JND- Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen


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„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde waren vergangen, und das Meer ist nicht mehr.

Und ich sah die Heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus dem Himmel herniederkommen von Gott, bereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut. Und ich hörte eine laute Stimme aus dem Himmel sagen: Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden Sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott. Und Er wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Throne saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu. Und er spricht (zu mir): Schreibe, denn diese Worte sind gewiss und wahrhaftig. Und Er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende. Ich will dem Dürstenden aus der Quelle des Wassers des Lebens geben umsonst." usw. (Offb. 21, 1-8.)

In diesen Versen wird uns das Ende aller Dinge. der ewige Zustand, geschildert. Dieser Zustand tritt erst dann ein, wenn das Mittlerwerk Christi, selbst das, welches Er als König in der Unterwerfung aller Dinge durch Seine tausendjährige Herrschaft ausübt, vollendet ist und Er Sein Reich dem Gott und Vater übergeben hat, damit „Gott alles in allem sei". (1. Kor. 15, 24 u. 28.)

Das Endergebnis aller Wege Gottes ist dann ans Licht getreten: ein neuer Himmel und eine neue Erde sind da; das Alte ist vergangen, alles ist in seiner Art in der Gegenwart Gottes gesegnet, und die Erlösten genießen nicht nur diese Segnungen, sondern sie finden auch ihr Teil in nie endender Herrlichkeit. Der ganze Abschnitt zeigt uns in besonderer Weise, wie es von jeher Gottes Gedanke und Ratschluss war, bei den Menschen zu wohnen.

Diese Wahrheit findet man nicht überall in der Heiligen Schrift; aber wenn uns Gottes Wege entfaltet werden, und vor allem Seine Heiligkeit, (wie es in den Psalmen geschieht, wo es heißt: „Deinem Hause geziemt Heiligkeit, Jehova, auf Länge der Tage"), dann wird uns auch der Vorsatz Gottes mitgeteilt, die Menschen zu Seiner Wohnstätte zu machen, und darin soll die ganze Güte und Liebe Gottes endgültig zum Vorschein kommen.

„Und ich hörte eine laute Stimme aus dem Himmel sagen: Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden Sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott. Und Er wird jede Träne von ihren Augen abwischen". (V. 2—4.) Diese Sprache ist ohne Zweifel bildlich; aber was vor unseren Blicken steht, ist die gesegnete Tatsache, dass Gott selbst alles, was Kummer oder Schmerz bereiten könnte, hinweggetan hat. Es wird uns nicht nur gesagt, dass die Tränen abgewischt werden sollen; nein, mehr, weit mehr als das wird geschehen: Gott selbst wird sie abwischen. Diese Worte zeigen uns das innige Mitgefühl, das der Entfernung alles Schmerzlichen zugrunde liegt, wir haben hier also vielmehr als die bloße Tatsache, dass der Schmerz verschwunden sein wird vor uns; Gott ist es, der alles dies beseitigt, dann ist nicht nur jedes Schmerzgefühl auf ewig vorüber und das Böse auf immerdar verschwunden, sondern Gott selbst hat beides von den Herzen weggenommen, „und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein". Gott hat das Böse hinweggetan, und es wird nimmer wiederkehren. Völlige Sicherheit/ vollkommene Segnung ist da für immer und ewig. Mit dem Bösen sind alle jene Dinge verschwunden, welche dazu dienen mussten, den Menschen zu dem Punkte oder auf den Boden zu bringen, wo er Gott begegnen konnte. Die Liebe Gottes nimmt dann den Platz von allem ein, und indem sie bewirkt, dass alles von Ihm erfüllt ist, schließt sie die Möglichkeit aus, dass das Böse, im Gegensatze zum Paradiese vor alters, je wieder eindringen könnte.

Im 6. und 7. Verse finden wir dann, zwei wichtige Grundsätze: „Ich will dem Dürstenden aus der Quelle des Wassers des Lebens geben umsonst. Wer überwindet, wird dieses ererben, und ich werde ihm Gott sein, und er wird mir Sohn sein." Wir hören hier zuerst von einem Dürstenden und dann von einem Überwinder. Das sind die beiden Arten, auf welche der Geist Gottes wirkt, und Gott entspricht stets den Folgen der Wirkungen des Geistes. Wo irgend der Geist Wünsche und Bedürfnisse in einer Seele weckt (zuerst vielleicht »ach Vergebung und Heiligung, darauf nach Gemeinschaft mit Gott und Freude in Gott), so werden alle diese Bedürfnisse in Gott selbst befriedigt. Darum heißt es; „Ich will dem Dürstenden aus der Quelle des Wassers des Lebens geben umsonst."

Beachten wir wohl, dass hier nicht nur das „Wasser des Lebens" verheißen wird, sondern Gott selbst will dem Dürstenden „aus der Quelle" geben, die allein in Seiner Gegenwart sprudelt. Welch ein kostbarer Gedanke! Der Durst der Seele wird völlig gestillt durch die Quelle des Segens, nach welcher sie verlangt; es ist Gott selbst, und Ihn zu genießen ist sie nun befähigt. Er ist der Urquell aller Segnung.

