und das Sitzen zur Rechten und Linken Christi denen gegeben wird, welchen es vom Vater bereitet ist (Matth. 20, 23), so werden wir dennoch durch Seine Gnade den Lohn unserer Arbeit empfangen, und zwar ein jeder seinen eigenen Lohn nach seiner eigenen Arbeit. (1. Kor. 3, 8.) Hierher gehört das Schriftwort: „auf dass wir nichts verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen." (2. Joh. 8.) Die Thessalonicher werden an jenem Tage Pauli Freude und Krone des Ruhmes sein — nicht etwa die unsere, als die Frucht unsrer Bemühungen im Werke des Herrn. (1. Thess. 2, 19.) Wenn wir mit Holz, Heu und Stroh gebaut haben, so werden wir davon nichts retten können, obgleich wir selbst, wenn wir wirklich Gläubige sind, gerettet werden. (1. Kor. 3, 12—15.) Kurz gesagt, die Gerechtigkeit ist in Christus die gleiche für alle, der Dienst hienieden aber wird belohnt werden.

Zum Schluss noch ein Wort. Wir werden in Herrlichkeit vor dem Richterstuhl Christi geoffenbart werden, wo wir nicht einmal mehr die Natur, das Fleisch, worin wir gesündigt haben, an uns tragen werden, sondern wir werden erkennen, wie auch wir erkannt worden sind (1. Kor. 13, 12), und somit imstande sein, Gott Rechenschaft zu geben. Wir werden auf unser ganzes Leben und all die gesegneten Wege Gottes mit uns zurückblicken, alles sehen, wie der Herr es gesehen hat, und die vollkommene Gnade bewundern, die uns von Geburt an geleitet hat. Schon wenn ich jetzt zurückblicke, kann ich nicht anders, als Gottes Gnade bewundern, dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt worden bin; ja, dann werde ich in tausend und abertausend Fällen sehen, wie Sein Auge über mich gewacht hat, um mich zu segnen. Wenn wir uns in dieser Weise den Richterstuhl Christi aufrichtigen Herzens vergegenwärtigen, so können wir schon jetzt mit dem Apostel sagen: „Gott sind wir offenbar", obgleich wir zur bestimmten Zeit auch tatsächlich vor dem Richterstuhl Gott Rechenschaft zu geben haben. Allein dies geschieht, wie wir gesehen haben, erst dann, wenn wir verherrlicht und von Christus selbst auf immerdar Ihm nahe gebracht worden sind. Für den Gläubigen gibt es kein Gericht in dem Sinne, dass es über seinen verherrlichten Zustand, der allein ihn für die Gegenwart Gottes passend macht, zu entscheiden hat. Er ist schon verklärt, wenn er vor dem Richterstuhle Christi steht. Über diesen Punkt lässt die Schrift keinen Zweifel herrschen.

Es gibt also ein Gericht der Lebendigen bei der Ankunft Christi, um über diese Erde zu herrschen, und ebenso danach ein Gericht der Toten vor dem großen weißen Throne. Während Seiner tausendjährigen Herrschaft aber übt Seine Macht in Gerechtigkeit ein beständiges Gericht im allgemeinen Sinne des Wortes über die Erde aus, wovon insonderheit die prophetischen Schriften des Alten Testaments handeln, Apostelgeschichte 17, 31 redet davon; dieser Gegenstand ist aber zu umfangreich, als dass wir ihn erörtern könnten. Für die Gläubigen gibt es überhaupt kein Gericht. Christus kommt, sie zu sich zu nehmen, weckt sie in Herrlichkeit wieder auf, und sie werden bei Ihm sein auf immerdar. Als Verherrlichte werden sie Gott, ein jeder für sich selbst, Rechenschaft geben, und ein jeder wird den Lohn seiner Arbeit im Dienste des Herrn empfangen, obschon es die Gnade Gottes ist, die dieses alles in ihnen gewirkt hat. Dies allein ist die Lehre der Schrift über den vorliegenden Gegenstand.


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