JND- Ein Mensch in Christus


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2. Kor. 12.

Es befinden sich in der Schrift einige Kapitel, die einen so vollen und gesegneten Ausdruck irgend einer großen Wahrheit Gottes enthalten, dass sie in den Gedanken des Gläubigen eine besondere Beachtung erlangen und behalten. Obgleich nun alle Schrift von Gott eingegeben ist und die gleiche Autorität hat, so -kann doch diese außergewöhnliche Wirkung mancher Stellen nicht geleugnet werden, weil man immer wieder findet^ dass sie durch irgend ein Kapitel hervorgebracht wird, das eine besondere Offenbarung Gottes und Seiner Wege oder der Liebe Christi gegen uns enthält. Von dem Kapitel, über das ich jetzt sprechen möchte (2 Kor. 12), kann kaum gesagt werden, dass es diesen Charakter habe. Aber es enthält eine vollkommene und bemerkenswerte Entfaltung der Größe und der wunderbaren Höhen, aber auch der beklagenswerten Tiefen, in welche Gläubige kommen können — der mächtigen Grundsätze zum Guten oder zum Bösen, welche in den Naturen, die sie haben, wirken in der Weise, wie die Gnade wirkt um dem Guten in uns das Übergewicht zu geben. Das Kapitel gibt einen derartigen Einblick in das ganze Wirken der göttlichen Gnade, um ein vollkommenes Resultat hervorzubringen, im Guten und in Segnung, des geistlichen Konflikts, der jetzt durch die Erkenntnis des Guten und Bösen, die wir durch den Fall erhalten haben, in uns vor sich geht, dass ich es für den Leser gesegnet halte, es ein wenig in praktischer Hinsicht auszulegen.

Die Weise, in welcher man in diesem Kapitel den höchsten Zustand, zu welchem ein Christ erhoben werden kann — ohne Zweifel ein ebenso außergewöhnlicher wie erfahrungsgemäßer — und den niedrigsten Zustand findet, in den zu fallen es möglich ist und all die praktischen Grundsätze, nach denen das göttliche Werk zwischen diesen beiden Extremen vor sich geht, ist sehr beachtenswert. Zu Anfang des Kapitels sehen wir einen Heiligen im dritten Himmel, im Paradiese, wo nichts durchs Fleisch erfahren oder mitgeteilt werden kann. Paulus wusste nicht, ob er im Leibe oder außer dem Leibe war. Er hatte kein Bewusstsein von seinem menschlichen Leben im Fleische, er konnte also weder sagen noch konnte er aussprechen, was er gehört hatte, als er wieder zum Bewusstsein des Fleisches gelangte. So ist der Heilige im Anfang des Kapitels.

Am Ende finden wir einen, vielleicht mehrere, die in Hurerei, Unreinheit und Unzucht gefallen, und dennoch ohne Reue sind. Welch ein Gegensatz! Einerseits die höchste himmlische Erhebung und andererseits die tiefste fleischliche Erniedrigung. Und der Christ ist zu beidem fähig! Welch eine Lehre als Warnung für jeden Heiligen! obgleich er vielleicht zu keinem der beiden Äußersten gelangt und wie passend, dem Gläubigen die Wirksamkeit der Naturen und der Elemente, die in ihm in seinem geistlichen Leben hienieden im Kampfe sind, zum Bewusstsein zu bringen. Ein anderer Teil dieses Kapitels wird uns zeigen, wo die Macht allein gefunden werden soll, um ihn seinen Pfad hienieden in einer Weise zu führen, die mit dem himmlischen Gut, zu dem er berufen ist, übereinstimmt.

Paulus gebraucht einen bemerkenswerten Ausdruck in Bezug auf sich, wenn er von seiner Entrückung in den dritten Himmel spricht: „Ich kenne einen Menschen in Christus." Einige einleitende Gedanken bezüglich des Gesetzes werden uns diesen Ausdruck besser verstehen lassen. Das Gesetz gab dem Menschen eine vollkommene, göttliche Regel für seinen Wandel auf der Erde; aber es erhob ihn nie in den Himmel. Zu der Tat handeln himmlische Wesen, wie die Engel, nach der abstrakten Vollkommenheit dieser göttlichen Regel, wie sie durch den Herrn festgestellt worden ist: sie lieben Gott von ganzem Herzen und ihren Nächsten wie sich selbst. Das ist die Vollkommenheit des Geschöpfes. Aber das ist ihre Natur, in der Gott sie erhalten hat. Das Vorschreiben der Gefühle und des Wandels durch das Gesetz ist eine andere Sache. Die Christen vergessen dies oft. Der Inhalt des Gesetzes ist für seine Gegenstände vollkommen an seinem Platze. Es sagt uns, was der rechte Zustand eines Geschöpfes ist, und es verbietet das Verkehrte, wozu das Fleisch geneigt ist. Aber warum diese Verordnung? Ohne Zweifel ist Gehorsam ein Teil der Vollkommenheit eines Geschöpfes. Bloßes Rechttun würde für ein Geschöpf, das Gott unterworfen ist, um gerecht zu wandeln, nicht genügen, weil Gott absolute Autorität über dasselbe hat. Gott kann also, und wir wissen, dass Er es tut, den Engeln gewisse dienstliche Handlungen vorschreiben, und sie gehorchen. Aber wenn ein Zustand der Seele geboten wird, so fragt man warum? Weil es nötig ist. Es war des Zustandes wegen nötig, in dem sich die Person, an welche die Verordnung gerichtet war, befand, weil sie geneigt und anderer Veranlagung wegen in Gefahr war, anders zu handeln. Einer Person etwas zu befehlen, setzt voraus, dass sie das nicht tut, noch gewillt ist, es ohne Gebot zu tun. Wenn man nun bedenkt, dass neun von den zehn Geboten positive Sünden und böse Neigungen verbieten, weil der Mensch dazu veranlagt ist (sonst wäre es nicht nötig gewesen, sie zu verbieten), so wird man finden, dass die wahre Natur und das Bestehen eines Gesetzes, welches das Gute mit der Autorität Gottes vorschreibt, das Böse in der Natur des Menschen voraussetzt, welches dem Gesetz gegenstreitet. Dies ist eine bedauerliche Wahrheit, von welcher Seite man die Sache auch betrachten möge. Man kann keine Liebe gebieten (d. h. sie durch ein Gebot hervorbringen), und man kann keine Lüste beseitigen, indem man sie einer Natur verbietet, die sie als Natur hat. Und doch ist es das, was das Gesetz tut und tun musste, wenn Gott eins gab. Er zeigt, dass das, was verboten ist, Sünde ist, und dass sie im Menschen verboten sein soll; aber das Gesetz nimmt sie nie hinweg. Es schreibt das Gute in der Kreatur vor, bringt es jedoch nicht hervor. Es zeigt das, was auf der Erde in der Kreatur recht ist, aber es ist weit davon entfernt, den Menschen in die himmlischen Örter zu versetzen. Das Gesetz kann keinen Anspruch darauf machen. Jetzt hat der Mensch durch den Fall die Erkenntnis des Guten und des Bösen. Das Gesetz handelt gemäß dieser erstaunlichen Fähigkeit, von der Gott sagte: „Der Mensch ist geworden wie unser einer, zu erkennen Gutes und Böses." Aber wie? Der Mensch ist dem Bösen verfallen; doch das Gesetz fordert Gutes in ihm, das nicht vorhanden ist und zeigt all das Böse, das in ihm ist. Es drückt ihm das Böse und die Folgen desselben im Gerichte auf. Was nun das Gute betrifft, so fordert es dasselbe in ihm und gibt nur das Bewusstsein, dass es nicht vorhanden ist.

Es zeigt ihm ferner nicht das Gute als einen Gegenstand, der vor seiner Seele steht. Um die Unterscheidung klar zu machen, wiederhole ich, dass es das Gute in ihm fordert, z. B. Gott und seinen Nächsten zu lieben, es ihm aber nicht vorstellt. Es gibt dort keinen geoffenbarten Gegenstand, um wieder das Gute hervorzubringen, noch in ihm in lebendiger Kraft zu sein. Das Gesetz bewirkt deshalb Zorn. Wo kein Gesetz ist, da ist auch keine Übertretung.

Die Gnade wirkt nun in ganz anderer Weise. Sie fordert das Gute nicht, wo es nicht ist, obgleich sie es hervorbringen kann. Sie verdammt den Sünder nicht, sondern vergibt und nimmt die Sünde hinweg. Sie stellt uns einen Gegenstand vor, Gott selbst, aber einen uns in Liebe nahe gekommenen Gott. Sie tut noch mehr; sie teilt uns das mit, was gut ist. Sie ist kein Gesetz. Sie fordert das Gute da nicht, wo es nicht ist, sondern bringt es hervor. Sie verdammt den Gottlosen nicht, sondern vergibt und nimmt seine Gottlosigkeit hinweg. Sie führt uns nicht dahin, den Kampf zwischen dem Guten und Bösen durch das Aufdrücken des Bösen fortzusetzen, indem sie es uns als eine Bürde, von der wir nicht befreit sind, dessen Sklave wir vielmehr sind, fühlen lässt, wie es das Gesetz tut, indem es uns diesen Leib des Todes, als das, unter dessen Macht wir sind, den Sold der Sünde, fühlen lässt, und — vorausgesetzt, dass wir wiedergeboren sind — indem es uns noch wahrer und tiefer fühlen lässt, dass sogar dieses uns nicht passender für seine Forderungen macht, damit wir durch dasselbe gerecht seien, wie sehr auch das Wollen bei uns vorhanden ist — sondern sie führt uns gerade zu dem Gegenteil. Kurz die Gnade leitet uns nicht, in der Erkenntnis des Guten und Bösen, worauf sie allerdings Rücksicht nimmt, den Kampf durch den Gedanken der Macht und Schrecklichkeit des Bösen, dem wir in seinen Folgen unterworfen sind, fortzusetzen, sondern sie leitet uns durch den Besitz des vollkommenen und göttlichen Guten, durch das wir das Böse, als darüber erhaben, richten; sie leitet uns durch den Besitz eines Gegenstandes, der vollkommen gut ist, und der sowohl unsere Wonne als auch unser Leben ist, d. h. durch den Besitz Christi (indem wir in Ihm sind und Er in uns). „Ich kenne," sagt der Apostel, „einen Menschen in Christus."