In dem zweiten Grundsatz: „Wer überwindet, wird dieses ererben", handelt es sich nicht um die Befriedigung von Bedürfnissen, sondern uni die Überwindung von Schwierigkeiten. Im Blick auf den Herrn Jesus selbst heißt es: „Wer überwindet, dem werde ich geben, mit mir auf meinem Throne zu sitzen, wie auch ich überwunden und mich mit meinem Vater gesetzt habe auf Seinen Thron". (Offb. 3, 21.) Und hier wird von denen, die mit Christus verbunden sind, gesagt: „Wer überwindet, wird dieses ererben und ich werde ihm Gott sein, und er wird mir Sohn sein". Der Überwinder tritt also in unmittelbare Verbindung mit Gott. In dem einen Falle finden wir somit die Befriedigung der Bedürfnisse der Seele, in dem anderen die Beziehung, in welcher wir zu Gott stehen. Das ist wenigstens der allgemeine Gedanke.

Wir begegnen hier also dem Zustand und der Stellung der Erlösten in der Ewigkeit. Doch es gibt noch einen anderen Umstand, auf den ich Hinweisen möchte, und das ist das persönliche Glück, das in jenem Zustande genossen wird. Es gibt dann keinen Mittler mehr, und es ist auch keiner mehr nötig; ebenso wenig ist noch ein Bedürfnis nach Gnade und Barmherzigkeit vorhanden, durch welche uns am Tage der Bedrängnis die rechtzeitige Hilfe zuteil ward. (Hebr. 4, 16.)

Bei näherer Betrachtung fordern noch andere Dinge unsere Beachtung. Wir haben gelesen: „Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen, und sie werden Sein Volk sein usw." Gottes Wohnstätte ist dann bei den Menschen. Es handelt sich hier also nicht mehr um einzelne Personen oder um Völker. Selbstverständlich sind nun die Gottlosen ausgeschlossen; aber Gott wohnt nicht mehr bei den Juden, oder bei irgend einem anderen Volke, sondern bei den Menschen. Dabei tritt uns aber auch der Gedanke entgegen, dass die „Versammlung" einen ganz besonderen Platz in dieser Segnung hat.

Der Gedanke Gottes war von jeher, bei den Menschen zu wohnen. Christus wohnte unter ihnen, aber nur eine kurze Zeit, dann ward Er verworfen (1. Petr. 2); hier aber wird es anders sein, jedoch auch nicht so, wie zu den Zeiten Abrahams, Isaaks und Jakobs, wo Gott Seinen Knechten nur zu gewissen Zeiten erschien. Selbst der Aufenthalt Christi hienieden sollte ein Ende nehmen; ganz anders aber verhält es sich hier mit dem Wohnen Gottes bei den Menschen, diese werden nicht nur gesegnet sein, sondern Gott wird dauernd bei ihnen wohnen. Darin liegt aber der besondere Charakter dieser Segnung; und die Versammlung wird, wie schon bemerkt, diese Segnung in einer ganz einzigartigen Weise genießen. Es handelt sich ferner hier nicht um den Besitz des „Lebens in Ewigkeit", sondern um die Gegenwart Gottes bei den Menschen, die Seine Wohnstätte bilden, um sich ihnen völlig zu offenbaren und sie überströmend zu segnen.

Wenn wir auf Adam und den Garten Eden zurückblicken, so finden wir, dass Gott nicht bei ihm blieb, noch bleiben konnte. Der Mensch wurde dort unter Verantwortlichkeit gestellt, um zu sehen, ob Gott bei ihm weilen könne; und die Frage musste zur Entscheidung kommen, ob er gehorchen würde und wir wissen, wie sie entschieden worden ist. Der Mensch war ungehorsam und wurde aus dem Garten getrieben: Die Standhaftigkeit des Geschöpfes wurde in Eden auf die Probe gestellt; es handelte sich dort nicht um ein göttliches Werk der Gnade wie nachher, und Gott konnte deshalb unmöglich dort wohnen.

Allein, nach dem Sündenfall stellte Gott schon die Ankunft des zweiten Menschen, des Herrn vom Himmel in sichere Aussicht. War der erste Mensch, Adam, der List der Schlange erlegen, so sollte der Letzte Adam kommen, und die Macht des Feindes vernichten; so lautete die Ankündigung Gottes, als Er Sein Urteil über die Schlange aussprach. Diese Offenbarung ward gegeben, aber die Welt zeigte sich so böse und verderbt, dass die Flut kam und alle Menschen hinwegnahm, mit Ausnahme Noahs und seiner Familie, die Gott in der Arche vor dem Gericht in Sicherheit brachte.

