JND- Gesichtet wie Weizen


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(Gedanken über Lukas 22, 14—34.)

Wie gut ist es, dass wir zu allen Zeiten auf den Herrn blicken können; denn wenn unser Auge stets auf uns selbst gerichtet sein müsste, so würden wir nicht nur keine Fortschritte machen, sondern auch durch den Gedanken an das Böse in uns völlig entmutigt werden. Wir würden uns immerfort mit diesem Bösen beschäftigen und uns so der Kraft berauben, es überwinden zu können.

Die Natur des Fleisches und die Blindheit des menschlichen Herzens sind erstaunlich. Welch törichte Dinge treten oft zwischen Gott und uns, um vor unseren Blicken das zu verbergen, was wir sehen sollten! Wie folgen die Gedanken des natürlichen Herzens so leicht ihrem natürlichen Lauf (selbst wenn der Herr uns nahe ist) und machen uns gefühllos für die eindrucksvollsten Dinge um uns her! Wir finden ein schlagendes Beispiel dafür in dem oben angegebenen Schriftabschnitt. Der Herr war im Begriff, jenes Werk zu vollbringen, welches mit keinem anderen verglichen werden kann. Er stand auf dem Punkte, den Zorn Gottes für uns arme Sünder zu tragen. Er befand sich in Umständen, welche das Herz Seiner Jünger hätten tief bewegen sollen. Er hatte gerade in den rührendsten Ausdrücken von dem Passahmahle gesprochen, welches Er noch einmal mit ihnen essen wollte, ehe Er litt. Auch hatte Er ihnen gesagt, dass einer von ihnen Ihn verraten würde. Alles das hätte sie niederbeugen und ihre Herzen mit ernsten Gefühlen erfüllen sollen. Aber wie stand es mit ihnen? Sie stritten miteinander, wer wohl von ihnen der Größte sei!

Für uns ist jetzt der Vorhang weggezogen, und wir können kaum verstehen, wie die Jünger in jenem Augenblick mit solchen Dingen beschäftigt sein konnten; aber vergessen wir nicht, dass wir wissen, was bald nachher sich ereignen sollte. Und wenn wir an uns selbst denken, wie viele Dinge vermögen selbst uns, die wir mehr Licht haben als die Jünger damals, von den Gedanken abzulenken, welche in jener Stunde das Herz Jesu erfüllten! Ach! so ist das Herz des Menschen angesichts der ernstesten und feierlichsten Dinge. Fragen wir uns: Welchen Einfluss übt der Tod Christi auf unsere Herzen aus? Ist er kostbar für uns? Wenn wir zu zweien oder dreien in dem Namen Jesu versammelt sind, so ist der Herr bei uns; und doch, welche Gedanken durchkreuzen dann oft unseren Geist und beschäftigen unsere Herzen! Wir sehen hier dasselbe bei den Jüngern, und zwar unter Umständen, die, wie gesagt, in besonderer Weise geeignet waren, ihre Herzen zu rühren. Jesus sagt ihnen, dass Sein Blut für sie vergossen werden würde. „Siehe, die Hand dessen, der mich überliefert, ist mit mir über Tische .... wehe aber jenem Menschen, durch welchen Er überliefert wird!" (V. 21. 22.) Daraufhin fangen die Jünger an, sich untereinander zu befragen, wer es wohl von ihnen sein möchte, der dies tun würde; und man sollte meinen, sie hätten an nichts anderes mehr denken können, als an den bevorstehenden Tod ihres gnadenreichen Herrn. Aber nein! „Es entstand ein Streit unter ihnen, wer von ihnen für den Größten zu halten sei." Welch ein Gegensatz! Aber wir brauchen uns nicht so sehr darüber zu verwundern; denn wenn wir unsere eigenen Herzen erforschen, so werden wir sehr oft diese beiden Dinge neben einander finden, nämlich wirkliche Gefühle, die von unserer Liebe zu Jesu Zeugnis geben, und zugleich (vielleicht in derselben halben Stunde) Gedanken, die gerade so unwürdig sind wie jener Streit unter den Jüngern. Das zeigt uns die Eitelkeit und Torheit des Herzens des Menschen; wahrlich, er ist gleich dem feinen Staube auf der Waagschale.