Aber dies müssen wir ein wenig erklären. Zu dem Herzen manches Christen ist es oft sehr unklar. Der Mensch war im Paradiese ohne Gesetz, dann unter Gesetz und dadurch, dass ihm Christus vorgestellt wurde, als lebendiger Mensch verantwortlich für sein eigenes Betragen, für das, was er im Leibe getan hatte. Er wurde betrachtet als ein Kind Adams oder in dem Fleische. Er stand vor Gott in der Natur, in welcher er erschaffen worden war, verantwortlich für ein Betragen in dieser Natur, für das, was er im Fleische war. Das Resultat war, dass er in jeder Stellung gefehlt hat. Er fiel im Paradiese, er war ohne Gesetz gesetzlos, ein Übertreter unter Gesetz, und er bewies — das Letzte und Schlimmste von allem, der Schlussstein des Gerichts — als Christus kam, dass er nichts als Sünde war und Ihn und den Vater hasste. Der Mensch war verloren. Zu einem Zustande der Prüfung während 4000 Jahren hat sich der Baum als schlecht erwiesen, und je größer die Sorgfalt war, desto schlechter war die Frucht. Alles Fleisch war gerichtet. Der Baum sollte nie Frucht tragen. Nicht nur hat der Mensch bewiesen, dass er ein Sünder auf jede Weise war, sondern er verwarf auch das Heilmittel, das ihm in Gnade vorgestellt wurde; denn Christus kam in eine Welt, die schon voll Sünde war, und Er wurde von den Menschen verachtet und verworfen. Nicht nur, dass der gefallene, schuldige Mensch aus dem Paradiese vertrieben worden war, sondern Christus, der in Gnade gekommen, wurde, soweit als der Wille des Menschen in Betracht kam, aus der Welt vertrieben, die in das Elend, in das die Sünde führt, gefallen war, und welche Er in Güte besucht hatte.

Damit war die Geschichte des Menschen moralischerweise beendet. „Jetzt," sagt der Herr, als die Griechen heraufkamen, „ist das Gericht dieser Welt." Deshalb heißt es: „Er erschien einmal am Ende der Zeitalter." Aber jetzt kommt das Werk Gottes für den Sünder. Er, der keine Sünde kannte, ist für uns zur Sünde gemacht worden. Er trinkt aus Gnaden und willig den Kelch, der Ihm zu trinken gegeben wurde. Er legte das Leben ab, in welchem Er die Sünde trug — Er gab es auf, und alles ist mit diesem Leben verschwunden. Dasselbe Leben, in welchem unsere Sünden auf dem Kreuze getragen wurden, wurde aufgegeben, Sein Blut vergossen. Er hat die Sünde für jeden Gläubigen durch das Opfer Seiner selbst hinweggenommen — hat die Gläubigen für immer vollkommen gemacht. Wer gestorben ist, ist frei gesprochen von der Sünde. Aber von wessen Sünde? Von der

Obgleich dieses völlig wahr ist, so kann es doch nicht, glaube ich, aus dem Griechischen geschlossen werden, obwohl es bezüglich des Englischen der Fall sein mag. Es hat nichts zu tun mit der Frage, die jetzt durch meine Ankläger erhoben wird. Das griechische Wort heißt losgesprochen oder gerechtfertigt. Christus hat abgeschlossen mit der Sünde, die Er trug, als Er starb — abgeschlossen mit ihr, indem Er sie beseitigte, und zwar durch Sein Sterben. Von Ihm kann gesagt werden, dass Er persönlich von der Sünde gerechtfertigt ist, weil Er keine hatte, und der Tod tat es insofern, als Er den Gehorsam selbst bis zum Tode bewies, dass nichts, keine Versuchung etwas ändern konnte. — Er starb der Sünde. Aber der Ausdruck: „Wer gestorben ist, ist gerechtfertigt von der Sünde" bedeutet, denke ich, mehr, dass man die Sünde, den Eigenwillen, die Lust keinem toten Menschen zur Last legen kann. — Es wird wahr von uns, wenn wir gestorben sind. Der Tod Christi bewies es, dass es von Ihm immer absolut wahr war. Der Einwand, der in Bezug auf das, was dieser Stelle folgt, gemacht wird, unsrigen, die wir an Ihn glauben. Alles ist beendet, ist beendet mit dem Leben, dem sie zugefügt wurde, in welchem Er sie trug. Der Tod Christi hat für den Glauben dem Bestehen des alten Menschen, dem Fleisch, dem Leben des ersten Adams, in dem wir als vor Gott verantwortlich standen, und dessen Platz Christus für uns in Gnade eingenommen hat, ein Ende gemacht. Was das Gesetz nicht vollbringen konnte, indem es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem Er Seinen eingeborenen Sohn in Gleichheit des Fleisches der Sünde und für die Sünde sandte, und indem Er die Sünde im Fleische verurteilte. Was Er aber gestorben ist, ist Er einmal der Sünde gestorben, was Er aber lebt, lebt Er Gott. —

Der Glaube nimmt das Gericht, in Bezug auf den alten Menschen, das Fleisch, in allen seinen Wegen als geschehen an. Auf dem Boden seiner Verantwortlichkeit sind wir gänzlich verloren. Wir mögen es erfahrungsgemäß lernen, indem wir unter dem Gesetz wandeln, inne werdend, dass es aussichtslos ist, das Wohlgefallen Gottes, als i m Fleische seiend, zu erlangen; oder wir mögen es lernen, indem wir unsere Opposition und unsere Gleichgültigkeit Christus gegenüber sehen. Aber für den Gläubigen ist es auf dem Kreuze beseitigt. Er ist mit Christus gekreuzigt, nichtsdestoweniger lebt er, aber nicht er, sondern Christus lebt in ihm. Wenn das Kreuz beweist, dass im Fleische nichts als Sünde und Hass gegen Gott ist, so beweist es auch, dass die Sünde hinweggetan ist. Alles ist zu Ende. Das Leben ist vorüber. Wenn ein schuldiger Mensch im Gefängnis stirbt, welche Macht hat dann das Gesetz noch über ihn? Das Leben, in dem er gesündigt hatte, und dem seine Schuld zugefügt wurde, ist vorüber. Mit uns ist es ebenso vorbei; denn Christus ist gestorben, ohne Zweifel freiwillig, aber indem Gott mit der Sünde, die Er für uns trug, ins Gericht ging. Wer lebt, lebt jetzt auf einem neuen Boden Gott gegenüber — lebend in Christus. Das Alte ist vergangen, es ist eine neue Schöpfung; wir sind in Christus Jesu neu erschaffen.

Unser Platz, unsere Stellung vor Gott ist nicht mehr im Fleische, sondern in Christus. Christus hat als Mensch eine ganz neue Stellung eingenommen, mit der weder Adam in seiner Unschuld, noch der Sünder Adam irgend etwas zu tun hat. Das vornehmste Kleid bildet überhaupt keinen Teil des ersten Erbes des verlorenen Sohnes; es war im Besitze des Vaters — etwas ganz Neues. Christus hat diese Stellung eingenommen als eine Folge des Hinwegtuns unserer Sünden, indem Er in dieser Beziehung Gott verherrlicht und das Werk vollbracht hat. Er hat diese Stellung in Gerechtigkeit eingenommen, und der Mensch hat in Ihm eine neue Stellung bei Gott in Gerechtigkeit bekommen. Wenn er lebendig gemacht ist, so ist er durch das Leben, in dem Christus, der zweite Adam, lebt, lebendig gemacht; und indem er der Gerechtigkeit Gottes unterworfen ist, wissend, dass er in dem ersten, alten Menschen vollständig verloren ist, und sich unter diese ernste Wahrheit, wie sie im Kreuze gezeigt und gelernt wird, beugend, ist er mit dem Heiligen Geist versiegelt, in lebendiger Vereinigung mit dem Herrn, ein Geist mit Ihm: er ist mit einem Wort ein Mensch in Christus, nicht im Fleisch oder in dem ersten Adam. Was das Fleisch und den ersten Adam betrifft, so hat dies alles für ihn im Kreuze aufgehört, wo Christus für ihn in Bezug darauf verantwortlich gemacht worden und einmal der Sünde gestorben ist, und er lebt jetzt Gott in Christus Jesu. (1. Röm. 6.) Er gehört zu einer neuen Schöpfung, indem er das Leben des Hauptes dieser neuen Schöpfung als sein Leben besitzt. Durch das, wodurch er die gänzliche Verurteilung dessen, was er ist, lernt, eben dadurch lernt er auch die vollständige und ewige Beseitigung dessen, was er ist. Für ihn ist das Kreuz das unpassierbare Rote Meer, 1>er Jordan, den er jetzt durchschritten hat, und es ist für immer seine Befreiung von Ägypten, und jetzt hat er dies verwirklicht, seinen Eintritt in Kanaan in Christus. Als der Jordan — die Macht des Todes — seine Ufer überflutete, ging die Bundeslade für ihn hinein. Es ist gerade sein Weg in Kanaan. Das, was — wenn er es selbst versucht hätte, hindurch zu gehen wie die Ägypter — sein Verderben gewesen sein würde, ist eine Mauer gewesen zur Rechten und zur Linken, und es zerstörte nur alles, was gegen ihn war. Er war ein Mensch im Fleische, er ist ein Mensch in Christus. —