Das Nächste was wir dann von der Welt hören, ist, dass die Menschen Gott in der Ebene Sinear dadurch herausforderten, dass sie alle Lebenden um einen Mittelpunkt scharen wollten, um die Erde in Unabhängigkeit von Gott in eigener Kraft zur Erhebung ihres eigenen Namens zu besitzen. Geradeso werden es die Menschen dereinst wieder machen, und in noch vermessenerer Weise wie damals; Gott wird sie dann wiederum, „verwirren", wie Er es einst zu Babel getan hat. Die Teilung der Welt in Nationen und Sprachen ist also eine Folge des göttlichen Gerichts; gerade die Tatsache des Vorhandenseins verschiedener Sprachen beweist die Zersplitterung und nicht die Einheit aller Menschen. Der Anfang davon war zu Babel; die Menschen vermochten einer des anderen Sprache nicht mehr zu verstehen. Diese Völker und Zungen, Stämme und Nationen bestehen heute noch und zeigen wie Gott mit den Vereinigungsbestrebungen der Menschen fertig wird.

Doch dann wird eine andere Tatsache offenbar: „Der Gott der Herrlichkeit erschien unseren: Vater Abraham". (Apg. 7, 2.) Er sagte gleichsam zu ihm: „Du musst dich von allem diesen abwenden; es ist die Welt. Du musst aus diesem Lande und aus deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause gehen; denn ich will ein abgesondertes Volk in der Welt haben." So wurde Abraham berufen; aber obgleich wir von der Berufung Gottes, von der Auswahl und den Verheißungen Gottes hören, so wird uns doch nicht gesagt, dass Gott bei Abraham oder den Patriarchen gewohnt hätte. Nun, wir wissen, dass Abraham das Haus seines Vaters nicht sofort verließ, obschon er sein Land aufgab; mit anderen Worten, er hatte noch nicht mit dem Fleische abgeschlossen. Als aber Tarah gestorben war, zog er als ein Pilger und Fremdling aus, und Gott besuchte ihn in herzgewinnender Weise, indem Er ihn Seine Güte und Gnade schauen ließ. Freilich war damit nicht jene geistliche Tiefe und Fülle in Verbindung, in der wir die Offenbarung Gottes heute genießen, dennoch aber behalten die Begebenheiten von 1. Mose 17 und 18 ihren lieblichen Glanz und ihre eigenartige Schönheit.

Dieser Abraham war der Ölbaum Gottes auf Erden, oder genau genommen, die Wurzel desselben, wie wir es in Römer 11 lesen. Dennoch gab es bis dahin hienieden immer noch keine Wohnstätte für Gott. Er besuchte Abraham und schenkte ihm Verheißungen; und obgleich Abrahams Glaube in Ägypten wankte, so wandelte er doch der Hauptsache nach in gesegneter Weise als ein Pilger mit Gott. Aber von dem Versöhnungswerk, der Grundlage des Wohnens Gottes bei den Menschen, kam noch nichts ans Licht.

Erst als Israel in Ägypten war, erhob sich die Frage, was als Sinnbild der Erlösung dienen solle, und so gab die Gnade das Blut des Lammes ohne Fehl, das ein Bild von Christus war, und es wurde an die Oberschwelle gestrichen. Danach gingen die Kinder Israel durch das Rote Meer, das Zeichen des Todes und der Auferstehung Christi. Dann begegnen wir dem tätigen Eingreifen Gottes zur Erfüllung Seiner Verheißungen, und wir haben nicht mehr ein bloßes Versprechen, dass dies oder jenes geschehen, dass dies oder jenes gegeben werden solle, sondern eine tatsächliche Befreiung vor uns. So lesen wir in 2. Mose 19, 4: „Ihr habt gesehen, was ich an den Ägyptern getan habe, wie ich euch getragen aus Adlers Flügeln und euch zu mir gebracht habe." Ähnlich heißt es in 1. Petrus 3, 18: „Denn es hat ja Christus einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, auf dass Er uns zu Gott führe".

Dieses Wort hat sich natürlich noch nicht an unseren Leibern erfüllt, denn wir warten noch auf die Sohnschaft, die Erlösung unseres Leibes (Röm. 8, 23); aber unsere Seelen sind schon jetzt wahrhaft erlöst. Zur Abschaffung der Sünde ist ein Werk vollbracht worden, das seinem Wesen nach eine so unumschränkte Rechtskraft besitzt, dass in sittlicher Beziehung zwischen dem, der Teil daran hat, und Gott nichts mehr steht; ja mehr noch: wer an diesem Werke teil hat, ist zu Gott geführt, und Ihm nahe gebracht, so dass ihm für die Ewigkeit keine Sünde mehr zugerechnet werden kann.