Der Herr, stets voll Güte und Sanftmut, vergisst sich selbst in Seiner Sorge für Seine Jünger und sagt zu ihnen: „Der Größte unter euch sei wie der Jüngste, und der Leiter wie der Dienende." Er weiß sie durch Sern eigenes Beispiel darüber zu belehren, was die Liebe Gottes ist; und zugleich zeigt Er ihnen die Gnade, welche in Ihm ist, und alle die Treue, die sie Ihm allein zu verdanken hatten. Er sagt gleichsam zu ihnen: Ihr habt nicht nötig, euch selbst zu erheben; mein Vater wird euch erheben. „Ihr seid es, die mit mir ausgeharrt haben in meinen Versuchungen; und ich verordne euch, gleichwie mir mein Vater verordnet hat, ein Reich, auf dass ihr esset und trinket an meinem Tische in meinem Reiche und auf Thronen sitzet, richtend die zwölf Stämme Israels." (V. 28—30.)

Anstatt durch das verabscheuungswürdige Verhalten Seiner Jünger erregt zu sein, zeigt Er ihnen, dass, wenn auch in den Menschen keine Gnade zu finden war, es doch Gnade in einem Menschen gab, in Ihm selbst. Diese Gnade in Ihm ist vollkommen, und Er versetzt Seine Jünger in dieselbe, so hässlich auch ihr Verhalten gegen Ihn gewesen sein mochte. Er befestigt sie in dem Grundsatz der Gnade, gegenüber der Torheit des Fleisches, welche sich eben bei ihnen geoffenbart hatte. Er sagt gleichsam: Möget ihr sein, wie ihr wollt, ich bin nichts als Gnade gegen euch, und ich vertraue euch das Reich an.

Wir sind, Gott sei dafür gepriesen! unter Gnade gestellt, und diese Gnade redet. Sie versichert uns, dass wir, trotz aller unserer Schwachheit, mit Jesu ausgeharrt haben, und dass Er uns das Reich geben will, gleichwie der Vater es Ihm gegeben hat. Nichtsdestoweniger muss die Seele, um diese kostbaren Dinge genießen zu können, geübt werden. Das Fleisch muss uns geoffenbart werden, und dies lässt uns die Notwendigkeit aller jener Prüfungen erkennen, durch welche wir gehen. Aber Jesus befähigt uns, auszuharren, weil wir Ihm angehören. Wenn Er Seinen Jüngern einerseits sagt: „Ich verordne euch ein Reich, und ihr sollt auf Thronen sitzen rc.", sorgt Er andererseits dafür, dass sie erfahren, was das Fleisch ist.

„Simon, Simon!" sagt der Herr, „siehe, der Satan hat euer begehrt, euch zu sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, auf dass dein Glaube nicht aufhöre." (V. 31. 32.) Er sagt nicht: „Du sollst nicht versucht werden; ich werde Satan verhindern, dich zu sichten". Nein; auch verhindert Er die Sichtung nicht. So lässt Gott oft Seine Kinder in der Gegenwart des Feindes; aber indem Er das tut, wacht Er über sie. In Offenb. 2, 10 lesen wir: „Siehe, der Teufel wird etliche von euch ins Gefängnis werfen, auf dass ihr geprüft werdet. . . Sei getreu bis zum Tode, und ich werde dir die Krone des Lebens geben." Gott erlaubt dem Feinde zuweilen, bis zum Äußersten zu gehen, zur Prüfung des Glaubens der Seinigen; aber Er verlässt sie niemals, und das Ende der Prüfung ist immer Segen.

Petrus hätte zum Herrn sagen können: „Du kannst es verhindern, dass ich also gesichtet werde." So meinten auch Martha und Maria, Jesus hätte den Tod ihres Bruders verhindern können; und wahrlich, Er, der die Krone des Lebens zu geben vermag, kann uns auch behüten, dass Satan uns nicht antasten darf. Aber Er tut es nicht, auf dass wir geprüft werden. Satan begehrte einst Hiob zu sichten wie den Weizen, und Gott erlaubte es ihm. Ähnliches gegenfährt auch uns. Wie oft sagen wir zu uns selbst: „Warum handelt Gott so mit mir? Warum hat Er mich in diesen oder jenen Schmelztiegel geworfen?" Nun, Satan hat es begehrt, und Gott hat es erlaubt. Es geschehen oft Dinge, die wir nicht verstehen können; und wozu sollen sie dienen? Sie sollen uns zeigen, was das Fleisch ist.