Es ist erstaunlich und ein vollständiger Übergang aus dem Zustand und der Stellung des ersten Adam, der für seine eigenen Sünden verantwortlich ist, in diejenige Christi, der, indem Er die Folgen dieser Verantwortlichkeit an seiner (des Menschen) Stelle trug, ihm einen Platz (in der Macht, des für uns neuen Lebens, in welchem Er vom Tode auferstand) in und mit Sich, so wie Er jetzt als Mensch vor Gott ist, gegeben hat! Diese Stellung ist es, auf welche sich der Apostel bezieht, nur dass es ihm vergönnt war, in einer sehr außergewöhnlichen Weise die volle Frucht und Herrlichkeit derselben während der Zeit seines Bestehens hienieden zu genießen. Seine Sprache in Bezug auf diese Wahrheit ist außergewöhnlich klar und deshalb voll Kraft. „Als wir im Fleische waren," sagt er. So sprechen wir, wenn wir uns auf einen vergangenen Zustand der Dinge beziehen, in welchem wir uns nicht mehr befinden. „Als wir im Fleische waren," d. h. wir sind überhaupt nicht mehr in dieser Stellung. „Aber," sagt er, „ihr seid nicht im Fleische, sondern im Geiste, wenn anders der Geist Gottes in euch wohnt." Wir sind jetzt lebend in Christus. „Wenn ihr den Elementen der Welt gestorben seid," sagt er anderswo (Kol. 2, 20), „was unterwerfet ihr euch Satzungen, als lebtet ihr in der Welt?" „Denn ihr seid gestorben und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott. Wenn Christus, unser Leben, geoffenbart wird, dann werdet auch ihr mit ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit." —

Der Leser wolle Mir verzeihen, dass ich mich so lange bei dem ersten Ausdruck unseres Kapitels aufgehalten habe. Es ist geschehen, weil er von der größten Wichtigkeit ist. Er ist der Kem der Lehre Pauli, der wahre und heilige Weg zur vollen göttlichen Freiheit und die Macht der Heiligkeit. Und weil viele Christen weder die Kraft dieser Wahrheit noch den Ausdruck des Apostels ergriffen haben, so betrachten sie den Tod Christi mehr als ein Heilmittel für den alten Menschen, höchstens lernen sie die Vergebung der geschehenen Sünden aus demselben, anstatt zu lernen, dass sie -durch ihn (den Tod Christi) aus dem alten Menschen bezüglich ihres Platzes vor Gott, in den neuen in der Macht des Lebens, das in Christus ist, hinübergegangen sind. Fragt viele aufrichtige Heilige, was ihre Meinung sei über den Ausdruck: „Als wir im Fleische waren," und sie können keine bestimmte Antwort geben — sie haben keine bestimmte Idee von dem, was er bedeutet. Fragt sie, was es sei, in Christus zu sein — sie werden eine höchst unbestimmte Antwort geben. —

Ein wiedergeborener Mensch mag, was den Zustand und die Stellung seiner eigenen Seele betrifft, im Fleische sein, obgleich er von Seiten Gottes nicht so gesehen wird. Das ist der Fall, der in Römer 7 vorausgesetzt wird, weil er dort auf sich selbst blickt, als stehe er vor Gott auf dem Boden seiner eigenen Verantwortlichkeit, auf welchem (kraft seiner Wiedergeburt) er nie die Anforderungen Gottes befriedigen, noch Seine Gerechtigkeit erreichen kann. Indem er dies findet, nimmt er vielleicht seine Zuflucht zu dem Blute Christi, um sein unruhiges Gewissen zu beruhigen, und er wiederholt die Zurückkehr zu demselben, wie ein Jude zum Opfer, ein abergläubischer Mensch zur Absolution zurückkehren würde. Aber er hat keine Idee davon, dass er ein für allemal gereinigt und vollkommen gemacht ist, und dass er aus jener Stellung absolut herausgenommen und in Christus vor Gott versetzt worden ist. — Wenn wir nun in Christus sind, so ist auch das Recht und das Vorrecht Christi unser Recht und unser Vorrecht. —

Es war, nach der Weise und den gesegneten Vorsätzen Gottes, Paulus vergönnt, diese volle und wunderbare Frucht in einer außergewöhnlichen und besonderen Weise zu genießen. Darin hat das Fleisch und die sterbliche Natur kein Teil, noch können sie es jemals haben, obgleich wir, als in Christus lebendig gemacht, daran teil haben, während wir uns in jener Natur befinden, welches auch der Grad der Verwirklichung sein mag. Paulus wurde es vergönnt, sie zu kennen, sodass, während er sie im höchsten Grade in dem neuen Menschen in seinem Leben in Christus genoss („dem Leben, das mit Christus in Gott verborgen ist," das „nicht ich, sondern Christus lebt in mir"), er kein Bewusstsein von dem anderen sterblichen Teile hatte, der durch seine wahre Natur (als auch durch die Sünde, wenn sein Wille wirkt) den neuen und himmlischen Menschen in uns niederdrückt. Paulus konnte nicht sagen, ob er in oder außer dem Leibe war, er wusste, indem er wieder in seinen gewöhnlichen Zustand, des bewussten Bestehens eintrat, dass er diesen Leib hatte, aber er konnte nicht sagen, ob er in oder außer demselben war, als er im dritten Himmel war; er war sich von dem allem nichts bewusst. —

Der Leser wolle auch beachten, wie sorgfältig der Apostel zwischen dem Menschen in Christus und sich, so wie er hienieden die praktische Erfahrung von sich selbst hatte, unterscheidet, indem er tatsächlich das Leben Christi und den Geist hatte, der ihn mit dem Haupte vereinigte, aber indem er auch das Fleisch in sich hatte, obgleich er nicht im Fleische war. Dieses Paulus', dessen er sich praktischerweise hienieden bewusst war, wollte er sich nicht rühmen; jedoch war es ihm vergönnt worden, in dem Genuss seines Platzes als ein Mensch in Christus zu sein, mit völliger Beseitigung dessen, was sein Bewusstsein von dem Paulus hienieden oder von irgendetwas anderem betrifft — über einen solchen Menschen wollte er sich rühmen. Und auch wir können uns über einen solchen rühmen, obgleich wir nie im dritten Himmel gewesen sein mögen, um die Herrlichkeit und die Vorrechte der Stellung, in welche wir gebracht sind, völlig zu verwirklichen; doch wir sind Menschen in Christus, und wir haben genug erkannt — der schwächste Heilige, der seinen Platz in Christus kennt, hat genug erkannt — von dieser Segnung, um sie mit unaussprechlicher Freude und voll Ruhm zu genießen. Er rühmt sich in der Stellung des Menschen in Christus, die in Christus voll und ganz die seinige ist; und es ist möglich, dass er sie auch verwirklicht, sodass er in dem Augenblick die Wirksamkeit des Fleisches nicht empfindet, obgleich er wohl weiß, dass es in ihm ist. Es ist möglich, dass wir mit dein Heiligen Geist so erfüllt find, dass der Geist die einzige Quelle der Gedanken in uns ist. Dies ist in der Tat der eigentliche christliche Zustand. Es ist wahr, dass der Geist nicht immer derart wirksam ist, um uns die fühlbare Ergreifung der Herrlichkeit und der Dinge Christi zu geben, sodass die Seele zu dem erhoben wird, was droben ist. Jedoch können wir in einem Zustande sein, in welchem wir kein Bewusstsein von etwas haben, was irgendwie unvereinbar damit ist. Dies ist der Zustand, der in der Epistel an die Philipper beschrieben wird — der wahre christliche Zustand.*)

*) Auch die Tatsache, und es ist wichtig, dies zu beachten, dass die Sünde im Fleische ist, macht das Gewissen nicht böse. Wenn das Fleisch die Quelle der Gedanken oder Handlungen wird, dann ist das Gewissen böse, und die Gemeinschaft, die durch den heiligen Geist unterhalten wird, ist unterbrochen. Doch unser Kapitel führt uns mehr in diesen Gegenstand ein.