Sage mir, lieber Leser, bist du zu Gott geführt? oder sagst du: „Ich hoffe, einmal dahin zu kommen"? In diesem Falle bist du noch nicht da, wo Gott dich haben will; denn Er tut, keine halbe Sache, Er lässt dich nicht auf dem halben Wege zu Ihm stehen, Christus hat uns, die Glaubenden, zu Gott geführt, und Er vertritt uns nunmehr in der Gegenwart Gottes. Das Werk zur Abschaffung der Sünde ist vollendet; wenn nicht, so kann es niemals vollendet werden, denn Christus kann nicht noch einmal sterben. Das Werk ist vollbracht, und alles, was Gott hinderte, uns zu besitzen, ist durch das Vergießen des Blutes Christi hinweggetan. Zugleich sind wir aus dem Zustande, in welchem wir uns früher befanden, heraus- und nahe gebracht worden, um nun in dem Lichte zu sein, „wie Er in dem Lichte ist".

So steht es mit dem wahrhaft Gläubigen. Welch ein Unterschied besteht zwischen dem, der nur sagen kann: „Ich hoffe eines Tages dahin zu kommen", und dem, der in voller Gewissheit des Glaubens sagt: „Ich bin durch Gottes Gnade dahin gekommen"! Wir wissen sehr wohl, dass alles Gnade ist; aber wenn ich jenes kostbare Werk wirklich im Glauben ergriffen habe und verstehe, so sage ich: Es steht nichts mehr zwischen mir und Gott (ich meine damit nichts Böses, selbstverständlich aber bleibt unser hochgelobter Herr immer der Mittler), alles ist in die Tiefen des Meeres geworfen, und wir stehen in Seiner Gegenwart „heilig und tadellos".

Und was ist die Folge hiervon? Dass Gott unter uns und in uns wohnen kann. Das war Seine Absicht und Sein Vorsatz, wie wir dies in 2. Mose 29, 45 und 46 lesen: „Und ich werde in der Mitte der Kinder Israel wohnen und werde ihnen zum Gott sein. Und sie werden wissen, dass ich Jehova bin, ihr Gott, der ich sie aus dem Lande Ägypten herausgeführt habe, um in ihrer Mitte zu wohnen; ich bin Jehova, ihr Gott." Diese Worte werden später auch auf die Versammlung angewandt. Gott brachte Israel in das Land der Verheißung, um in ihrer Mitte zu wohnen, und Er hat wirklich unter ihnen gewohnt; denn das Wort „Schechinah" (die Lichtwolke, welche sich auf die Stiftshütte und später auf den Tempel herniederließ) bedeutet nichts andres als: Hütte oder Wohnstätte der Herrlichkeit.

So gelangen wir denn zu einer Wahrheit von solch unermesslicher Bedeutung, dass wir ihr fast nicht ins Angesicht zu schauen wagen, nämlich zu derjenigen, dass Gott, wenn die Sünde hinweggetan ist und wir zu Gott geführt sind, in und unter uns wohnt. Wer könnte die Größe dieses Gedankens erfassen! So fragte auch einst Salomo: „Sollte Gott wirklich bei den Menschen auf der Erde wohnen? Siehe, die Himmel und der Himmel Himmel können dich nicht fassen; wieviel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe" (2. Chron. 6, 18.) Ja, was für eine wunderbare Wahrheit ist es doch, dass Gott, um zu offenbaren, wer Er ist, das Volk so vollkommen heiligte, dass Er kommen konnte und Wohnung unter ihnen machte! Und wo wollte Jehova wohnen? Inmitten der Stämme Israels, Und alle Nationen sollten kommen und Seine Herrlichkeit sehen, geradeso, wie es am Ende der Tage wieder sein wird. Wohl wurde alles durch die Untreue der Menschen verdorben; aber dennoch wurde das Heiligtum aufgerichtet, damit die Nationen nach Gott fragen sollten.'

Eine zweite Sache steht hiermit in Verbindung, und diese ist Heiligkeit. In 2. Mose 15, wo wir, wie schon oft bemerkt worden ist, zum ersten Male von dein Wohnen Gottes hienieden hören, wird auch zum ersten Male (außer der schon in 1. Mose erwähnten Heiligung des Sabbattages) von Heiligkeit gesprochen. Ich brauche nicht zu sagen, dass die Gläubigen schon früher von ihr wussten, und sie auch, je nach der persönlichen Treue, in ihrer Gesinnung und in ihrem Wandel offenbart hatten; aber nie vorher war in dieser Weise von ihr die Rede gewesen. Sobald aber die Kinder Israels am Roten Meere gesungen hatten: „Wer ist dir gleich unter den Göttern, Jehova! wer ist dir gleich, herrlich in Heiligkeit . . .!" erfolgt auch das Gebot: „Heiliget euch!" d. h. wandelt in Heiligkeit. Und warum das? Weil in der Erlösung die herrliche Wahrheit ans Licht tritt, dass der Gläubige persönlich zu Gott geführt worden ist; und so steht er in der Gegenwart Dessen, der Licht ist, und in dem gar keine Finsternis ist, (1. Joh. 1, 5) Gott wohnt nunmehr inmitten Seines erlösten Volkes, und das Volk wird geheiligt.