Wenn Gott einen Gläubigen in Seinem Werke gebrauchen will, so nimmt Er gerade den, der am weitesten auf dem Pfade der Prüfung vorgeschritten ist. So wird auch hier die Gefahr zwar allen Jüngern vorgestellt, aber dann sagt der Herr zu Petrus: „Ich habe für dich gebetet", für dich insonderheit. Jesus unterscheidet ihn von allen übrigen Jüngern, weil er eine hervorragendere Stellung eingenommen hatte als die anderen und deshalb der Gefahr mehr ausgesetzt war, obgleich alle bei dem Tode Jesu gesichtet wurden. Weiter sagt der Herr zu Petrus: „Und du, bist du einst zurückgekehrt, so stärke deine Brüder." Keinem Seiner Jünger sollte die Sichtung erspart bleiben; aber Petrus sollte am ernstesten gesichtet werden, und deshalb war er nachher auch am besten geeignet, seine Brüder zu stärken. Trotz allem diesem war Petrus voll Selbstvertrauen und erkühnte sich zu sagen: „Herr, mit dir bin ich bereit, auch ins Gefängnis und in den Tod zu gehen". Doch der Herr antwortete ihm: „Ich sage dir, Petrus, der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennest". (B. 33. 34.)

Das Fleisch in Petrus hatte nur Kraft, ihn bis zu der Stunde der Prüfung zu führen; dann ließ es ihn im Stich. Petrus verleugnete seinen Herrn sogar in dessen Gegenwart. Er hätte seinen Heiland sehen können, wenn sein Herz sich nicht von Ihm abgewandt hätte. Das Wort einer Magd genügte, um ihn zu dem Ausruf zu bringen: „Weib, ich kenne Ihn nicht!" Er war gewarnt worden; aber der Herr erlaubte nicht, dass er in jenem Augenblick durch göttliche Macht bewahrt wurde, weil er nötig hatte, durch Erfahrung zu lernen, was in ihm war. Mit welcher Sorgfalt und Liebe aber wachte Jesus andererseits über Seinen armen Jünger! Seine Gnade kam ihm entgegen und trug Sorge für ihn während der ganzen Versuchung.

Das Erste, was Jesus ihm sagt, ist, dass Er für ihn gebetet habe. Es führte also nicht etwa die Buße Petrus die Fürbitte des Herrn herbei, sondern umgekehrt brachte die Fürbitte Jesu die Buße bei Petrus hervor. „Ich habe für dich gebetet"; und später lesen wir: „Der Herr wandte sich um und blickte Petrus an". (V. 61.) Auch Judas verleugnete den Herrn, und als sein Gewissen erwachte, tötete er sich. Sobald das Verbrechen begangen war, verließ ihn alles Vertrauen, und er ging hin und erhängte sich. Bei Petrus aber bewirkte die Fürbitte Jesu die Bewahrung des Glaubens in der Tiefe seines Herzens, so dass er, als Jesus ihn anblickte, zusammenbrach. Erstens also hatte der Herr für Petrus gebetet, und zweitens hatte Er stets seiner gedacht, und sobald der Hahn krähte, wandte Er sich um und blickte ihn an; und dann ging Petrus hinaus und weinte bitterlich.

Das ist die Art und Weise, wie der Herr mit uns handelt. Er betet für uns und erlaubt dann, dass wir in die Versuchung kommen. Aber ob Er uns auch leitet, wenn wir in der Versuchung sind, so fordert Er uns doch auf, zu beten, dass wir nicht hineinkommen; und Gott erlaubt alles dieses, weil Er das Ende davon sieht. Wäre Petrus sich seiner Schwachheit bewusst gewesen, so würde er es nicht gewagt haben, sich vor dem Hohenpriester zu zeigen. Die Prüfung war die naturgemäße Folge dessen, was er im Fleische war; aber es war Gottes Vorsatz, ihn zu benutzen und ihm selbst einen hervorragenden Platz in Seinem Werke zu geben. Die Ursache seines Falles war Selbstvertrauen; das Fleisch war da und war wirksam.