Das Sein im dritten Himmel ist, menschlich gesprochen, nicht immer unser Platz und unser Teil. Aber es ist Irrtum zu glauben, dass uns das aufblähen würde. In der Gegenwart Gottes und Ihn vor Augen habend, ist ein Geschöpf nie aufgebläht. Wir werden aufgebläht, und die Gefahr fängt an, wenn sich das Auge von Ihm abwendet, wenn wir im dritten Himmel gewesen sind, uns aber nicht mehr dort befinden. Wir find in Gefahr, uns zu überheben, im dritten Himmel gewesen zu sein, wenn wir die Empfindung von der Vortrefflichkeit dessen, was dort ist, die keinen Gedanken an unser Ich aufkommen ließ, verloren habe. Dies ist es, was wir bei Paulus finden. Der Mensch in Christus hat Christus zu seinem Teil, und er ist also berechtigt, alles das zu genießen, was Christus genießt, zu Freuden und Herrlichkeiten, die die menschliche Fassungskraft nicht begreifen kann — die Sprache, die durch menschliche Gedanken und Mittel gebildet wird, kann sie nicht ausdrücken, es ist nicht möglich, dass sie auf diesem Schauplatz der Tätigkeit des Menschen mitgeteilt werden. Diese Freuden und Herrlichkeiten gehören einer anderen Ordnung der Dinge an.

Wie wunderbar nun das auch ist, wozu wir gebracht worden sind, so muss doch die Frage bezüglich des Guten und Bösen praktischerweise von uns erledigt sein. Die Erkenntnis des Guten und Bösen haben wir durch den Fall erlangt, und sie kann weder verloren gehen, noch wäre es wünschenswert, wenn sie verloren ginge. Was unsere Annahme betrifft, so haben wir ebenfalls Erfahrung davon machen müssen. Sie ist endgültig durch den Tod und die Auferstehung Christi vor Gott sichergestellt. Aber wir haben zu lernen, das Böse zu richten und uns ip dem Guten zu erfreuen. Wie wir gesehen haben, lehrt uns das Gesetz das Böse von dem Gesichtspunkte aus kennen, dass wir dafür gerichtet werden. Durch die Gnade jedoch werden wir zuerst in die Stellung der vollkommenen Segnung in Christus versetzt, und dann verurteilen wir, was dieser Stellung nicht entspricht. Das ist der Unterschied zwischen Knechtschaft und Freiheit. Doch wir haben das Böse zu richten und in der Ergreifung des. Guten zu wachsen. In der Belehrung unsers Kapitels (wie überhaupt in allen Wegen Gottes mit dem Apostel, der ebenso schnell, als auch völlig belehrt werden sollte, um anderen stets tiefgehende Belehrungen geben zu können) geschah dieses durch die stärksten Gegensätze. Wenn der dritte Himmel das Fleisch wirklich nicht für immer beseitigte, dann musste er grade zeigen, welch' hoffnungsloses, unveränderliches Ding es ist. Dies war auch wirklich der Fall. Paulus war in den dritten Himmel eingetreten, ohne sich des Hindernisses des Leibes bewusst zu sein; wieviel weniger war von irgendwelcher Wirksamkeit des Fleisches die Rede. Aber er musste zurückkehren in den praktischen Zustand des menschlichen Daseins, in welchem er Christus zu dienen hatte, mit dem Bewusstsein dessen, was er als Paulus war. Und hier würde die einzige Wirksamkeit des Fleisches, die einzige Art und Weise, in der es Kenntnis davon genommen hätte, dass Paulus im dritten Himmel gewesen war, nur die sein, wenn es ihm erlaubt worden wäre, Paulus wegen solch wunderbarer Offenbarungen aufzublähen. Es blieb unveränderlich böse. Paulus musste dies sogar durch einen Besuch im dritten Himmel lernen, anstatt dass dieses erstaunliche Vorrecht das Fleisch hinweggetan oder es verändert hätte. Es wurde ihm nicht erlaubt, wirksam zu sein; aber Paulus musste lernen, es in sich selbst zu verurteilen.

Lasst uns diesen Unterschied beachten. Sind wir in Christus, so ist es nicht nötig, dass das Fleisch sich wirksam erweise, damit wir etwa lernen sollten, dasselbe in uns selbst zu richten. Leider lernen wir es oft auf diese Weise, aber es ist nicht nötig, dass es sich selbst in Gedanken wirksam erzeige. Durch die Wege Gottes mit uns und durch Gemeinschaft mit Ihm können wir das Böse in uns in seiner Wurzel, ohne dass es Frucht trägt, richten lernen. Wenn wir es nicht in Gemeinschaft mit Gott, wo wirkliche Übung in Bezug darauf sein mag, richten lernen — der Wille gegenstrebt Gott, wenn das Fleisch Boden gewonnen hat — so lernen wir es in seinen Früchten, indem wir den Versuchungen Satans nicht zu gegenstehen vermögen. Wenn es nicht gerichtet wird, so lernen wir ohne Zweifel das Böse — jedoch nicht die Wurzel desselben — kennen; aber Christus ist dann verunehrt, der Geist betrübt, und — es sei denn, dass die Gnade dazwischentrete — die Sünde wird in einem solchen Falle eine irreführende Macht in unserm Herzen erlangt haben.

In dem Vorhergehenden find uns drei wichtige Punkte vorgestellt worden. Zuerst der Mensch in Christus; zweitens die große Verderbtheit des Fleisches, wenn unsere Glieder nicht getötet werden; drittens, dass dieses Fleisch in seinen Neigungen überhaupt nicht verbessert wird, weder dadurch, dass ein Mensch im dritten Himmel gewesen ist, noch durch irgendetwas anderes. Bei Paulus war es nötig, dass ihn ein Engel des Satans schlug, sonst würde er sich überhoben haben. Es gibt hier noch einen Punkt, den ich kurz berühren möchte. Ich meine den Unterschied zwischen unserer abstrakten Stellung als Menschen in Christus (und wir sind berechtigt, uns als solche zu betrachtendes ist unsere wahre Stellung als Christen gemäß der Gnade) und unserm wirklichen Zustande hienieden mit dem Bewusstsein des Vorhandenseins des Fleisches und all unserer leiblichen Umstände und Schwachheiten» Lasst uns jetzt Paulus in diesem seinem wirklichen Zustande hienieden betrachten und daraus lernen, wo die Kraft zu finden ist, um in diesem Zustande richtig zu wandeln. Das Fleisch bleibt in seiner Natur unverändert, und es ist ein beständiges Hindernis.

Beachten wir zuerst, dass die Erkenntnis, in welchem Maße wir sie auch besitzen mögen, sogar wenn sie von Gott gegeben worden ist, in sich selbst nicht geistliche Macht in unseren Seelen ist. Daran können wir allerdings nicht zweifeln, dass Offenbarungen, wie sie Paulus im dritten Himmel empfing, seinen eignen Glauben stärkten. Sie ließen ihn verstehen, dass es wohl der Mühe wert war, ein armseliges Leben, wie dasjenige dieser Welt es ist, dafür zu opfern, und sie gaben ihm ein Bewusstsein von dem, wofür er kämpfte, ein Gefühl von den göttlichen Dingen, mit denen er es zu tun hatte, und die einen gewaltigen Einfluss auf sein Betragen in dieser Welt ausgeübt haben müssen. Aber diese Offenbarung war keine unmittelbare Kraft im Kampfe in dem gemischten Zustande, in welchem er sich befand, als er von „sich, Paulus," zu reden hatte. Er hatte — und so auch wir — durch Glauben zu wandeln und nicht durch Schauen. Der böseste Mensch würde nicht sündigen, während er die Herrlichkeit Gottes vor Augen hätte; aber das würde keineswegs den Zustand seines Herzens und seine Zuneigungen ans Licht stellen, wenn die Herrlichkeit weggenommen würde. Er würde, wie Bileam, sich zu seinem eigenen Gespei wenden. Es hat also der Christ tatsächlich durch Glauben zu wandeln und nicht immer in dieser fühlbaren Ergreifung der göttlichen Resultate in Herrlichkeit. Wohl mag er auf seinem Wege hienieden zu Zeiten gestärkt und erquickt werden durch das, was beinahe dem Schauen gleichkommt, und durch die Mitteilungen der göttlichen Liebe. Nicht als ob er etwa im Fleische wandeln oder die Gemeinschaft verlieren sollte, sondern er steht nicht immer unter der Macht der besonderen Mitteilungen der Herrlichkeit und der göttlichen Liebe, die ihm gegeben wurden. Paulus kannte einen Menschen vor vierzehn Jahren — er war nicht jeden Tag in diesem Zustande. Er konnte sich allezeit im Herrn erfreuen. Manche Christen sind geneigt, diese beiden Dinge zu vermengen, nämlich eine besondere Freude und die beständige Gemeinschaft, und da die erste nicht immer vorhanden ist, so nehmen sie die Unterbrechung der letzten als selbstverständlich an und beruhigen sich dabei. Das ist ein großer Fehler. Besondere Zeiten der Freude mögen uns vergönnt werden, aber stete Gemeinschaft mit Gott und mit dem Herrn Jesu ist der einzig richtige Zustand des Christen, der einzige, von dem die Schrift weiß. Wir sollen uns allezeit im Herrn freuen. Dies sucht das Fleisch zu verhindern, und Satan durch das Fleisch.

