JND- Wie könnte ein Mensch gerecht sein vor Gott? (zu Hiob)


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(Nach einem Vortrag über Hiob)

Wir sehen in Hiob das Beispiel einer starken, aufrichtigen Seele, welche die Gnade nicht kennt und dazu sehr eigenwillig ist. Hiob wusste, dass er kein Heuchler, sondern ein rechtschaffener Mann war: Gott sagte es auch von ihm, und Hiob war sich dessen bewusst. Allein, es befand sich auch bei ihm viel Selbstgerechtigkeit, Selbstgefälligkeit und Eigenwille. Als' ein frommer Mann schrieb er das, was über ihn gekommen, Gott zu, aber sein Stolz ließ ihn sich dagegen auflehnen. Die Übungen einer Seele, die sich in diesem Zustand befindet, sind sehr beachtenswert. Hiob sagte manches Richtige von Gott, und er wusste, dass Gott ihn nicht so behandeln würde, wie seine Freunde es taten, aber er konnte Gott nicht finden. Er wünschte es sehr; denn er wusste, dass Gott ihm Gerechtigkeit gegenfahren lassen würde, wenn er Ihn fand. „Er ist als Einer, und wer kann Ihn abbringen?" Aber Hiob konnte Gott nicht finden. Ihm war das Rätsel noch nicht gelöst, wie es bei uns der Fall ist; er hielt sich für gerecht. Die Frage, welche sich erhob, war: Wie kann Gerechtigkeit gefunden werden? Wir sehen hier eine Seele im Kampf mit Satan.

In Hiobs Seele war Leben vorhanden, und es gab viel Liebenswürdiges in seinem Wandel und Leben, viel rechtschaffenes Handeln u. s. w. „Und Jehova sprach zu Satan: Hast du achtgehabt auf meinen Knecht Hiob?" Es war also nicht Satan, der zuerst zu Gott sprach, sondern Gott war es, der auf Hiob hinwies. Er wusste auch, was Er zu tun vorhatte; Satan wusste es nicht. Diese Geschichte zeigt uns die Hilfsquellen, welche der Seele zu Gebote stehen, wenn Gerechtigkeit gefordert wird. Sie trug sich zu, bevor das Gesetz gegeben wurde; wenn nicht vor den Verheißungen, so doch ehe das Evangelium kam. Wie kann der Mensch vor Gott gerecht sein? Das war die Frage, welche Hiob beschäftigte. Seine Freunde verstanden das gar nicht. Sie gingen von dem Standpunkt aus, dass diese Welt die Stätte sei, wo Gottes Gerechtigkeit in Seiner Regierung sich zeigt, aber Hiob sah, wie gerade die Gottlosen in der Welt emporkommen, während die Gerechten trauern.

Manche Menschen reden, und mit vollem Recht, davon, dass die zukünftige Welt die Sphäre sei, wo die gerechten Taten ihre Belohnung und die bösen ihre Strafe finden werden. Aber warum werden dann diejenigen, welche würdig geachtet sind, eines guten Platzes in jener Welt teilhaftig zu werden, in dieser gepeinigt? Wir dürfen nun nicht vergessen, dass es außer der Gerechtigkeit auch eine andere Sache, nämlich die Gnade gibt. Diese begegnet der Sünde, ohne aber die Gerechtigkeit zu bestreiten. Allein der Mensch kennt diesen Weg nicht.

Hiob hatte noch nicht gelernt, was seine eigene Gerechtigkeit wert war, auch nicht, wie Gott der Seele ihren Zustand zum Bewusstsein bringt. Weder Hiob noch seine Freunde verstanden die gnadenreichen Gotteswege, d. h. wie Gott an der Sünde vorübergehen konnte, indem Er ihr in Gnade begegnete. Hiobs Freunde konnten gelehrt reden, sie konnten viele Wahrheiten darlegen, aber was für ein Trost lag darin für ein zerbrochenes Herz?

In Christus sehen wir jetzt, wie Gott mit Sündern handelt. Es handelt sich nicht darum, dass die Menschen etwas für Gott zu tun haben, sondern Gott ist zu Gunsten des Menschen tätig, und zwar mit Rücksicht auf dessen verlorenen Zustand. „Mein Vater wirkt bis jetzt und ich wirke." Christus hatte den Sabbat nicht gebrochen, wie die Juden meinten, sondern zeigte nur, dass Gott wirksam war, weil der Mensch sich eben in Sünde und Elend befand. (Siehe Joh. 5.)

