JND- Sühnung und Stellvertretung


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Viel Dunkelheit herrscht in der Art, wie das Evangelium verkündigt und ausgefasst wird, und sie kommt nicht zum kleinen Teil daher, dass die sühnende und die stellvertretende Seite des Werkes Christi nicht voneinander unterschieden werden. So wenig es auch auf Worte ankommt (denn in gewissem Sinn war Christus auch in der Versöhnung unser Stellvertreter), so wichtig ist die praktische Unterscheidung dieser zwei Begriffe, welche wir in der Schrift deutlich dargelegt finden. Der Unterschied zwischen Sühnung und Stellvertretung tritt uns klar in den Opfern des großen Versöhnungstages entgegen (3. Buch Mose 16). Aaron schlachtete den Farren und den Bock, das „Teil Jehovas" wie es genannt wurde, und besprengte mit ihrem Blute den Gnadenstuhl, seine Vorderseite und den Altar. Das Blut wurde dadurch Gott dargebracht, dessen heilige Gegenwart durch die Sünde verunehrt und verletzt worden war. Diesem Vorbild entsprechend hat Christus auf Erden Gott vollkommen verherrlicht, indem Er aus vollkommenem Gehorsam und aus Liebe zu Seinem Vater sich hingab und zur Sünde gemacht wurde, Er, der Sünde nicht kannte. (2 Kor. 5, 21.) Unsre Sünden waren die Veranlassung zu diesem Werk, aber Gottes Majestät, Seine Gerechtigkeit, Liebe und Wahrheit, ja alles was Er ist, wurde durch Christus vollkommen verherrlicht, wovon Sein Blut, mit welchem Er in das Heiligtum einging, das Zeugnis und der Beweis war.

Daher kann nun an alle die gute Botschaft ausgehen, dass Gott befriedigt, ja mehr als befriedigt, verherrlicht worden ist; und ein jeglicher, der sich Gott naht im Vertrauen auf dieses Blut, wird von Ihm umsonst und völlig angenommen. Auf den Kopf des Bockes, welcher dieses vorbildete, wurden keine Sünden bekannt, obschon er wegen Israels Sünde geschlachtet wurde. Das Blut wurde einfach Gott dargebracht, zum Zeichen, dass die Sünde Seiner Herrlichkeit und Ehre gemäß beurteilt und gerichtet worden war. Und nie trat Gottes Majestät, Seine Liebe und Sein Hass gegen die Sünde so klar ans Licht, nie wurde Er so völlig verherrlicht, wie in dem Tode Christi. Gott konnte aus Grund desselben dem reuigen Sünder nach Seiner Gnade und Liebe begegnen, ja in der Unendlichkeit derselben die Menschen bitten, zu Ihm zurückzukehren.

Außer diesem aber war noch persönliche Schuld vorhanden, bestimmte persönliche Sünden, für welche Israel, wie alle Menschen heutzutage noch, verantwortlich war, gemäß der Forderung, welche gerechterweise an jeden gestellt werden kann. Demnach bekannte der Hohepriester am großen Versöhnungstag die Ungerechtigkeiten des Volkes auf den Kopf des Bockes Asasel, indem er beide Hände darauflegte. Ihre persönliche Schuld wurde durch ihn, der das ganze Volk darstellte, auf den Bock der Abwendung gelegt, und durch denselben für immer fortgetragen, um nie wieder gefunden oder in Erinnerung gebracht zu werden. Christus nun ist sowohl unser Hohepriester als auch unser Opfer. Er hat alle die Sünden der Seinigen bekannt, als ob es Seine eigenen wären, und hat unsre Sünden an Seinen: Leibe auf das Holz getragen. (1. Petr. 2, 24.) Wir finden in Ihm die Verwirklichung dessen, was die zwei Böcke uns vorbildlich darstellen. Sein Werk hat einen doppelten Charakter, indem Er sich opferte zur Verherrlichung Gottes und um unsre Sünden zu tragen.

„Nicht ohne Blut" ging unser Hohepriester ein ins Heiligtum (Heb. 9), und das Blut war der Beweis von der Vollendung des Werkes Dessen, der „die Sühnung ist für unsre Sünden", ja von diesem Gesichtspunkt ans betrachtet, für die ganze Welt. (I Joh. 2, 2.) Er hat alles getan "was nötig war, und Sein Blut ist mehr als genug, um auch dem größten Sünder Vergebung zu erwerben. Daher lautet die Botschaft au die Welt: „Wer da dürstet, komme, wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst".

In dieser Hinsicht kann man sagen, dass Christus „für alle gestorben ist" , auf dass Er „für alles (oder jeden) den Tod schmeckte" (Heb. 2, 9), dass Er „sich selbst zum Lösegeld gab für alle" (1 Tim. 1,6), das heißt, dass Sein Opfer für die Sünde die völlige, genügende Sühnung für die Schuld eines jeglichen ist, der da kommt.

Wenn es sich aber um Christus als den Sündenträger handelt, so finden wir stets eine gänzlich verschiedene Sprache. Er hat unsre Sünden getragen; Er ist einmal geopfert, um vieler Sünden zu tragen. (1 Pet. 2, 24; Hebr. 9, 28.) Der Ausdruck „alle" wird sorgfältig vermieden. Nirgends wird man in der Schrift finden, dass Christus die Sünden aller getragen habe. Hätte Er dies getan, so könnte nie mehr von ihnen die Rede sein, noch könnten die Menschen nach ihren Werken gerichtet werden. Andrerseits lesen wir oft, dass Christus für alle gestorben sei, und mit dieser Botschaft können wir zu allen Menschen gehen, und ihnen in dem Tod Christi den Grund, ja den einzigen Grund zeigen, auf welchem sie sich Gott nähern können, und zugleich die Liebe Gottes, welche sich darin offenbart. Demjenigen, der glaubt, kann ich weitersagen: „Christus hat eine jede einzelne deiner Sünden getragen, so dass ihrer nie mehr gedacht werden kann".