Wir finden hier zuerst das Vorrecht, dass wir berechtigt sind, uns für tot zu halten. Wir sind nicht Schuldner dem Fleische; es hat nicht das geringste Recht über uns. Wir sind nicht im Fleische. Wir können Uns für tot halten, Gott aber lebend in Christus Jesu, sodass die Sünde nicht über uns herrscht. Es ist sehr wichtig, dies festzuhalten. Das Fleisch ist unverändert, aber wir brauchen nicht darin zu wandeln, ebenso wenig was unsere Gedanken, als auch was unseren äußeren Wandel betrifft. „Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesu hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes". Die Sünde im Fleische ist durch den Tod Christi verurteilt worden. Die Macht, die es über uns hatte, als wir unter dem Gesetz waren (wenn nicht gesetzlos), hat es nicht mehr. Als wir im Fleische waren, bewirkten die Leidenschaften, die durch das Gesetz find (Röm. 7, 5), jede Art Lust in uns. Aber wir sind nicht im Fleische, sondern im Geiste, wenn anders der Geist Christi in uns wohnt. „Jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, da wir dem gestorben sind, in welchem wir festgehalten wurden" (Röm. 7, 6). Unser ganzer Zustand ist ein anderer geworden. „Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem er, seinen eigenen Sohn in Gleichheit des Fleisches der Sünde und für die Sünde sendend, die Sünde im Fleische verurteilte." (Röm. 8, 3).

Aber wenn das Fleisch nicht verändert ist, wie soll das denn in der Praxis verwirklicht werden? Das ist es gerade, was uns hier gelehrt wird. Wir müssen zuerst die Nichtigkeit und Schwachheit des Fleisches erfahren. Wir sind, was unsere Stellung vor Gott betrifft, berechtigt, uns der Sünde für tot zu halten, Gott aber lebend durch Jesus Christus unseren Herrn und uns praktischerweise, als in dieser Stellung befindend, nicht als Schuldner dem Fleische zu halten, um nach dem Fleische zu leben. Die Sünde wird in diesem Falle keine Herrschaft über uns haben, denn wir sind nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade. Jedoch geht unser Kapitel weiter als das; es zeigt uns die Kraft, um so zu wandeln. Das Fleisch wird dann praktischerweise niedergehalten. Das Maß, wie es durch den Apostel festgestellt wird, wird durch die Worte bezeichnet: „Allezeit das Sterben Jesu am Leibe umhertragend, auf dass auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde." ' Sein Zweck war nicht, dieses Leben dadurch zu gewinnen; indem wir in Christus lebendig gemacht worden sind, habet: wir es. Aber er hielt jede Regung, jeden Gedanken und den Willen des Fleisches unter dem Urteil des Kreuzes, und so wurde das Leben Jesu offenbar.

So ist auch unser Pfad. Indem wir Zutritt haben in die unmittelbare Gegenwart Gottes, in das Heiligtum, durch das Blut Christi, verurteilen wir das Fleisch in seiner Wurzel in Gemeinschaft mit Ihm gemäß Seiner unendlichen Gnade, alles, was nicht von Christus in uns ist. Und die Gnade, welcher wir in dieser Gemeinschaft begegnen, und deren Teilhaber wir sind, führt uns unseren Weg, in Demut und Niedriggesinntheit. Unsere fleischlichen Neigungen veranlassen nur, dass wir Gnade empfangen, die uns vor der Wirksamkeit dieser Neigungen bewahrt. Ich mag demütiger sein als die Menschen im Allgemeinen, wenn ich in Bezug auf meinen Hochmut mit Gott verkehrt habe, und es kann sich so mit jeder anderen Gefahr verhaltend Die gegenwärtige Macht Christi hält das Böse von unseren Gedanken fern. Wir haben in dieser Beziehung Gott in unsere Verhältnisse gebracht.

Es ist nicht lediglich darum, weil das Böse nicht in irgend einem besonderen Charakter vorhanden ist, sondern das Fleisch — das Böse — wird nach den Gedanken Gottes gerichtet, und ich wandele, in Sanftmut und Sicherheit. Aber wo wirkliche Gefahren uns drohen, hilft Gott uns in ihnen. Nicht nur tragen wir das Sterben Jesu umher, sondern wir, die wir leben, werden allezeit dem Tode überliefert um Jesu willen. Also wirkt Gott, und ein Engel des Satans wird gesandt (nicht Sünde — weit entfernt davon, Gott sendet die nicht — sondern irgendetwas Demütigendes), welcher verhindert, dass die Sünde oder der Hochmut sich wirksam erweise. Wohl gefällt ein solches Verfahren dem menschlichen Herzen nicht, aber es ist nötig für dasselbe. Jede Wirksamkeit des Fleisches ist Sünde. Der Leib ist tot der Sünde wegen, wenn Christus in mir ist; d. h. wenn der Leib lebendig ist, so bedeutet er nur Sünde; wenn aber Christus mein Leben ist, so ist der Geist Leben. Mein Leib, was dessen Wille betrifft, wird nicht als lebendig betrachtet. Was von mir ist, soweit der Wille und die Natur in Betracht kommen — von mir als einem selbstbewussten, lebenden Menschen, einem Kinde Adams in dieser Welt — ist entweder beseitigt, oder es ist ein Hindernis; es hat keine Verbindung mit Gott; ein Mensch, der sich darin befindet, kann Gott nicht gefallen. „Ich bin mit Christus gekreuzigt; ich lebe aber, doch nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir."

In der Epistel an die Philipper sehen wir, wie dieses Vertrauen auf das Fleisch (nicht verderbliche Lüste) von dem Apostel verurteilt wird. Alles, was Paulus von ungebührlicher Wichtigkeit für sich selbst oder für andere machte, wurde verworfen. Es würde nur Selbstvertrauen gewesen sein. Wir sollten in der Gegenwart Gottes sein, damit alles, was von uns ist, gerichtet werde. Allein Gott hilft uns, wie ich schon gesagt habe. Hier hatte Gott durch die Größe der Offenbarungen, die Er Paulus hatte zu teil werden lassen, eine Gelegenheit gegeben, die das Fleisch benutzen konnte. In Seiner Fürsorge begegnet Er der Gefahr, welcher Paulus gewiss nicht in der richtigen Weise entgegengetreten sein würde, denn Gott züchtigt nicht nach Gutdünken. Er gibt dem Engel des Satans in Bezug auf Paulus Freiheit,- damit er jedoch — wie bei Hiob — Seinen Zweck erfülle. Und so bekam Paulus irgendein Gebrechen, das dazu angetan war, ihn in seiner Rede verächtlich zu machen. „Meine Versuchung, die in meinem Fleische war, habt ihr nicht verabscheut," sagt er zu den Galatern — es war ein natürliches Gegengewicht gegen die Überschwänglichkeit der Offenbarungen.

Was würde das Fleisch nun damit machen? Es würde das, was ihm ein Hindernis zu sein schien, beseitigen. Für wen ein Hindernis? Nun, für Paulus. Ganz recht. Paulus sollte niedergehalten werden — schreckliche Wahrheit für uns! Müssen wir denn schwach und kraftlos gemacht werden, um gesegnet und benutzt werden zu können? Ja, wenn — elende Würmer, die wir sind — wir als Menschen Gefahr laufen, uns auf die Kraft des Fleisches zu stützen. Die Werke, die auf der Erde getan werden, tut Gott selbst, aber es ist vor allem ein geistliches Werk. Er gibt das Wachstum. Wenn Er in gewissem Sinne das' schwache Gefäß der Gefahr aussetzt — und in vielen Fällen begibt es sich selbst hinein — so kommt Er der Gefahr zuvor, indem Er die Wurzel bloßlegt. Er gebraucht unser Ich durchaus nicht, macht die Ohnmacht der Natur in Bezug auf irgendetwas Gutes nicht nur offenbar, sondern Er zeigt sie uns selbst, und das ist es, was uns nottut.

Es ist ein durchaus göttliches Werk, wenn wir dahin kommen zu fühlen, dass das Ich nichts oder ein Hindernis ist; wenngleich es für einen Menschen, der sich im dritten Himmel befunden hat, beschämend ist, im Blick auf diese Tatsache etwas von sich halten zu wollen; aber das Fleisch ist eben unverbesserlich. Was aber das Mittel betrifft, das dazu benutzt worden ist, so ist es ein demütigender Weg, der sich zur Vernichtung des Fleisches geeignet erweist. Wenn nun der Tod unsere Befreiung von der Sünde ist, so müssen wir ihn schmecken, um praktisch befreit zu werden. Das bittere Wasser von Marah muss getrunken werden, nachdem uns das Wasser des Roten Meeres von Ägypten befreit hat. Bringe das Holz des Baumes, das Kreuz Christi, in unser Kreuz, und alles wird süß werden. „Gekreuzigt" ist etwas Schreckliches, gekreuzigt mit Christus — Freude und Befreiung; Schmach ist etwas Grausames, die Schmach Christi — größerer Reichtum als die Schätze Ägyptens. Aber es gibt Fälle, in denen der Wille und die natürliche Abneigung des Fleisches zu leiden, in Betracht kommen; dann wieder gibt es Fälle, in denen die Gefahr durch die Wirksamkeit des wirklichen Bösen hervortritt, wie z. B. Hochmut oder Eitelkeit, wie es bei Paulus hätte der Fall sein können. In allen Fällen muss der Tod geschmeckt werden. Die Nichtigkeit und Ohnmacht des Fleisches muss da, wo es sich geneigt zeigt, sich noch für irgendetwas tauglich zu halten, gefühlt werden. Der Anmaßung des Fleisches, Gutes hervorbringen zu können, muss Schranken gesetzt, ja selbst beseitigt werden; wir müssen uns selbst da unserer Schwachheit bewusst werden, wo wir vielleicht hätten hoffen können, stark oder zu irgendetwas befähigt zu sein.