In dem vorliegenden Falle nun handelte Gott weder auf Grund des Gesetzes, noch der Verheißungen, noch der vollen Gnade, wie sie uns in Christus entgegenleuchtet, sondern wir finden hier einen Menschen, den Satan anklagt und mit dem Gott sich beschäftigt. Es wurde wohl dem Satan erlaubt, Hiob zu sichten, aber eine Meisterhand war da, welche alles leitete. Der Verkläger erscheint, und Gott sagt: „Hast du acht gehabt auf meinen Knecht Hiob?" worauf Satan ihn dann anklagt. Nun muss Hiob einen anderen Prozess durchmachen, um zu lernen wie ein Mensch, ein Sünder, in der Gegenwart Gottes selbst gesegnet werden, Ihn kennen und Seine Gedanken und Gefühle verstehen lernen kann. Satan mochte Hiobs Güter antasten, aber es wird ihm nicht gestattet, die Hand auf Hiob selbst zu legen.

Was uns zunächst erzählt wird, der Verlust von Kindern, von Hab und Gut etc., erscheint uns vielleicht als ein alltägliches Vorkommnis, aber Gottes Hand ist dahinter, und Er führt Seine Pläne aus. Hiob hält die Verluste aus; er spricht: „Jehova hat gegeben und Jehova hat genommen, der Name Jehovas sei gepriesen." Doch sein Herz ist noch nicht erreicht. Satan sagt: „Haut um Haut, ja alles, was der Mensch hat, gibt er für sein Leben." „Gut", antwortet Gott, „tue was du willst; siehe, er ist in deiner Hand, nur schone seines Lebens." Dann kommt sein Weib auch noch und sagt: „Lästere Gott und stirb!" Aber seine Frömmigkeit hält auch diese Probe aus, sein Herz ist noch immer nicht erreicht; doch muss Gott ein gründliches Werk bei ihm ausführen. Er sitzt im Tor, umgeben von seinen Freunden, ist ein Malzeichen für jedermann; und dies ist zu viel für ihn. Er verflucht den Tag seiner Geburt und beweist, dass er noch nie in Wirklichkeit in der Gegenwart Gottes geübt worden war. Manche können viel Gutes von Gott sagen, die noch nie erprobt und geschmeckt haben, was sie selbst in der Gegenwart Gottes sind. Was wir aber bedürfen, ist eine Gerechtigkeit, die selbst in der Gegenwart Gottes nicht wankt. Wir müssen dahin gebracht werden, nicht nur die Gnade zu kennen und uns ihrer bewusst zu sein, sondern Wahrheit im Innern, in dem Gewissen zu haben.

Petrus musste lernen, was er war. In der Gegenwart Gottes entdecken wir praktischer Weise all das Unheil, welches seine Quellen im Herzen hat. Es tut not, dass diese Tiefen unserer natürlichen Herzen aufgedeckt werden. Wie viele Menschen sind mit Gott so unzufrieden wie nur möglich; nach Heiligkeit nicht begierig, suchen sie, es sich auf Erden bequem zu machen! So lange nicht der Wille in der Gegenwart der Majestät Gottes zusammengebrochen ist, kann von einem richtigen Zustand vor Gott nicht die Rede sein. Gott hasst Gesetzlosigkeit und liebt die Gerechtigkeit; aber was kann das einem von Gott abgekommenen, verlorenen Menschen nützen?

Die Welt geht nach dem Grundsatz voran, dass die Sünde wohl da ist; aber sie betrügt sich selbst. Der Betrug besteht darin, dass der Wille ungebrochen bleibt, während man sich wohl der Sünde bewusst ist. Die, welche Christus annahmen, rechtfertigten Gott. Die Pharisäer murrten, weil Er mit Zöllnern und Sündern aß. Der Zöllner aber kann sagen: Das ist es gerade, was ich bedarf. Der Sünder rechtfertigt Gott dadurch, dass er die Sünde anerkennt und die Gnade empfängt. Der Mensch lernt erst dann Gott kennen, wenn er in Wirklichkeit vor der Frage steht: „Wie könnte ein Mensch gerecht sein vor Gott?" Die Menschen sind gern bereit, mit Gott zu rechten, aber was nützt das, sagt Gott. (Vers 3.) Gott liebt Gerechtigkeit; aber was kann mir das helfen? Wie viele Sünden habe ich begangen, heute, gestern und so weiter? Es nützt nichts, mit Gott in dieser Weise zu reden.

Sodann erwähnt Hiob einen anderen Fall. Er kann Gott in Seiner Majestät nicht antworten, und Seine Liebe versteht er nicht. „Wenn ich auch gerecht wäre, so würde mein Mund mich doch verdammen."

