(Aus dem Französischen)
.....Ich glaube, dass das Brot einfach und absolut Brot, der Wein ebenfalls einfach Wein bleibt, und dass in physischer Hinsicht keinerlei Veränderung in diesen Bestandteilen des Abendmahls stattfindet. Es scheint mir eine sehr armselige Anschauungsweise zu sein, wenn man in dieser so kostbaren Verordnung des Herrn materielle und physische Dinge suchen will. Ich besitze z. B. ein schönes Bild von meiner Mutter, welches sie mir, gerade so wie sie war, ins Gedächtnis zurückruft. Wollte jemand mit mir aber von der bloßen Leinwand oder den Farben reden, so würde ich fühlen, dass er mich gar nicht verstehe; denn das alles ist doch nicht meine Mutter. Was mir in dem Bilde so kostbar ist, das ist meine Mutter selbst; und nun will man meine Aufmerksamkeit von ihr weg- und auf die Mittel hinlenken, die nur dazu dienen, sie mir vorzustellen, und zwar deshalb, weil man keine Ahnung von dem hat, was meine Mutter mir ist. Das Bildnis hat nur insofern Wert, als es mir diejenige vorstellt, die nicht mehr da ist. Ich könnte es nicht beiseite werfen wie ein bloßes Stück Leinwand; denn ich unterscheide meine Mutter darin; ich schätze dieses Bild; ich trage es mit mir herum. Wenn ich aber bei der Vorzüglichkeit der bloßen Malerei als Kunstwerk stehen bleibe, so geht die Verbindung mit meinem Herzen verloren.
Beim Abendmahl unseres Herrn gibt es aber noch mehr als das, weil eben — gemäß der Absicht dieser Verordnung — der Herr selbst wirklich durch den Geist bei uns gegenwärtig ist; und dies ist sehr köstlich. Es hat Ihm jedoch gefallen, uns ein physisches (äußerlich, sichtbares, sinnlich wahrnehmbares) Mittel zu geben, durch welches wir Seiner gedenken können, so dass ich berechtigt bin, vergleichsweise von einem Bildnis zu sprechen. Ich bin auch berechtigt, die Idee einer physischen Veränderung des Brotes und Weines zu verwerfen, da der Herr selbst in dem von Ihnen angeführten 6. Kapitel des Johannes im 63. Verse sagt: „Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts."
Die Verse jenes Kapitels jedoch, welche von dem Essen des Fleisches und von dem Trinken des Blutes des Sohnes des Menschen reden, handeln durchaus nicht von dem Abendmahl des Herrn, sondern von Christus selbst. Das Abendmahl redet wohl zu unseren Herzen von dem, wovon auch das Kapitel redet; aber dieses spricht nicht vom Abendmahl, d. h. von dem Sinnbilde, sondern von der Sache selbst (d. i. dem Tode Christi), die im Abendmahl versinnbildlicht wird. Wäre die Anwendung der Verse im 6. Kapitel des Evangeliums Johannes auf das Abendmahl richtig, so würde keiner verloren gehen, der daran teilgenommen hätte, während jeder, der es nicht getan hätte, verloren wäre, wer er im übrigen auch sein möchte. Ferner wären die, welche teilgenommen hätten, nicht- nur selig, sondern für immer errettet. (Siehe Verse 53. 54.) Überdies bezeugt der Herr in demselben Kapitel, dass Er von sich selbst, dem vom Himmel Herniedergekommenen (also nicht von dem Abendmahle) redet, der dahin zurückkehren würde, wo Er zuvor war: in den Himmel. (Vers 35—41. 48. 51. 58—62.)
Das Abendmahl stellt uns Christus nur in einem dieser Zustände vor, und zwar in dem, um welchen, so zu sagen, sich alles bewegt; d. i. es stellt uns einen gestorbenen Christus vor. Diese Tatsache nun, dass es ein gestorbener Christus ist, der uns in den Symbolen des Abendmahls vorgestellt wird, beweist, dass wir in diesen nicht zugleich dabei einen lebenden Christus vor uns haben können. Das würde heißen, den Zustand des Todes leugnen und den Zweck und die Absicht der ganzen Verordnung vereiteln. Allein diese stellt uns den Tod Christi, einen gestorbenen Christus, Seinen für uns dahingegebenen Leib, Sein für uns vergossenes Blut dar. Einen toten Christus gibt es jetzt nicht mehr. Der Herr will, dass wir Seiner in dieser Weise hier gedenken: „Dieses tut zu meinem Gedächtnis." Wir können aber nicht von dem Gedächtnis an einen im Himmel jetzt lebenden Christus reden.