Es ist also unumstößlich wahr, dass es für Gott ein abgesondertes Volk gibt, und Gott wohnte in seiner Mitte! Im Christentum ist aber diese Wahrheit zur vollendeten Tatsache geworden; hier lernen wir diesen Umstand nicht nur im Bilde, sondern in der Tat und Wahrheit kennen; das Blutvergießen des Lammes Gottes das uns vollkommen von unseren Sünden gereinigt hat, sowie die wirkliche Befreiung unserer Seelen durch den Tod und die Auferstehung Christi hat uns Gott nahe gebracht.

Wenn nun jemand dieses volle Heil erlangt hat, so ist er auch „in Christus"; Christus ist nicht nur in ihm (so wahr das auch an und für sich ist), sondern er ist in Christus; und zwar steht dies in Verbindung mit der Tatsache, dass Gott bei den Gläubigen wohnt. An einem Menschen, der erlöst, erkauft und vollkommen gemacht ist, gibt es in dieser Hinsicht keinen Makel mehr, denn Christus hat in Seinem Erlösungswerke alle seine Sünden getragen. Der Gläubige steht also in dem vollen Werte und in der vollen Wirksamkeit des Blutes Christi vor Gott.

Nehmen wir an, wir hätten mit unserm ganzem Herzen an den Herrn Jesus Christus geglaubt, unsre Sünden wären aber trotzdem durch Sein Werk nicht für immer endgültig hinweggetan, so könnten sie es niemals werden; denn Christus müsste sonst nochmals sterben, und das ist unmöglich. Aber, Gott sei gepriesen! die Sünde ist für immer hinweggetan, Hebräer 10, 11 u. 12 sagt: „Und jeder Priester steht täglich da, den Dienst verrichtend und oft dieselben Schlachtopfer darbringend, welche niemals Sünden hinwegnehmen können. Er aber, nachdem Er ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht, hat sich auf immerdar gesetzt zur Rechten Gottes". Er steht nicht mehr da, sondern Er hat sich gesetzt; das Werk ist vollbracht, Sein Blut hat eine vollkommene Reinigung bewirkt, ja sogar zu Israel wurde gesagt: „Und sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorübergehen".

Doch in dem Tode und der Auferstehung Jesu Christi liegt noch mehr als das. Wenn ich Ihn betrachte, der jetzt zur Rechten Gottes sitzt, so sehe ich in Ihm einen Menschen, der diese Welt, zu der Er ja dem Geiste nach nie gehört hatte, vollständig aufgegeben und verlassen hat. Er hat als der Auferstandene einen anderen Schauplatz betrete», nachdem Er durch das Rote Meer oder den Tod hindurch geschritten und als Mensch zu Gott gegangen ist.

Dies ist von höchster Wichtigkeit. Es ist also nicht nur die Sünde hinweggetan, sondern wir sehen auch Christus in einem ganz neuen Kreise; wir sehen nicht nur Gott bei den Menschen wohnen, sondern den Menschen in der Person des Herrn Jesu bei Gott. Christus befindet sich als unser Erlöser in der Gegenwart Gottes. Er hat sich selbst an unserer statt Gott dargestellt, und wir stehen in Christus vor Ihm. Wie ist das nun möglich? Einfach dadurch, dass Er den Heiligen Geist, den anderen Sachwalter herniedergesandt hat, und dass unsere Leiber so zu Tempeln des Heiligen Geistes geworden sind. Durch den Geist genießen wir also unsere Stellung in Christus vor Gott, wir besitzen und kennen diese wunderbare Wahrheit als das Ergebnis des vollendeten Erlösungswerkes und des Hinwegtuns der Sünde und haben so teil an dem Tode und der Auferstehung Christi. Er ist mit Seinem eigenem Blute „ein für allemal in das Heiligtum eingegangen, als Er eine ewige Erlösung erfunden hatte." (Hebr. 9, 12.) Ja, die an Ihn glauben, sind gereinigt, ihre Leiber sind Tempel des Heiligen Geistes und werden dadurch zu Seiner Wohnstätte. Das gilt aber in ganz besonderer Weise von der Versammlung, wie aus Epheser 2, 22 hervorgeht: „in welchem auch ihr mitaufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geiste." Die Versammlung Gottes wurde dadurch die Behausung oder die Wohnstätte Gottes hienieden. Wer könnte die Tragweite und Würde dieser Stellung gebührend beschreiben, in die wir durch unser verherrlichtes Haupt im Himmel angeführt worden sind! denn der Herr selbst hat gesagt: „An jenem Tage werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin, und ihr in mir und ich in euch." (Joh. 14, 20.) Diese Worte deuten auf unsere Vereinigung mit Christus hin, von der es in Epheser 5, 30 heißt: „wir sind Glieder Seines Leibes, von Seinem Fleische und von Seinen Gebeinen". Das also ist das besondere und gesegnete Teil der Versammlung; sie ist hienieden die Behausung Gottes und wird es bleiben bis zu dem Tage, da sie aus dieser Welt entrückt wird, um dann für immer bei dem Herrn zu sein.