Gott machte alles wohl für Petrus, und dieser erkannte, wie groß die Macht der Sichtung Satans war. Die übrigen Jünger besaßen nicht dieselbe fleischliche Kraft und flohen deshalb sofort. Sie hatten nicht so viel Vertrauen wie Petrus; aber Gott ließ ihn mit Satan streiten, und Jesus betete für ihn, trotz seines tiefen Falles, damit sein Glaube nicht aufhöre. Sobald Petrus den Fall getan hatte, wandte sich das Auge Jesu auf ihn. Dieser Blick gab ihm keinen Frieden, sondern verursachte Beschämung des Angesichts und Zerknirschung. Petrus weinte bitterlich. Er ging hinaus, und alles war vorüber. Er hatte gelernt, was er war. Der Fall war getan, die Sünde war geschehen und konnte nie wieder ungeschehen gemacht" werden. Sie mochte vergeben werden: aber sie aus- löschen, als nie geschehen, war unmöglich. Petrus hat sicherlich nie wieder vergessen können, dass erden Herrn verleugnet hatte; aber Jesus benutzte seinen Fall, um ihn von seiner Anmaßung und Überhebung zu heilen "

Gerade so ist es mit uns. Wir begehen oft, aus zu großem Vertrauen auf uns selbst Fehler, die nicht wieder zu heilen sind. Aber wenn nun keine Möglichkeit vorliegt, unsere Fehler wieder gut zu machen, was muss dann geschehen? Die einzige Zuflucht ist, sich auf die Gnade Gottes zu werfen. Wenn das Fleisch zu stark ist, erlaubt Gott oft, dass wir fallen, weil wir nicht in jenem gesegneten Stande der Abhängigkeit sind, welcher uns vor dem Fall bewahren würde. Wenn Gott das Herz in dieser Weise prüft, überlässt Er es zuweilen den Händen Satans; niemals aber überlässt Er das Gewissen Seiner Kinder den Händen des Feindes. Das Gewissen des unglücklichen Judas war in den Händen Satans, und deshalb geriet er in Verzweiflung. Das Herz Petrus war für eine Zeitlang in seinen Händen, niemals aber sein Gewissen; und anstatt zu verzweifeln, wie Judas, hatte die Liebe Jesu, die sich in jenem Blick ausdrückte, Gewalt, sein Herz zu rühren.

Sobald die Gnade in dem Herzen wirkt, erwacht das Bewusstsein von der Sünde, die geschehen ist; aber zu gleicher Zeit erreicht die Liebe Christi das Gewissen und vertieft dieses Bewusstsein. Und weshalb und in welchem Maße wird dieses Bewusstsein von der Sünde vertieft? Weil, und in demselben Maße wie, das Bewusstsein von der Liebe Christi tief ist.

Die Vergebung, welche Petrus zuteil wurde, war vollkommen. Aber nicht nur wurde ihm Vergebung zuteil, sondern sein Gewissen war auch in den Händen des Herrn, als der Heilige Geist ihm die Fülle des Herzens Jesu offenbarte. Sein Gewissen wurde so völlig gereinigt, dass er hernach die Juden gerade jener Sünde beschuldigen konnte, die er selbst unter den ernstesten Umständen begangen hatte. „Ihr habt den Heiligen und Gerechten verleugnet", so lautet seine Anklage gegen sie. (Apostelgesch. 3, 14.) Das Blut Christi hatte sein Gewissen vollkommen gereinigt. Aber wenn es sich um ihn und seine Kraft in dem Fleische handelte, so hat er seine Sünde nie wieder vergessen; von sich selbst konnte er nichts anderes sagen als: Ich habe den Herrn verleugnet; und, wäre es nicht auf Grund Seiner reinen, unvermischten Gnade, so wäre ich nicht imstande, meinen Mund zu öffnen.

Jesus warf Seinem Jünger in den Unterredungen, die Er später mit ihm hatte, niemals seine Sünde vor. Wir hören nicht die Frage: Warum hast du mich verleugnet? Oder: Wie war es nur möglich, dass du so handeln konntest? Nein; Er erinnert ihn nicht einmal an seinen schweren Fall. Er handelt im Gegenteil nach jenem kostbaren Ausdruck der Liebe: „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken". Jesus hatte gleichsam alles vergessen. Aber eine Sache gab es, die Er Petrus zeigen musste, und das war die Wurzel seiner Sünde, der Punkt, wo er gefehlt hatte. Satans Versuchung, verbunden mit seinem Mangel" an Liebe, war die Ursache seines Falles gewesen und hatte sein Vertrauen zerstört. Jetzt aber, nachdem sein Gewissen aufgewacht war, war es notwendig, dass ein geistliches Verständnis wachgerufen wurde. Petrus hatte sich gerühmt, Jesus mehr zu lieben als alle die übrigen Jünger; und Petrus war tiefer gefallen als sie alle.