Und sehen wir, wohin diese armen Katholiken (und ich liebe sie sehr) mit ihrer materiellen Erklärung dieser kostbaren Verordnung des Herrn gekommen sind. Sie wollen sie dem Buchstaben nach verstanden haben (der Buchstabe aber tötet) und so lassen sie tatsächlich das Blut weg; sie trinken den Kelch nicht. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, weil der Umstand, dass das Blut vom Leibe getrennt steht (Brot und Wein) den Tod bezeichnet. Wir haben es hier mit einem vollbrachten Erlösungswerke zu tun; wir sind erlöst, gerechtfertigt durch Sein Blut. Als Ersatz für diesen Verlust lehren sie, dass der Leib, die Seele, das Blut und die Gottheit Christi sowohl im Brote als auch im Kelche seien. Wenn aber das Blut noch im Leibe ist, so kann von einer Erlösung keine Rede sein. Ohne dass sie es wissen, ist ihr Sakrament ein Sakrament der Nichterfüllung der Erlösung. Das ist das Resultat, wenn man diese Verordnung materiell auffasst. Es gibt keinen deutlicheren Beweis von dem Spiele, das Satan mit dem Menschen treibt, wenn sie den Geist zu Gunsten des Fleisches aufgeben, als dieser Umstand, dem das römisch-katholische System ihr Bestehen verdankt. Allein ihr Abendmahl ist nicht ein Sakrament der Versöhnung, sondern der Nicht-Versöhnung. Wenn Sie mir sagen, dass viele unter ihnen dabei an den Heiland, an die Wirksamkeit Seines Todes denken, so freue ich mich, das glauben zu dürfen; sie müssen jedoch ebenfalls dabei den Materialismus ihres Systems aufgeben und dafür die Denkweise des Glaubens annehmen. Sie denken alsdann an das für sie vergossene Blut und trinken es; sie denken an einen gestorbenen Heiland, an Seinen für sie dahingegebenen Leib, und sie essen Sein Fleisch. In diesem Falle hat ja Satan ihrem Glauben das nicht verbergen können, was in der Form, der sie so großen Wert beilegen, geleugnet wird.
Es ist mit Joh. 6 gerade so wie mit Joh. 3, wo von uns gesagt wird, wir seien aus Wasser geboren. Wenn dies auf die Taufe angewandt wird, so sind wir durch das Wasser aus Gott geboren. Es ist überall dasselbe System — ein System, das der Feind in die Versammlung eingeführt hat, um die Notwendigkeit eines göttlichen Werkes in der Seele des Menschen zu verneinen, und das Christentum auf denselben Boden mit dem Judentum zu bringen, d. h. zu einer Formen-Religion für diese Welt herabzuwürdigen. Diesen Formen schreibt man dann noch ihrem Wesen nach Wirkungen zu, welche sie selbst im Judentum nicht hatten, nämlich dem Menschen das zu gewähren, was allein das wahre Christentum ihm bringen kann. Die Taufe, sagt man, verschafft uns das, wovon Joh. 3 redet, wogegen Joh. 15 lehrt, dass wir durch das „Wort" allein gereinigt werden, und dieses „Wort" wird uns als lebend, gestorben und wieder für uns auferweckt vorgestellt. (Eph. 5, 26.)
Schwächen wir hierdurch die Wichtigkeit oder die Kostbarkeit des Abendmahls des Herrn? Im Gegenteil; wir wollen nur nicht, dass man es materiell nehme und betonen, dass das, was es darstellt, geistlich im Herzen verwirklicht und genossen werden muss, anstatt dass man nur etwas Materielles daraus mache. Wir sind mit einem verherrlichten Christus verbunden. Dies ist der Ausgangspunkt unserer Segnungen. Es gibt keinen toten Christus mehr. Der Tod herrscht nicht mehr über Ihn. Ich habe Teil mit diesem verherrlichten Christus; ich bin eins mit Ihm; ich werde Ihm gleich sein. Ich freue mich bei dem Gedanken, Ihn zu sehen, dass ich erwachen werde in Herrlichkeit in Seinem Bilde. Soll ich darum Seinen Tod vergessen? Das sei ferne! denn gerade dieser Tod ist es, der uns durch die innigste Liebe mit dem Herrn verbindet. Dort, wo Er leiden und das große Werk vollbringen musste, stand Er allein; aber mein Herz kann wenigstens bei Ihm sein. Er bat mich nicht im Leiden eins mit Ihm zu sein; ich hätte es nicht vermocht. Er war bereit, dort ganz allein zu stehen, Sein Name sei dafür gepriesen! — und Er hat alles vollbracht. Das Herz aber, das sich dort für mich hingeben konnte, ist dasselbe, das jetzt an mich denkt und mich liebt. Indem ich im Abendmahl Seines Todes, Seiner Liebe gedenke, weiß ich mich im Herzen mit Ihm schon droben vereinigt, wo Er jetzt sitzt. Es ist keine andere Person, keine andere Liebe. Sei es beim Abendmahl, wo wir in ganz besonderer und rührender Weise Seines Todes gedenken, oder in anderen Augenblicken, wenn ich an Seinen Tod denke, wenn ich Ihn als für mich gestorben genieße, habe ich Teil mit Ihm als dem jetzt Lebenden, und ich verwirkliche die Liebe Dessen, der immerdar lebt: ich bleibe in Ihm und Er bleibt in mir.