Das ist in der Tat etwas Wunderbares und zeigt uns, was wir „in heiligem Wandel und Gottseligkeit" sein sollten. (2. Petr. 3, 11.) Der einzelne Gläubige mag fehlen, und die Versammlung Gottes mag fehlen, ja sie hat so schwer gefehlt, hat ihrer Berufung so wenig entsprochen, dass sie (ich rede hier natürlich von dem, was heute die Versammlung zu sein bekennt) geradezu der Sitz Satans geworden ist (Offb. 2, 13); aber dies alles hat nichts an der Wahrheit geändert, dass die wahre Versammlung, wo irgend wir sie finden, die Wohnung Gottes ist. Der Heilige Geist wohnt in ihr, d. h. in jedem einzelnen Gläubigen, der ihr angehört, obwohl Seine Gegenwart in dm Einzelnen sich zuweilen nur durch einen Seufzer kundgeben mag. (Röm. 8, 26.) Was die äußere Versammlung anlangt, so ist es leider nur zu wahr, dass alles darin verunstaltet und verdorben worden ist; aber die Wahrheit Gottes bleibt trotzdem bestehen.

Ebenso bleibt aber auch jene andere Wahrheit, die wir bereits besprochen haben, wahr, nämlich dass Christus in dem Gläubigen und der Gläubige in Ihm ist. Ja wenn die Versammlung ihren Platz versteht, so ist dies auch wahr von ihr; und das will noch mehr sagen, als nur die Behausung Gottes hienieden zu sein: wir sind mit unserm verherrlichten Haupte im Himmel vereinigt. Einzeln sind wir Glieder voneinander, als Gesamtheit aber der Leib Christi. Daher die ernste Ermahnung: „betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes, durch welchen ihr versiegelt worden seid auf den Tag der Erlösung" (Eph. 4, 30); und der Hinweis, dass die Versammlung wie eine Stadt sein solle, die oben aus einem Berge liegt, deren Licht also nicht verborgen bleiben kann.

Es tritt uns somit zweierlei entgegen: zunächst die Tatsache, dass Gott unter uns wohnt, und sodann das besondere Vorrecht der Versammlung, mit Christus, ihrem Haupte, einsgemacht und vereinigt zu sein. Wenn wir weitergehen, so finden wir, dass im Reiche diese Vereinigung eine völlige ist, denn dann befinden wir uns in unseren verherrlichten Leibern im Himmel (Matth. 13, 43); wir sind dann nicht nur im Reiche, sondern auch im Hause unsers Vaters. (Joh. 14, 1—3.) Es handelt sich nun nicht mehr nur darum, dass Gott in uns hienieden wohnt, sondern wir sind mit Christus vereinigt und haben einen Platz im Vaterhause. Ich kann schon heute sagen: Jesus unser Haupt ist im Himmel und steht im Begriff, auch uns dahin zu bringen und dort einzuführen, wo Er jetzt wohnt; und eben dieses ist es, worüber Er Seine Jünger belehrte, als Er, der Mensch gewordene Sohn, zu Seinem Vater zurückkehren wollte und ihnen sagte: „In dem Hause meines Vaters sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, würde ich es euch gesagt haben; denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seiet." Ja nicht nur das, sondern wir haben jetzt schon Freimütigkeit, im Geiste dort einzutreten. Jesus wird wiederkommen und diejenigen, die Er sich nicht schämt, Brüder zu nennen, zu sich aufnehmen; und dies alles wird geschehen, wenn die Entfaltung Seiner Herrlichkeit in Verbindung mit dieser Welt bevorsteht und das himmlische Jerusalem die Wohnstätte Gottes sein wird. Deshalb sagt auch Johannes: „ich sah keinen Tempel in ihr." (Offb. 21, 22.)

Zur Erklärung des letzten Satzes möchte ich noch ein Wort hinzufügen. In dem irdischen Jerusalem gab es einen Tempel, und Gott wohnte in ihm; aber Er blieb stets hinter dem Vorhang verborgen, und selbst der Hohepriester durfte nur einmal im Jahre in das Allerheiligste eintreten, und sogar dann sah er Gott selbst nicht. Obwohl Herrlichkeit da war, so war es doch nur eine verborgene Herrlichkeit; sie war damals gleichsam in Dunkel gehüllt, abgesehen von dem Licht, das von ihr selbst ausstrahlte. Von dem himmlischen Jerusalem aber steht geschrieben: „der Herr, Gott, der Allmächtige, ist ihr Tempel, und das Lamm." Gottes eigne Herrlichkeit ist, wenn ich mich so ausdrücken darf, der Tempel, jede hindernde Schranke, jede Verhüllung der Herrlichkeit, ist verschwunden Deshalb bedarf die Stadt auch keines Lichtes mehr, weder von feiten der Sonne noch des Mondes; sondern „die Herrlichkeit Gottes hat sie erleuchtet, und ihre Lampe ist das Lamm."