Was das, worauf das eigene Ich sich stützen könnte, betrifft, so müssen wir erfahren, dass das Fleisch sogar da ein Hindernis ist, wo es scheinbar eine Hilfe war. In dem Werke und den Wegen Gottes kommt es wirklich nicht in Betracht, und wenn es gern etwas sein möchte, so muss es als ein Hindernis gefühlt werden. Dies ist aber noch nicht das Ende, sondern es ist der Weg dorthin. Wir müssen gedemütigt werden, wenn wir es noch nicht sind. Wünschen wir Segen zu empfangen, so muss das Fleisch beseitigt werden, damit der neue Mensch, welcher will, dass Gott den ersten Platz habe, und der nur seine Kraft in Christus findet, frei und glücklich sei und Gott verherrlicht werde. Die Macht Satans und die Macht des Todes tragen im Dienst nur zu unserer Brauchbarkeit in Christus bei; denn die Macht Satans tötet praktisch das Fleisch in uns, und wir haben ein anderes Leben, welches in Christus und für Ihn lebt. Diese Sache wird, wie wir gesehen haben, zuerst in Bezug auf die Gerechtigkeit geordnet: wir sind gestorben und auferweckt; aber dieselbe muss erfahrungsgemäß in uns zur Entscheidung kommen im Blick auf das Leben und die Kraft zum Wandel hienieden. Dann dürfen wir sagen, wenn auch in geringem Maße: „Für mich ist das Leben Christus."

Allein der Umstand, dass das Fleisch praktischerweise getötet wird, gibt uns keine Kraft; wir müssen gänzlich von einem anderen abhängig sein, und wenn unser Herz für den Dienst Christi schlägt, so freuen wir uns, es sein zu dürfen; und dass uns Seine Hilfe zuteilwird, kann uns allein zu Seinem Dienste befähigen. Ihn zu besitzen, erfreut uns in jeder Hinsicht. Was jetzt folgt ist: „Ich will mich meiner Schwachheiten rühmen" — nicht der Sünde, sondern er rühmte sich alles dessen, was das Fleisch in Bezug aus dessen Willen niederdrückte und der Sünde vorbeugte, „auf dass die Kraft des Christus über mir wohne." Hierin liegt die positive Kraft, die zu allem Guten fähig ist, die uns befähigt, alles auf dem Pfade des Gehorsams zu tun, indem wir die ganze Energie der Liebe im Gehorsam an den Tag legen. Denn der christliche Pfad besteht nicht in einem bloßen gesetzlichen Gehorsam, welcher sich einem Willen unterwirft, der dem eigenen Willen entgegentritt, sondern in einem Gehorsam, der sich freut, in Liebe zu dienen, und in' welchem die Liebe sich tätig erweist im Gutes tun. Dieser Pfad wird durch den Willen des Herrn geregelt und durch Seine Macht vollendet; aber in uns hat diese Macht eine abhängige Natur. Hierin besteht der richtige Zustand des Geschöpfes d. h. im Gehorsam und in bewusster Abhängigkeit (und Freude an beiden) von Demjenigen, dem allein alles Lob gebührt, der uns liebt, und aus dessen Liebe wir uns stützen. In dem Dienste drängt uns die Liebe Christi, während uns Seine Macht aufrecht erhält. Das Fleisch, welches uns hieran hindert, muss in den Tod gegeben werden, damit Christus gemäß der Glückseligkeit jener Liebe ungehindert in uns wirken kann. Wenn dies der Fall ist, dann können wir sagen, dass die Liebe Christi uns dränge. „Alles vermag ich durch den, der mich kräftigt," was den eigentlichen Zustand des Christen bezeichnet, sei er Kindlein oder Vater in Christus, obgleich das, was sie zu tun haben, und auch ihre Versuchungen, verschieden sein mag. „Gott aber ist treu, der nicht zulassen wird, dass ihr über euer Vermögen versucht werdet" (1. Kor. 10, 13). Wenn ein Mensch in Christus ist, also erlöst, lebendig gemacht, mit dem Haupte vereinigt, angenehm gemacht in dem Geliebten, dann geht das Werk Gottes dahin, das Fleisch niederzudrücken, und wo es nötig ist, uns die Nichtigkeit desselben fühlen zu lassen. Also behandelt Gott den Menschen, was sein Fleisch und dessen Brauchbarkeit betrifft. Dies ist eine tiefe Lehre voller Segen, abgesehen davon, dass es der Weg zur Quelle der Kraft ist. Wir sind von unserm Ich befreit, und Christus (d. i. Reinheit, Liebe und Glückseligkeit — Gott in Liebe erkannt) ist uns alles. Die Seele genießt eine ungetrübte Freude, indem sie Ihm in praktischer Hinsicht gleich geworden ist.

Es ist nötig, dass wir von Gott belehrt werden, um zu verstehen, was „ein Mensch in Christus" bedeutet. Wenn wir von einem Menschen im Fleische oder von einem Menschen im Geiste sprechen, so meinen wir seinen Zustand oder seine Stellung, das, was ihn vor Gott charakterisiert. „Ein Mensch in Christus" bedeutet nicht, was ein Mensch in sich selbst ist. Der Zustand eines jeden Kindes Gottes ist „in Christus". In dem, was in diesem Kapitel folgt, wird uns viel gezeigt, was das Fleisch ist; aber in diesem Zustand — „in Christus" — hat das Fleisch keinen Platz. Der Leib hat gar nichts damit zu tun. Paulus konnte es aus sich selbst nicht verstehen. Er sagt: „Ich kenne einen Menschen in Christus, ob im Leibe, weiß ich nicht"; d. h. es ist nicht das, was er als ein Mensch hienieden war. Es ist die Stellung eines Gläubigen im Gegensatz zu derjenigen eines Ungläubigen. „Ist jemand in Christus — eine neue Schöpfung". Dies charakterisiert ihn, und der Wert und die Bedeutung derselben werden in dieser Stelle entfaltet. Und weiter: „Ihr aber seid nicht im Fleische, sondern im Geiste, wenn anders der Geist Gottes in euch wohnt. Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot der Sünde wegen." Es ist ganz klar, dass er nichts mit dem zu tun hat, was er außer Christus ist. Was auch immer er vorher sein mochte, er war im Fleische; aber jetzt ist er . in Christus, und alles wird nach Christus bemessen: er hat seinen Platz im zweiten Adam und nicht im ersten. Dies bezieht sich auf seine Stellung, aber es wird sich auch in praktischer Hinsicht zeigen.

Ich möchte zuerst die Kraft und Tragweite von dem zeigen, was es heißt, „ein Mensch in Christus" zu sein. Solange Christus in dieser Welt war, konnte niemand von „einem Menschen in Christus" sprechen. „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein." Die Gnade Gottes wirkte von Adam an; jedoch ist das eine andere Sache. Um zu verstehen, was es heißt, in Christus zu sein, müssen wir wissen, was dieser Christus ist. Warum hatte nun Gott Frieden und Segnungen für einen Menschen in Christus? Weil es anderswo keine für ihn gab. Es würde wohl Gericht für seine Sünde gegeben haben, aber kein Leben oder Gerechtigkeit, noch Kraft; nichts von alle dem, was er vor Gott bedurfte, hätte er besitzen können, ohne in Christus zu sein. Gottlosigkeit und Hochmut, unser eigenes Werk, ist genug vorhanden, aber nichts kann vor Gott bestehen. Wir mögen in unseren eigenen Augen bekleidet sein, aber Adam war nackend vor Gott, sogar als er sich selbst bekleidet hatte. Es mögen gute Eigenschaften, Verstand und anderes mehr vorhanden sein, aber wer ist damit bekleidet? Der Mensch! Er rühmt sich ihrer. Gute Eigenschaften können jedoch auch in Tieren vorhanden sein. Es ist ein Unterschied zwischen Tier und Tier; das eine ist z. B. bösartig, das andere nicht. Es handelt sich nicht um den Verstand und die wunderbaren Eigenschaften des Menschen, sondern darum, wohin dieselben führen; nämlich zum Hochmut, zu der Beanspruchung, etwas zu sein, und damit bekleidet sich der Mensch. Ist das der Weg zum Himmel? Gott sagt: „Da ist nicht ein Gerechter, auch nicht einer". Glaubt der Mensch das, der auf jene Weise in den Himmel zu kommen hofft? Nein! er hat nichts als unflätige Kleider. Wenn er die Stimme Gottes nicht hört, mögen Feigenblätter genügen. Sie mögen dem Menschen genügen, aber vor Gott genügen sie nicht. Gott bekleidete Adam; weil der Tod da war. Wenn sich der Mensch bekleidet, so offenbart dies nur seine Schande. Wenn ihn Gott aber bekleidet, so ist er passend für Ihn; er hat „Christus angezogen".