So sagt denn der Herr zu ihm: „Simon, Sohn Jonas, liebst du Mich mehr als diese?" Joh. 21, 15.) Wo ist jetzt das Selbstvertrauen Petrus? Jesus fragt dreimal: „Liebst du Mich?" aber Er erinnert Seinen Jünger nicht an das, was geschehen war. Petrus antwortet: „Ja, Herr, Du weißt, dass ich Dich lieb habe". Er beruft sich auf Jesus selbst und auf Seine göttliche Kenntnis: „Herr, Du weißt alles; Du erkennst, dass ich Dich lieb habe." So also handelte Jesus mit Seinem Jünger; das tat Er für Petrus, und zwar nach seinem Falle. Er hatte ihm diesen Fall vorhergesagt, und jetzt fragt Er ihn: „Liebst du Mich mehr als diese?" Petrus kann nichts sagen, ausgenommen dass er seine Schwachheit kennen gelernt und dass er Jesus weniger geliebt habe als die anderen Jünger. Das Verhältnis zwischen Jesu und Petrus ist ausschließlich ein Verhältnis der Gnade. Petrus hatte keine andere Zuflucht mehr, als auf Jesus zu vertrauen; alles Selbstvertrauen war zerstört, und nun konnte er ein Zeuge für seinen Herrn sein. Er hatte die Kraft eines Blickes Jesu an sich erfahren.

Es ist, als ob Petrus sagen wollte: Ich setze mein Vertrauen auf Dich, Herr; Du weißt, wie ich Dich verleugnet habe. Tue mit mir, was Dir gut dünkt. Und Jesus hatte bereits dafür gesorgt, dass Satan dem Herzen Seines Knechtes das Vertrauen nicht rauben konnte, indem Er ihm gesagt hatte: „Bist du einst zurückgekehrt, so stärke deine Brüder." Was machte ihn dazu fähig, seine Brüder zu stärken? Seine Verleugnung des Herrn hatte ihn so eindringlich darüber belehrt, was das Fleisch war, dass er nicht mehr daran dachte, sich zu irgendetwas zu verpflichten; er wusste, dass er nichts anderes zu tun hatte, als auf Gott zu vertrauen. Wie groß auch seine eigene Unfähigkeit, Satan zu gegenstehen, sein mochte, er konnte sich auf die Gnade dessen berufen, der alles weiß. Die Erkenntnis, dass er auf Jesus vertrauen konnte, war es, was ihn stark machte; und erst nachdem der Herr Seinen Jünger an die völlige Unfähigkeit des Fleisches erinnert hatte, vertraute Er ihm Seine Schafe an: „Weide meine Lämmlein!" Und auch erst dann war Petrus fähig, seine Brüder zu stärken.

Das Fleisch setzt immer ein gewisses Vertrauen auf das Fleisch, und in diese Torheit verfallen auch wir oft. Es wird dann notwendig für uns, durch den Kampf mit Satan uns selbst kennen zu lernen. Ein jeder Gläubige hat durch die Umstände, in welche er versetzt ist, zu lernen, was er ist. Gott lässt es zu, dass wir darin von Satan gesichtet werden, damit wir unsere Herzen kennen lernen. Besäßen wir Demut und Treue genug, um zu sagen: „Ich kann nichts tun ohne Dich, Herr", so würde Gott uns diese traurige Erfahrung unserer Schwachheit nicht machen zu lassen brauchen. Wenn wir wirklich schwach sind, hat Gott nicht nötig, uns einen Augenblick uns selbst zu überlassen wenn wir uns aber unserer Schwachheiten nicht bewusst sind, so müssen wir sie auf dem Wege schmerzlicher Erfahrung kennen lernen. Wandelt ein Christ nicht in dem steten Gefühl seiner Schwachheit, so lässt Gott ihn in der Gegenwart des Feindes, damit er sie dort kennen lerne. Gerade dann macht er auch Fehler, welche oft unheilbar sind; und das ist das Schmerzlichste von allem.