Werfen wir jetzt einen kurzen Blick auf das herrliche Bild hiervon, das uns auf dem Berge der Verklärung gegeben wird. Wir sehen dort in Petrus, Jakobus und Johannes irdische Menschen, in Mose und Elias und in Christus Menschen in Herrlichkeit. Mose und Elias traten dann in die Wolke ein, die, wie ich nicht zweifle, die Schechinah des Alten Bundes ist, und die Jünger fürchteten sich. Was Petrus betrifft so war er so erstaunt und überrascht, dass er nicht wusste, was er sagen sollte, und so schlug er vor, drei Hütten zu bauen, in denen Christus und die beiden Männer des Alten Bundes gleichsam als drei Vermittler der der Aussprüche Gottes wohnen sollten. Aber dann erscheint die prachtvolle Herrlichkeit, die sie überschattet, und aus ihr heraus ertönt die Stimme des Vaters: „Dieser ist mein geliebter Sohn, Ihn höret." (Luk. 9,35.) In diesem wunderbaren Ereignis begegnen wir also den drei Dingen, welche wir im Reiche finden werden: Heilige hienieden, Heilige mit Christus droben verherrlicht, und die Herrlichkeit, die Wohnung Gottes, das Vaterhaus, in welches diese eintreten.

Hier in Offenbarung 21, 1—8 finden wir dasselbe: das himmlische Jerusalem kommt hernieder, um die Hütte Gottes bei den Menschen zu sein. Es ist, wie wir wissen, die Versammlung; denn die Stadt wird die Braut, das Weib des Lammes genannt, und nur die Versammlung ist passend, also mit Christus verbunden zu sein. Dann ist Gott nicht nur bei den Menschen, sondern Seine Hütte, die Versammlung, befindet sich unter ihnen, und Er wohnt in ihr. Dies ist das volle, gesegnete Ergebnis Seines Wohnens bei den Menschen; denn wir werden zuvor zu Ihm ausgenommen worden sein und diesen himmlischen Charakter empfangen haben. (1. Kor. 15,49.)

Es ist eine wunderbare, erhabene Wahrheit, dass es sogar jetzt schon eine Wohnstätte Gottes gibt. Wir besitzen nicht nur Leben und werden dereinst im Himmel glücklich sein, sondern die Gläubigen der Jetztzeit sind hienieden schon die Wohnung Gottes. Die volle Frucht des Erlösungswerkes besteht also darin, dass Gott in uns wohnt; und das praktische Ergebnis hiervon ist: „die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist"; und diese Liebe ist die einzige Quelle unserer Gedanken und Gefühle als neue Menschen, so dass nichts andres eindringen kann.

Was ist nun die praktische Folge davon? Heiligkeit; und in diesem Sinne fängt jetzt schon das Gericht bei dem Hause Gottes an 1. Petr. 4, 17), denn nichts Verunreinigendes kann irgendwie in Gottes Gegenwart, und am allerwenigsten da, wo Gott wohnt, geduldet werden. So gründet sich denn auch die Heiligkeit, die aufs innigste mit der Wohnstätte Gottes verbunden ist, auf die Erlösung.

Alles ist auf die Erlösung gegründet. Adam konnte im Stande seiner Unschuld die Heiligkeit nicht erreichen, von welcher wir reden. Er schenkte dem Feinde Gehör, aß von der verbotenen Frucht und wurde aus dem Paradiese vertrieben. Dann sehen wir etwas ganz Neues: die Erlösung. Der Sohn Gottes kam auf diese Erde herab und stellte die Verantwortlichkeit des Menschen auf ihre letzte, endgültige Probe. Der Mensch verwarf Ihn; er mochte auch Ihn nicht. Gott aber wollte nicht eher richten, bis das Maß der Gesetzlosigkeit des Menschen voll war; aber als dieser selbst den Sohn verwarf, war es voll. Man hat nachher auch noch das Zeugnis des Heiligen Geistes verworfen, wie wir aus der Apostelgeschichte ersehen, aber schon am Kreuze war das Maß der Bosheit und Gesetzlosigkeit voll. Und nun tritt die herrliche Frucht des Erlösungswerkes ans Licht: Der Mensch wird durch Einen, der Gott vollkommen und in allem verherrlicht hat, von dem Boden des Gerichts, auf welchem er steht, genommen. Die Sünde ist nach vollbrachtem Erlösungswerk aus Gottes Augen hinweggetan, und eine Befreiung, eine vollkommene Errettung ist zuwege gebracht, welcher wir durch den Glauben teilhaftig werden. Alle, die jetzt durch die mächtige Wirkung dieses Erlösungswerkes zu Gott gebracht sind, stehen jetzt als Menschen nicht mehr unter der Verpflichtung, sich selbst zu verantworten und dabei die Entdeckung zu machen, dass sie zu nichts Gutem taugen, sondern sie sind durch das Werk Christi in die neue Schöpfung eingeführt; „wenn jemand in Christus ist, da ist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden." (2. Kor. 5. 17.) Der Gläubige gehört jetzt nicht mehr der alten Schöpfung an (seinem Leibe nach allerdings wohl, aber davon rede ich jetzt nicht; der innere Mensch gehört nicht zu ihr), sondern der neuen Schöpfung, wie Jakobus sagt: „Nach Seinem eigenen Willen hat Er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt, auf dass wir eine gewisse Erstlingsfrucht Seiner Geschöpfe seien." (Kap. 1, 18.) Dies also ist der Charakter der Versammlung Gottes.