Er sagte nicht: „Tut dieses zum Gedächtnis meines Todes", sondern „zu meinem Gedächtnis". Wir erinnern uns Seiner als des auf dem Kreuze für uns Gestorbenen. Wir erinnern uns Seiner, aber nicht Seiner im Himmel, sondern Seiner als Dessen, der um unsertwillen sich erniedrigte und für uns gestorben ist. Es ist dies sehr wichtig zu verstehen, dass es sich im Abendmahl um einen gestorbenen Christus handelt, der aber in diesem Zustand nicht mehr vorhanden ist. Mit einem auf Erden lebenden Christus könnten wir keine Verbindung haben. Selbst wenn wir als Juden Ihn auf Erden hätten kennen können, so müssten wir doch jetzt mit Paulus sagen: „Wenn wir aber auch Christus nach dem Fleische gekannt haben, so kennen wir Ihn doch jetzt nicht mehr also." Der Tod hat allen Beziehungen Christi zu der Welt dem Fleische nach ein Ende gemacht; und Er lebt jetzt als das Haupt eines neuen Menschengeschlechts. Er ist der letzte Adam.
Der Herr macht es in Joh. 6 zur notwendigen Bedingung des Lebens, dass man Sein Fleisch esse und Sein Blut trinke, d. h. dass man Ihn in Seinem Tode durch den Glauben aufnehme. Demnach gedenken wir Seiner beim Abendmahl vor Seiner Auferstehung, und sind verbunden mit Ihm als dem nach Seiner Auferstehung Lebenden. So wie Er gesagt hat: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht." (Joh. 12, 24.) Demnach sind wir mit einem verherrlichten Christus verbunden; wir kennen Ihn nicht anders. Ein in dieser Welt gestorbener Christus ist jedoch vor allem die Triebfeder der Liebe für das Herz des Gläubigen. Wollen wir aber einen Christus, so wie Er in dieser Welt war, als im Abendmahl vorhanden finden, so verwerfen wir den ganzen Zweck dieser Verordnung, ja, das Christentum selbst. So oft wir aber.dieses Brot essen und den Kelch trinken, verkündigen wir den Tod des Herrn, bis Er kommt. Wollten wir einen lebenden Christus einführen um so zu sagen, diesen gestorbenen zu beleben, so würden wir letzteren preisgeben.
Warum denn wurde gesagt, dass gewisse Personen unter den Korinthern den Leib des Herrn nicht unterschieden? Welchen Leib? Seinen für sie dahingegebenen Leib. Eine vollkommene Liebe, Sein vollbrachtes Erlösungswerk, der Gehorsam, der sich durch keine Schwierigkeit aufhalten ließ, alles das bietet sich unserm Auge im Abendmahl. Wenn etwas anderes darin dargestellt wäre als dieser für uns dahingegebene Leib, so wüsste ich nicht mehr, woran ich wäre und was das Abendmahl überhaupt bedeutete. Lasst uns diesen gestorbenen Leib nicht mit dem Erdenleben Christi vor dem Kreuze beleben; denn da war weder Sein Gehorsam erfüllt, noch Sein Werk vollbracht, noch auch Seine Liebe zu uns vollkommen erwiesen. Lasst uns diesen für uns dahingegebenen Leib auch nicht mit dem Leben eines jetzt auferstandenen Christus beleben, sonst beseitigen wir Ihn als gestorben, und der Tod, der doch die Grundlage des Heils, der Beweis des Gehorsams und die Verherrlichung Gottes ist, ist nicht mehr da.
Nehmen Sie mir diesen Tod nicht weg, diesen dahingegebenen Leib, dieses ein für allemal vergossene Blut, welches mir sagt, dass alles vollbracht ist, und dass durch die Liebe meines Heilandes die Sünde für immer hinweggetan ist. Wenn Sie mich aber dahin bringen können, dass ich das Köstliche in diesem gestorbenen Heilande, in dem Tode Dessen, der der ewige Sohn Gottes ist, tiefer erfasse, dass ich Ihn mit mehr Glauben, mit mehr geistlichem Sinn, mit mehr Innigkeit genieße, dann werde ich Ihnen sehr dankbar sein.