Wie viel unnütze Worte habe ich doch schon diese Woche geredet? Wenn ich nun ungerecht bin, was kann ich tun? Hiob wird in seiner Seele damit gequält, und sagt endlich: „Den Vollkommenen und den Gesetzlosen vernichtet er. Wenn die Geißel plötzlich tötet, so spottet er der Prüfung der Unschuldigen." Eine Geißel, eine Prüfung oder dergleichen kommt, und vielleicht fällt ihr die beste Familie zur Beute. Soll ich nun Gott ausgeben und mich um die Sachen nicht weiter bekümmern? Aber der Mensch hat es nun einmal mit Gott zu tun, und es kann ihm alles nichts helfen. Er kann Seiner Hand nicht entrinnen. Gott ist nicht ein Mensch wie wir. Hiob würde sich gern aus Gottes Gegenwart entfernt haben, wenn er gekonnt hätte; aber er konnte es nicht.

„Alsdann würdest du mich in die Grube tauchen." Ich kann mich selbst nicht rein machen vor Gott. Es ist zum Erstaunen, wie die Menschen durch die Welt gehen. Sie legen ihrem Charakter und Betragen großen Wert bei, suchen Ehre voneinander u. s. w. Aber was sind sie in den Augen Gottes? „Übertünchte Gräber, die von außen zwar schön scheinen, inwendig aber voll Totengebeine und aller Unreinigkeit sind." Je mehr ein Mensch sich anstrengt, gut zu sein, desto mehr findet er, dass er dem Mohren gleicht, der seine Haut nicht ändern kann; das Böse ist in seiner Natur, und er kann es nicht abschaffen. Wenn Aufrichtigkeit des Herzens vorhanden ist, so bleibt der Kampf nicht aus. Das Bewusstsein der Aufrichtigkeit, ohne dass man die Gerechtigkeit kennt, macht das Herz erst recht unglücklich. Hiob sagt: „Sein Schrecken ängstige mich nicht." Diese Furcht war ihm nicht unbekannt, aber für uns hat Gott diese Furcht in Christus weggenommen, und der Schiedsmann, den Hiob so sehr bedurfte, ist jetzt da.

Die Folgen der Sünde sind noch nicht in Erscheinung getreten. Gott beschäftigt sich jetzt mit der Errettung, nicht mit Gericht in Gerechtigkeit. Es kommt die Zeit, wo Er in Gerechtigkeit regieren wird. Jetzt rettet Er die Seelen, und zwar im Blick auf einen besseren Zustand der Dinge hernach, aber dann wird „der Sünder als Hundertjähriger verflucht werden." (Jes. 65, 20.) Wir können nicht von den Umständen auf den Seelenzustand einer Person schließen; wir können nicht sagen, dass solche, auf die der Turm zu Siloam fiel, vor allen Menschen, die in Jerusalem wohnten, Schuldner waren. (Luk. 13, 4—5.)

Wenn ich zu dem Punkt komme, zu sagen: Wehe mir, denn ich bin verloren, so finde ich den „Schiedsmann" zwischen mir und Gott. Gott ist es, der zu mir gekommen, der ich so böse bin, und gerade weil ich so bin. Jetzt wirkt nicht nur Gott in mir, indem Er den brachliegenden Boden meines Herzens aufpflügen lässt, um meinem Gewissen zu zeigen, was lange vorher da war, sondern es handelt sich darum, dass Gott ein Werk für mich tut. Er führt Gerechtigkeit, Seine eigene Gerechtigkeit, für den Sünder herbei. Er tut ein Werk für uns.

Das Erste, was ich also finde, ist, dass dieser mein Zustand Ihn nicht von mir ferngehalten, sondern dass er im Gegenteil Ihn mir nahegebracht hat. Das ist Gnade, nicht Gerechtigkeit. Meine Sünde vor mir zu verbergen, wäre nicht Barmherzigkeit. Mich die Dinge nicht so sehen zu lassen, wie Gott sie sieht, ist keine Barmherzigkeit. Dadurch, dass Er mir begegnet ist, so wie ich bin, hat Er mir Gerechtigkeit erwiesen. Christus erschreckt nie diejenigen, welche in ihrer Not zu Ihm kommen. Dem Heuchler verkündigt Er Schrecken; aber zu dem Armen im Geiste sagt Er: „Fürchte dich nicht! Ich bin alles, was du bedarfst." Du sagst vielleicht: „Aber ich bin ein so großer Sünder." Christus antwortet: „Gerade deshalb bin ich gekommen." Du entgegnest: „Aber ich habe einen schrecklichen Eigenwillen." „Deswegen bin ich gekommen", sagt Christus, „Ich will deinen Willen brechen." „So verurteile auch ich dich nicht", sagte Er einst zu dem von den Pharisäern angeklagten Weibe.