Jakob hinkte sein ganzes Leben lang. Warum das? Weil er einundzwanzig Jahre lang in moralischem Sinne gehinkt hatte. Er rang mit aller Macht an der Furt des Jabbok (1. Mose 32); doch muss er sich bewusst gewesen sein, welch ein schwaches Geschöpf er im Fleische war, obwohl Gott nicht zuließ, dass er mit Esau kämpfen musste. Er überließ ihn nicht dem Hasse seines Bruders, sondern gab ihm so viel Glauben, dass er durch dieSchwierigkeit hindurch kam; und Jakob konnte am Ende seines Lebens sagen: „Der Gott, der mich geweidet hat, seitdem ich bin bis auf diesen Tag, der Engel, der mich erlöst hat von allem Uebel usw." (1. Mose 48, 15. 16.)

Wir dürfen niemals überrascht sein, wenn der Herr uns in einer Schwierigkeit lässt. Er tut es, weil es irgendetwas in uns gibt, was gebrochen werden muss, und weil es nötig ist, dass wir ein Gefühl darüber bekommen. Aber hinter allem steht die Gnade. Christus ist lauter Gnade, und wenn Er uns auch zuweilen uns selbst zu überlassen scheint, damit wir unsere Schwachheit kennen lernen, so ist Er doch Gnade, vollkommene Gnade gegen uns. Nicht als Petrus seinen Blick Jesu zuwandte, zeigte sich ihm der Herr, (wenn es sich um den Genuss der Gemeinschaft handelt, so ist es allerdings so), sondern schon vor seinem Falle hatte Jesus gesagt: „Ich habe für dich gebetet." Die Gnade kommt uns stets zuvor.

Jesus sieht, was Satan begehrt, und Er überlässt uns diesem Begehren, aber Er trägt Sorge, dass wir bewahrt bleiben. Nicht als Petrus auf Jesus blickte, sondern als dieser Petrus ansah, ging der letztere hinaus und weinte bitterlich. Die Liebe Christi begleitet uns allezeit, kommt uns zuvor in unseren Schwierigkeiten und bringt uns durch alle Hindernisse hindurch. Während Er uns den Händen Satans überlässt, damit wir durch Erfahrung lernen, was wir sind, ist Er uns allezeit nahe und weiß uns vor den Listen Satans zu beschützen. Welch eine vollkommene Güte und Gnade! Unser teurer Herr liebt uns nicht nur, wenn unsere Herzen Ihm zugewandt sind, sondern Er passt sich jedem Fehler in unserem Charakter an, damit wir völlig und überströmend gesegnet werden möchten gemäß der Ratschlüsse Gottes.

Alles das sollte uns lehren, uns unter die mächtige Hand Gottes zu demütigen, damit Er uns erhöhe zu seiner Zeit. Wenn ich mich nach einem Falle niedergebeugt und schmerzlich bewegt fühle bei dem Gedanken an mich selbst, so sollte ich nicht sofort Trost zu finden suchen, so natürlich das auch erscheinen mag, sondern zu allererst Christus. Ich habe die Unterweisung zu lernen, welche Gott für mich vorgesehen hat. Und wenn du, mein Leser, inmitten schmerzlicher Umstände sagst, du könnest die Belehrung Gottes nicht verstehen, so weiß Gott, worin sie besteht, und Er lässt deine Sichtung zu, damit du auf diesem Wege zu einer tieferen Erkenntnis Seiner und deiner selbst kommen mögest. Er wünscht dir alles das zu zeigen, was Er in dir gesehen hat, so dass du nicht vor einer solchen Sichtung zurückschrecken, sondern lieber suchen solltest, dir die kostbare Belehrung zu eigen zu machen, welche der Herr dir durch dieselbe darbietet. Tun wir das, so werden wir eine viel tiefere Erkenntnis von dem erlangen, was Er für uns ist.

Wir müssen lernen, uns Seiner mächtigen Hand zu überlassen, bis Er uns erhöht. Möge Gott uns geben, Ihn allein zu kennen! Wenn wir nur zu lernen hätten, was wir sind, so würden wir zusammenbrechen und völlig verzagen müssen; aber Gott lässt uns erfahren, was wir sind und was Seine Gnade ist, um uns zu einem herrlichen, ersehnten Endziel zu führen. Wir können darum sagen: „Fürwahr, Güte und Huld werden mir folgen alle Tage meines Lebens; und ich werde wohnen im Hause Jehovas aus immerdar." (Psalm 23, 6.)


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