Wenn wir den Unterschied zwischen der sogenannten arminianischen und calvinistischen Lehre betrachten, so erkennen wir sofort die Wichtigkeit einer genauen Auffassung dieser Dinge.*)

*) Der Ausdruck „Arminianer" bezeichnet diejenige theologische Partei oder Schule, welche das Hauptgewicht aus die Verantwortlichkeit und den freien Willen des Menschen legt, und den unumschränkten , oberherrlichen Willen Gottes in der Auserwählung leugnet. Die Calvinisten vertreten die entgegengesetzten Ansichten. Von beiden kann gesagt werden, dass sie in dem was sie festhalten, Recht, in dem was sie verneinen, Unrecht haben; denn die Verantwortlichkeit des Menschen, und die absolute Oberherrlichkeit Gottes sind beides Wahrheiten, welche wir in der Heiligen Schrift aufs Klarste geoffenbart finden. Der Christ ist daher verpflichtet, sie beide anzunehmen und zu glauben, aber er soll nicht versuchen, sie vernunftgemäß miteinander zu vereinbaren. Wir tun Wohl z beachten, dass in der Schrift den unbekehrten Menschen gewöhnlich ihre Verantwortlichkeit, und die Notwendigkeit einer Entscheidung oder Wahl vor Augen gestellt werden, während Gottes Auserwählung eine Wahrheit ist, welche Seinen Kindern gelehrt wird. Schön und treffend ist gesagt worden: An der Außenseite der Tür des Lebens steht geschrieben: „Wer da will, komme", auf der Innenseite aber, wo die Eingetretenen es lesen können: „Er hat uns auserwählt in Christus vor Grundlegung der Welt“. Die Arminianer sind daher Leuten zu vergleichen, welche, erfreut über die auswendige Inschrift, von der inwendigen nichts wissen wollen; während die Calvinisten wie Solche sind, welche drinnen stehen, und das draußen Geschriebene verleugnen. (Aus „Erklärungen biblischer Wörter und damit verbundener allgemein gebräuchlicher Bezeichnungen".)

Die Vertreter der ersteren sehen in dem Tod Christi nichts weiter als ein Opfer für alle, und verbinden damit gewöhnlich auf allgemeine Weise das Tragen der Sünden. Somit ist alles unklar in Bezug daraus, dass Christus die Sünden des Einzelnen wirklich und vollgültig getragen, oder ein besonderes Werk für die Seinigen getan habe. Sie sagen, dass wenn Gott alle liebte, Er sicher nicht einige insbesondere lieben konnte. Die Errettung wird somit unsicher gemacht, und der Mensch nicht selten erhoben, während die Lehre des Vorbildes, welche wir in dem Bock der Abwendung haben, gänzlich außer Acht gelassen wird.

Die Calvinisten dagegen halten fest daran, dass Christus die Sünden der Seinigen getragen habe, und ihre Errettung somit ganz gewiss sei. Sie bleiben aber bei dem Schluss stehen, dass wenn Er die Versammlung geliebt, und sich selbst für sie dahingegeben habe, Seine Liebe außer ihr keinen anderen Gegenstand gehabt haben könne. Sie übersehen den weitgehenden Charakter der Versöhnung, Sein Sterben für alle und alles, indem sie nicht über die Stellvertretung hinausgehen, und die Bedeutung des Blutes auf dem Gnadendeckel nicht berücksichtigen.

Genau genommen, lesen wir von Christus nie, dass Er die Welt, sondern dass Er die Versammlung geliebt hat, und zwar mit der Liebe eines besonderen Verhältnisses (Eph. 5). Von Gott dagegen heißt es nie, dass Er die Versammlung, sondern dass Er die Welt liebte (Joh. 3), welches Seiner göttlichen Güte entsprach, Seiner göttlichen Natur angemessen war; Sein Ratschluss aber ist etwas anderes. Ohne mich aber dabei aufzuhalten, möchte ich nur darauf hinweisen, welch eine Verwirrung unklare Begriffe über Versöhnung und Stellvertretung in der Verkündigung des Evangeliums hervorbringen müssen, indem sie den Ruf an die Welt schwächen, oder die Sicherheit des Gläubigen zweifelhaft erscheinen lassen, und der Verkündigung der Wahrheit im Allgemeinen Sicherheit und Bestimmtheit rauben. Gewiss wird ein ernstes Verlangen nach der Rettung der Seelen und die Verkündigung Christi, welche aus der Liebe zu Ihm hervorgeht, stets gesegnet werden. Diese Dinge sind wichtiger als große Klarheit und Genauigkeit in der Darlegung von Lehren. Nichtsdestoweniger aber ist Klarheit über die besprochenen Gegenstände eine große Hilfe für den Prediger, selbst wenn er im Augenblick nicht gerade darüber denkt oder spricht; und für die nachherige Auferbauung der Heiligen ist Festigkeit der Grundlage von großer Wichtigkeit.


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