Niemand kann einen Fall finden, wo Jesus ein überführtes Gewissen in Furcht versetzt hätte. Er nimmt unserem Herzen die Furcht, anstatt Furcht zu verursachen. Er ist in der ärmsten und niedrigsten Weise gekommen, um solchen, die in Not sind, zu begegnen, und damit sie ohne Furcht vor Ihm sein möchten. Die Gnade herrscht jetzt; sie ist erschienen in Gottes eigener, gesegneter Unumschränktheit.

Wie verschieden sind doch die Gedanken der Menschen über die Gerechtigkeit von den Gedanken Gottes! Wir, die wir glauben, können die Dinge in der Welt ihren Lauf nehmen lassen, ohne zu versuchen, sie in Ordnung zu bringen, da wir wissen, dass wir etwas Besseres besitzen. (2. Kor. 5, 21.)

Wir haben einen Schiedsmann, der Seine Hand nicht nur auf den Menschen, sondern auch auf Gott legt. (Vers 33.) Er ist der Mittler, der Sühnung zuwege bringt. Christus ist nicht nur zu mir in meinen Sünden gekommen, Er ist auch gekommen, um meine Verantwortlichkeit, meine ganze Sache zu übernehmen. Er hat es getan, Er hat die ganze Frage von meinen Sünden erledigt, und ist jetzt in die Gegenwart Gottes zurückgekehrt, um sich dort immerdar für mich zu verwenden. Er ist einmal unter uns für Gott erschienen, aber jetzt ist Er hingegangen, um für uns in der Gegenwart Gottes zu erscheinen. Ich habe jede Bemühung, mich selbst zu verantworten, aufgegeben; Er hat meine Verantwortung übernommen. Hat Gott Seine Antwort an meiner Stelle angenommen? Hier nun tritt der Glaube ein und nimmt das Zeugnis Gottes an, wenn Er sagt, dass Er Jesus angenommen habe. Das Werk, welches der Schiedsmann getan hat, ist von Gott angenommen worden. Wir wissen nicht nur, dass ein Schiedsmann da ist, sondern auch, dass dieser Schiedsmann sich gesetzt hat, da das Werk beendet und nichts mehr (was das Opfer betrifft) zu tun übrigbleibt. Der Heilige Geist bezeugt dies, denn es heißt: „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken."

Es ist also jetzt Gerechtigkeit vorhanden. Wo? Vor Gott. Ich rede jetzt nicht von den Früchten der Gerechtigkeit, sondern davon, dass Gerechtigkeit nunmehr da ist. Die Haltung Gottes gegen uns ist durch den Umstand bestimmt, dass Er Christus angenommen hat. Gott gab Ihn hin; das ist Liebe. Er hat Sein Werk angenommen; das ist Gerechtigkeit. Furcht ist jetzt nicht mehr vorhanden. Die Gnade herrscht durch Gerechtigkeit. Ich stehe in der Gegenwart Gottes kraft einer vollkommenen Gerechtigkeit. Wo ist Liebe zu sehen? In den Gläubigen ist die Liebe sehr schwach, aber in Gott ist sie nicht schwach. In Ihm finde ich vollkommene Liebe. Er hat mein Herz zerbrochen, weil es ein hartes Herz war.

Wir sehen hier, wie das ganze Land, Sabäer, Chaldäer etc., in Bewegung gesetzt wurde, um Hiobs Herz in den richtigen Zustand zu bringen. Die Hand Gottes war in diesem allem gewesen, und wir besitzen den Schlüssel dazu im Evangelium. Der Eigenwille, Stolz, alles muss zerbrochen werden, aber Gott bleibt vollkommene Liebe. Er hat die Sünde durch das Kreuz hinweggetan, und Er hat Gerechtigkeit zuwege gebracht. Was habe ich denn noch zu fürchten? Obgleich Er unsere Seelen üben will, damit wir Böses und Gutes unterscheiden lernen, so ist es dennoch nur Liebe. Ich kann mich jetzt der Trübsale rühmen, indem ich weiß, dass die Trübsal Ausharren bewirkt, das Ausharren aber Erfahrung, die Erfahrung aber Hoffnung.

Nun, geliebte Freunde! Habt ihr euer Vertrauen auf den Schiedsmann gesetzt? Oder sagt jemand: „Wenn ich nur meine Hände ein wenig reiner waschen und mein Gewissen ein wenig mehr beruhigen könnte, dann würde es gut sein?" Nun, die Gegenwart Gottes würde alle dem ein Ende machen. (Hiob 9, 31.) Was für eine Gerechtigkeit ist das, die in der Gegenwart Gottes vergeht! Das Blut aber ist es, welches Sühnung bewirkt hat, und Christus zur Rechten Gottes ist unsere Gerechtigkeit.


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