Wenn die Seele mit Ihm als dem Lebendigen in Gemeinschaft steht, so gibt es nichts Köstlicheres für sie als Sein Tod. Ja, dieser Tod ist für Gott selbst köstlich: „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, aus dass ich es wiedernehme". (Joh. 10, 17.)
Für mein geistliches Verständnis ist Sein Tod das Ende, oder vielmehr der Beweis und das Bewusstsein, dass ich mit dem ersten Menschen zu Ende gekommen bin, dass der erste Mensch nicht mehr für den Glauben besteht, während Sein Tod für mein Herz die unvergleichliche Liebe des Herrn bedeutet. Ich bin im Lichte dieses Todes weder Jude noch Heide, noch auch ein lebender Mensch mehr für diese Welt; ich bin ein Christ. Der Tod Christi, der das Haupt ist über alles, hat dem ersten Menschen ein Ende gemacht; Er hat uns in die neue Schöpfung gebracht, und zwar als Erstlinge, die mit Ihm verbunden sind.
Ich unterscheide in dem Brote den Leib des Herrn, jedoch Seinen für uns dahingegebenen Leib; ich unterscheide Sein vergossenes Blut, mit einem Wort Seinen Tod. Es ist daher kein gewöhnliches Essen, das wir im Abendmahl haben; es ist auch nicht ein bloßes Andenken, sondern eine Verordnung, welche Christus den Seinigen hinterlassen hat, nicht damit sie in den Symbolen etwas anderes finden sollen als Brot und das Gewächs des Weinstockes, sondern damit ihr Glaube sich in der Kraft des Heiligen Geistes in dieser lieblichen Weise von Jesu nähre, und von dem, was Er für sie war, als Er sich am Kreuze für sie hingab. Die Liebe, die sich in dieser Hingabe offenbart, ist alles für uns. Wenn ich nun dieses Gedächtnismahl leichtfertig behandeln, den Leib des Herrn darin nicht unterscheiden würde, so würde ich des Leibes und des Blutes des Herrn schuldig sein; denn gerade dieser Leib und dieses Blut werden mir in demselben vorgestellt.
Ich glaube nicht, dass irgend jemand auf der Welt das Abendmahl des Herrn mehr genießt, als ich es tue, obwohl viele ohne Zweifel mehr Frömmigkeit besitzen als ich. Aber was mir das Abendmahl so köstlich erscheinen lässt, ist der Umstand, dass es mir den Leib und das Blut des gestorbenen Heilandes — und infolgedessen eine vollkommene Liebe und ein vollkommenes Werk — vor Augen stellt. Aber Er kann nicht in Seinem gestorbenen Leibe, den ich im Abendmahle unterscheide, gegenwärtig sein; will man Ihn aber lebend in das Abendmahl einführen, so existiert das, was ich unterscheiden soll, nicht mehr.
Alles dieses hängt mit der Tatsache der ganz neuen Stellung des lebenden Christus zusammen, mit der Lehre, welche Paulus uns mit so viel geistlicher Kraft vorstellt, und die der Feind immer wieder, und sogar unter der Form der Gottseligkeit, zu verbergen bemüht war. Welchen Schmerz erlitt er durch die Anstrengungen des Feindes, die Seelen zum Judentum zurückzuführen, als lebten sie noch in der Welt. „Ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott." (Kol. 3, 3.)
Möge Gott uns Gnade geben, den Leib des Herrn mehr und mehr in dieser köstlichen Verordnung zu unterscheiden, Sein Fleisch zu essen und Seinen Tod mehr zu verwirklichen! Ja, dieser Tod ist kostbar; er begegnet uns in unseren Bedürfnissen, gerade da, wo wir sind, und befreit uns, indem er uns dahin bringt, wo Jesus jetzt ist, und zwar in der Kraft eines neuen Lebens, welches infolge Seines Todes das alte Leben nicht mehr kennt.
Ich habe Ihnen ausführlich geschrieben; denn ich verweile gerne bei diesem Gegenstand. Weit davon entfernt, leichthin vom Abendmahl zu denken ist es für mich die kostbarste aller Einrichtungen. Damit sie es aber sei, muss sie mir einen gestorbenen Heiland vorstellen.
Es gibt noch eine andere Seite der Wahrheit von dieser Verordnung des Herrn, nämlich die Einheit des Leibes, die ich nicht berührt habe, weil sie außerhalb Ihrer Frage lag. Ich hoffe aber, dass Sie meine Gedanken verstehen werden, obwohl ich sehr eilig geschrieben habe.