Der natürliche Mensch wünscht nicht, bei Gott zu sein. Das Gewissen treibt ihn von Gott weg, und sein Herz hält ihn fern. Jeder ehrenhafte, unbekehrte Mensch wird zugeben, dass er keine Freude an Christus hat. Es ist zur Genüge erwiesen, dass die Gesinnung des Fleisches Feindschaft gegen Gott ist. Der Mensch außer Christus ist entweder ein großer, offenbarer Sünder, wie der Zöllner, oder ein ehrenhafter, hartherziger Mensch, der keinen Gefallen an der Aufnahme eines Sünders hat. Siehe jetzt, was der Christus ist, in welchem wir sind. Christus kommt; Gott Selbst beschäftigt Sich mit den Sündern, aber siehe, wie sie Ihn behandeln! Er kannte völlig die Sünde, den ganzen Hass ihrer Herzen, die Übertretung des Gesetzes und tausend andere Sünden, Er kam gerade deshalb — Er kam, um Sünder zu suchen. Die Gnade Gottes, der die Liebe ist, hat sich über alles, was der Mensch ist, erhoben. Wenn der Mensch fühlt, was er vor Gott ist, so kommt er in Verzweiflung.

Man vertraut dann nicht jedermann, weil wir Sünder sind. Gott kennt uns durch und durch. Christus kam, weil der Mensch verloren ist. Das ist der Gott, den du in Christus hast, wenn du es annehmen willst; nimmst du es nicht an, so bleibt nur das Gericht für dich.

Aber in Christus ist Gott über aller Sünde des Menschen, und weil sie ist, was sie ist, so sandte Er Christus, um zu sterben. Was der Mensch unter Güte Gottes versteht, ist Gleichgültigkeit gegen die Sünde. Die Gnade Gottes ändert jedoch nie Seine Heiligkeit. Ehe ein Mensch in Christus sein konnte, war es nötig, dass das ganze Werk getan wurde. Er hat Ihn „für uns zur Sünde gemacht". Zuerst ist Christus zur Sünde gemacht worden, und dann herrscht die Gnade durch Gerechtigkeit. Christus war vollständig allein, um den bitteren Kelch zu trinken, und nun konnte Gott nicht nur Sünder erretten, sondern Er hatte Sich auch in Bezug auf die Sünde verherrlicht. Gott wollte Christus in Sich selbst verherrlichen. Als Christus zur Sünde gemacht wurde, war Gott vollkommen verherrlicht: vollkommene Gerechtigkeit gegen die Sünde, vollkommene Liebe, indem sie Christus trug. Er ist als Mensch zum Thron Gottes emporgestiegen. Jetzt ist dort ein Christus, in welchem sich jemand befinden kann; die Gerechtigkeit ist erfüllt, alles ist vollbracht, und der Heilige Geist ist hernieder gesandt worden, um zu bezeugen, dass Gott diesen Menschen und Sein Werk angenommen hat. Die Gerechtigkeit ist in der Gegenwart Gottes verherrlicht worden.

Als Christ bin ich nicht ein Mensch im Fleische, sondern in Christus. Das ganze Werk ist vollbracht, welches Ihn befähigte, zur Rechten Gottes zu sitzen. Er hat Gott verherrlicht, und Gott hat Ihn in Sich selbst verherrlicht. Ehe es aber einen Menschen in Christus geben konnte, musste ein Christus dort oben sein auf dem Throne Gottes, in welchem er sein konnte. Sobald ich erkenne, was Christus für mich getan hat, indem der Geist dies auf mich anwendet, bin ich ein Mensch in Christus. Es ist nicht jedem gegeben, geistliche Offenbarungen zu haben, wie Paulus sie hatte; Paulus sah völliger durch das, was er hier erblickte, was es war, dort zu sein.

Jetzt sehen wir, was das Fleisch in Verbindung hiermit ist. Im Anfang des Kapitels finden wir die Höhe, zu welcher ein Mensch erhoben werden kann. Der Räuber ging ebenso gut ins Paradies wie der Apostel Paulus, aber es war etwas Wunderbares für einen Menschen hienieden, solche Offenbarungen zu haben. Am Ende des Kapitels sehen wir, wozu das Fleisch fähig ist. Die Natur kann nicht in den Himmel gehen. Wenn es Gott wohlgefiel, Paulus dorthin zu entrücken, so war er sich überhaupt nicht bewusst, ob er im Leibe war oder nicht. „Ein Mensch in Christus" — „über einen solchen will ich mich rühmen". Das ist das Rühmen eines Christen. Mancher wird vielleicht sagen, dass man sich nicht rühmen dürfe; aber Paulus sagt: „Über einen solchen will ich mich rühmen". Es ist ein toter Mensch! Doch nein, er ist nicht tot, er lebt in Christus — als ein Mensch außer sich selbst, aber in Christus. Darin will er sich rühmen; und niemand kann umhin, sich zu rühmen, wenn er dies wirklich glaubt. Man mag nicht alles, was damit zusammenhängt, ergreifen; wenn man es jedoch glaubt, so rühmt man sich darin. Wenn Paulus in einen vierten Himmel entrückt worden wäre, so würde es noch nötiger gewesen sein, einen Dorn ins Fleisch zu bekommen, sonst hätte er sich überhoben. Als er sich in der unmittelbaren Gegenwart Gottes befand, war keine Gefahr für ihn vorhanden, sie fing jedoch an, als er nicht mehr in Seiner Gegenwart war, als er daran dachte. Die Offenbarung an und für sich war keine Kraft; er bedurfte etwas anderes. Wenn er predigte, so hatte er etwas, das ihn demütig machte, das das Fleisch nieder hielt. — den Dorn, nicht Sünde -- etwas, das das Ich vernichtete, indem es den Hochmut des Menschen brach. Er wurde gedemütigt, weil die Gefahr vorhanden war, dass er wohl nicht demütig sein könnte. Das war Kraft für ihn. Wenn er in einer verächtlichen Weise predigte und dennoch Seelen bekehrt wurden, wie es der Fall war, woher kam denn das? Wenn das der Weg ist, Segen zu empfangen, so war es nicht die Macht Pauli, sondern diejenige Christi, die das vollbrachte. „Nun, wenn ich dann auch den Dorn habe", sagt gleichsam Paulus. Wir sehen also, wie der Gefahr, dass sich das Fleisch überheben würde, durch das Demütigen des Paulus vor den Menschen begegnet wird, indem gerade das, was sich aufblähen würde, vernichtet wurde. Und Satan, der es aufblähen würde, ist gerade das Mittel zu seiner Vernichtung.

Nun haben wir die Macht Christi im Menschen, nicht nur einen „Menschen in Christus." Während ich in dieser Welt bin, bedarf ich etwas, das mich hindurchführt und das mich vor der Verführung bewahrt — etwas für den Kampf, in welchem ich mich befinde. Das ist sowohl die Kraft in Christus, als auch in Christus zu sein. Es gab etwas, das die Natur, die sich gerühmt haben würde, niederhielt, und, abgesehen davon, gab es Gelegenheit, Christus hineinzubringen. In Christus gibt es immer etwas, worin man sich rühmen kann. Dass doch niemand glaube, der Gläubige sei nicht berechtigt, alle Vorrechte, die er in Christus besitzt, zu genießen! Alle Hindernisse und alles Elend bewirken, dass er sich mehr in Christus rühmt. Er sagt: „Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten, an Schmähungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Ängsten für Christus; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark."

Am Ende des Kapitels sehen wir, was das Fleisch, wenn es sich selbst überlassen wird, sogar in einem Christen ist. Das Fleisch ist selbst in seiner schönsten Gestalt und mit all seinen Fähigkeiten nur ein Hindernis. Er kann sich nur in dem Gestorbensein des alten. Menschen rühmen — „haltet euch der Sünde für tot, Gott aber lebend in Christus Jesu unserm Herrn." Wir können uns freuen, indem wir finden, dass das Fleisch nichts taugt. Sowohl der Mensch im Fleische, als auch das Fleisch im Menschen ist schlecht. Gott will durch Sein Wort und Seinen Geist zu uns kommen und uns dann dorthin bringen, wo Er ist. Die Sünden sind hinweggetan. Aber du sagst vielleicht, die Sünde sei noch vorhanden. Nun, „die Sünde im Fleische" ist verurteilt worden. Christus ist deswegen gestorben, und ich bin deshalb rein und von derselben gerechtfertigt. Ich befinde mich also nicht mehr in dem verurteilten Zustande. Wenn jemand von uns im dritten Himmel gewesen wäre, so möge ein solcher erkennen, dass das einzige, was das Fleisch hinsichtlich dieser Tatsache tun würde, das wäre, ihn hochmütig zu machen. Ebenso wenig wie ein Mensch im Fleische Gott wohlgefallen kann, kann es auch das Fleisch im Menschen. Selbst wenn man im vierten Himmel gewesen wäre, würde das Fleisch dennoch dasselbe sein. Das sündige Fleisch ist verurteilt worden. Dann kann ich sagen: ich bin gestorben, und ich bin in Christus, in dem Menschen, der Sich zur Rechten Gottes befindet. Ob es sich nun um einen Apostel oder um den einfachsten Heiligen, der jemals lebte, handelt, beide haben die Kraft Christi nötig.

Der Herr wolle geben, dass wir das Fleisch und alles um uns her, was ihm dienlich ist, richten!

Wir machen gewöhnlich einen Fehler, wenn wir über unsere Schwachheit und Unbrauchbarkeit sprechen^ Wir vergessen, dass, wenn wir unsere Pflicht getan haben, wir unnütze Knechte sind. Wenn wir von unserer Schwachheit sprechen, so meinen wir gewöhnlich unsere Fehler damit, und so ist es auch, wenn wir an unsere geistliche Schwachheit oder an unseren Wandel denken. Wenn jedoch Paulus von der Schwachheit spricht, so ist es das, was der Kraft Platz macht — „wenn ich schwach bin, dann bin ich stark"; - und das dadurch völlig hervorgebrachte Resultat ist das Bewusstsein, dass keine Kraft in uns ist. Das ist etwas ganz anderes als Fehler. Unser Fehler muss uns dahin führen, uns vor Gott wegen der Sache, die ihn hervorgebracht hat, zu demütigen. Wenn wir das nun nicht getan haben, was wir tun sollten, weshalb denn nicht? Wir können uns darin nicht rühmen, es nicht getan zu haben. Es gibt eine Kraft, die ein Kindlein in Christus haben kann, und die es bedarf — die Kraft, die durch Weisheit geleitet wird und die nicht fehl geht. Wenn wir noch nicht von unserm Ich befreit und noch voll Selbstvertrauen sind, so muss unser Wille gebrochen werden. Die Anmaßung, Kraft zu besitzen, ist immer der Weg zum Fehlen. Der erste Schritt zu einem Fehler ist immer der, dass wir unsere gänzliche Abhängigkeit vergessen. Wir wissen wohl, dass wir als Christen keine Kraft haben, aber wir vergessen es oft.

Dieses Kapitel zeigt also in sehr beachtenswerter Weise die Handlungen Gottes, um Kraft zu geben. Es ist etwas Wunderbares, was da in dem Herzen des Menschen vor sich geht. Gott lässt uns diese Dinge nicht immer schauen — es würde nicht gut für uns sein, weil wir es nicht ertragen könnten. Zuweilen wird gleichsam der Schleier weggezogen, und wir sehen dann, wie es auch bei Hiob der Fall war, was im Herzen ist, und dass Gott und Satan vorhanden sind. Es ist ernst, wenn Gott also den Schleier lüftet und uns zeigt, was sich in einem armen, kleinen Herzen wie das unsrige zum Guten und Bösen zuträgt! „Gott hat die Welt in ihr Herz gelegt" (Pred. 3, 11); und wenn es damit endet, ist alles Eitelkeit und Qual des Geistes.“

Eine andere Sache, und zwar eine moralische, ist der Wille des Menschen. Wenn der Wille nicht wirksam ist und Sorgen kommen, so ist das das glücklichste Los. Der Erste, der die Frage bezüglich des Willens des Menschen erhebt, ist Gott. Es handelt sich um die Macht Satans, den Willen des Menschen und um die Güte Gottes inmitten dieser Dinge. Man hat das Bewusstsein, dass böses im Herzen ist, und dass es zu stark für uns ist. Man weiß nicht, was man damit anfangen soll. Das Bewusstsein von dem Guten und Bösen ist durch den Fall gekommen. Adam bekam das Bewusstsein des Guten und Bösen mit der Sünde und durch dieselbe, und zwar durch den Ungehorsam. Deshalb kann das Gewissen einen Menschen nicht recht leiten. Der bekehrte Mensch hat das Licht Gottes, das- auf sein Gewissen wirkt. Dies zeigt dem Menschen, was er ist. Die Seele hat ihre eigene Verderbtheit zu bekennen und Gott recht zu geben; und indem ich mich also verurteile, stimme ich in moralischer Hinsicht mit Ihm überein. Gott zeigt dem Menschen, dass er, was seine Natur betrifft, schlecht, bezüglich seines Willens gegenspenstig und hinsichtlich seiner Zuneigungen voll Hass gegen Gott ist; und es ist ein Segen, wenn Er es uns zeigt. Befreiung ist jedoch etwas ganz anderes. Die Herrlichkeit der Wege Gottes besteht darin, dass Er uns, was unser Ich betrifft, durch die Tatsache vollständig zunichtemacht, unsere Errettung durch einen anderen vollbracht zu haben, und zwar als wir nichts als Sünder waren. Ich erfahre, dass Gott die Sünde im Fleische verurteilt hat.

Aber wo? Nun, in Christus. Ich sehe, dass mit meiner Sünde auf dem Kreuze abgerechnet worden ist.

Wie uns der Anfang des Kapitels zeigte, was ein Mensch in Christus empfängt — Offenbarungen u. s. w. (wenn wir sie auch jetzt noch nicht haben, so doch später), so zeigt es uns nachher, was das Fleisch in einem Menschen ist, wohin es führen kann — zu Wortstreitereien, Neid, Zorn u. s. w. Das sind die beiden Äußersten — einerseits Offenbarungen im dritten Himmel und andererseits das Fleisch in seinem schlimmsten Charakter. Die meisten Christen befinden sich in praktischer Hinsicht weder in dem einen noch in dem anderen Zustande.

Paulus sagt: „Ich kenne einen Menschen in Christus" ..... „über einen solchen will ich mich rühmen". Dies sollten alle Christen ergriffen haben. Ist jemand nicht ein Mensch in Christus, so ist er verloren; es ist Einbildung zu glauben, noch etwas anderes zu sein. Kann ich denn wissen, dass ich Christus in der Herrlichkeit gleich sein werde, ohne mich dessen zu rühmen? Wir müssen uns rühmen. Paulus rühmte sich in dem Augenblick, als er die Offenbarungen empfing, nicht — er hatte keine Zeit dazu; aber er rühmte sich nachher alles dessen, was sein Teil war — Christus sein Leben, seine Gerechtigkeit und sein Ruhm. Paulus spricht von diesen Offenbarungen, als „vor vierzehn Jahren" geschehen. Es ist also nicht gesagt, dass wir hier immer in dem wunderbaren Genuss, der mit der Herrlichkeit Christi verbunden ist, leben; wenn das der Fall wäre, so würde das Schauen und nicht mehr Glauben sein. Es lag keine Gefahr vor, aufgebläht zu werden, als er im dritten Himmel war, sie begann, als er wieder zum Bewusstsein des Paulus hienieden kam, nicht während er sich in der Gegenwart Gottes befand.

Durch Christus und in Ihm lerne ich jetzt, dass es überhaupt nicht der Gedanke Gottes ist, das Fleisch, meine alte Natur, zu ändern; der Baum ist schlecht. Das Fleisch in Paulus war fähig, sich durch das Bewusstsein davon, dass er im dritten Himmel gewesen war, aufzublähen.

Es gibt nichts Gutes in uns. Wir sind Sünder und überdies unter dem Fluche eines übertretenen Gesetzes. Wenn das Fleisch in den dritten Himmel gehen könnte, so würde es selbst den dritten Himmel verderben (V. 7). Gott gebraucht das, wodurch Satan einen ins Netz gelockt haben würde, seinen Hochmut nicht aufkommen zu lassen. Es wird uns nicht gesagt, worin der Dorn bestand, aber es war etwas, das Paulus beim Reden verächtlich machte (in der Epistel an die Galater spielt er darauf an), um dem Hochmut, der aus der Offenbarung hätte entstehen können, entgegenzutreten. Viele Menschen wurden bekehrt, aber nicht durch die Beredsamkeit Pauli, sondern durch die Macht des Herrn. Ihr Glaube sollte nicht auf die Weisheit des Menschen, sondern auf die Macht" Gottes gegründet sein. Die Macht Christi war hier für den Menschen. Wir müssen zunichte gemacht werden, indem wir keine Kraft in uns selbst haben. Es wurde dem Fleische nicht erlaubt, in Paulus wirksam zu sein; es wurde ein Engel des Satans gesandt, der ihn mit Fäusten schlug, sonst würde er sich überhoben haben. Das ist der normale Zustand einer Seele — es ist ihr Kraft gegeben, um rächt zu sündigen. Wenn das Herz geübt ist in Abhängigkeit, so richten wir die Wurzel des Bösen, und es kommt nicht hervor. Es ist meine Aufgabe, das Böse in meinem Charakter zu erkennen, indem ich es richte, nicht indem es zum Ausbruch kommt. Wenn ich einen hochmütigen Charakter habe, und ich vor Gott meines Hochmuts wegen gedemütigt bin, so verschwindet das Ich, und ich bin demütiger als irgendein anderer, von Natur äußerst demütiger Mensch. Dadurch, dass das Fleisch in mir ist, habe ich kein böses Gewissen, es ist aber wohl der Fall, wenn ich dem Fleische erlaube, wirksam zu sein. Der Dorn wird geschickt, um das zu verhindern.

Ehe wir zur Kraft gelangen, ist die Frage der Gerechtigkeit durch Christus, der Sich zur Rechten Gottes befindet, erledigt worden; sie ist ein für allemal geordnet. Dies muss erfahrungsmäßig gelernt werden, wenn ich errettet bin; dann habe ich ein Recht auf den dritten Himmel, und die Kraft wird in Schwachheit vollbracht. Der Herr gibt uns nie wirkliche Kraft, ohne uns unsere Abhängigkeit fühlen zu lassen. Ich werde dahin gebracht, meine Schwachheit zu fühlen, wenn ich sehe, wie das Fleisch sogar die Segnungen missbrauchen will, die in Christus die meinigen sind. Deshalb will ich mich vielmehr meiner Schwachheiten rühmen — nicht der Sünde, sondern der Schwachheiten z. B. Schmähungen, Verfolgungen u. s. w. Der Geist bewahrte Paulus vor dem, was ihm ein böses Gewissen gegeben haben würde.


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