Wir sehen somit, dass es nichts Geringes war, was Gott für uns getan hat; nein, Er hat uns als eine neue Schöpfung mit sich selbst versöhnt durch Jesus Christus. Wir sind Seine Wohnstätte geworden; und was finde ich jetzt im Blick auf die Heiligkeit, von der wir gesprochen haben? Eben dies: dass ich nicht mehr mir selbst angehöre, sondern um einen Preis erkauft bin. Ich bin für Gott geheiligt, für Christus abgesondert, und ich soll die Sphäre des himmlischen Lebens auf alle meine Gewohnheiten, Gefühle und Wege einwirken lassen und in allem zu Ihm hinwachsen, der das Haupt ist, indem ich Christus täglich mehr und besser kennen lerne. Welch eine Heiligkeit ist der Versammlung Gottes eigen und geziemt sich daher für den wahren Christen! Möchten wir deshalb allezeit die Worte vor Augen und im Herzen haben: „betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes, durch welchen ihr versiegelt worden seid auf den Tag der Erlösung."

Mein lieber Leser, lass mich dich fragen: Wie behandelst du diesen himmlischen Gast? Ich rede jetzt in aller Ehrfurcht von der Gegenwart Gottes in dir und mir. Wie oft am Tage denkst du wohl daran, dass dein Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist? Denke dir, der Kaiser würde zu einem von uns kommen und eine Zeitlang bei uns bleiben; nicht wahr, wir würden an nichts anderes mehr denken, als an die Gegenwart unseres kaiserlichen Herrn? wir würden ihm von ganzem Herzen die Achtung entgegenbringen, die ihm jedermann erweisen sollte? Angenommen nun, du würdest seine Gegenwart vergessen und vernachlässigen — wäre das nicht eine Schande für dich, und würde dir dein Herz nicht bittere Vorwürfe darüber machen? Aber wie steht es mit dem Heiligen Geist, der in uns wohnt? Wir denken nicht die Hälfte unserer Zeit daran, ja wir erkennen diese Wahrheit nur dann an, wenn wir in allem, was wir tun, dem Herrn gefallen wollen. Wir sind dazu berufen, der Gegenwart eines solchen Gastes würdig zu wandeln, und müssen den Tempel rein erhalten. Freilich ist es wahr, dass wir fehlen können, und der Fürsprache Christi bedürfen? doch nicht dieses, sondern jenes ist der Charakter, der uns geziemt. O, wenn unsre Herzen nur mehr daran dächten! Seine Gegenwart in uns ist weit gesegneter als es einst das Wohnen Gottes im Tempel zu Jerusalem war. Sie ist vielleicht nicht so handgreiflich, so offenbar, aber sie ist darum nicht weniger wirklich.

Mein Leser! glaubst du, dass der Sohn Gottes herniedergekommen ist, der als Gott selbstverständlich allgegenwärtig ist, und doch lesen wir, dass Er herniederkam? Geradeso ist es mit dem Heiligen Geiste; als Gott war und ist Er überall, und doch kam Er, von dem Herrn Jesu gesandt, auf diese Erde herab; und wo wohnt Er jetzt? In unseren Leibern und in der Versammlung Gottes. Welche innere Vortrefflichkeit sollte demnach in beiden zum Ausdruck kommen!

Ich frage weiter: Ist der Heilige Geist wieder weggegangen? hat Er die Erde verlassen? Nein, Gott sei dafür gepriesen! Er wird das auch nie tun, nicht eher als der Herr kommt und die Versammlung aufnimmt, dann wird der Heilige Geist mitaufgenommen werden, oder besser, Er wird mit der Braut in den Himmel zurückkehren, obgleich Er auch dann nicht aufhören wird zu wirken. Er ist jetzt in und bei uns hienieden, und dieser Zustand wird bis zu jenem seligen Augenblicke währen, wo, wie wir sagen, Gott die Erde aufgibt, was aber streng genommen auch dann noch nicht der Fall ist. Aber, fragst du vielleicht, woran kann Seine Gegenwart erkannt werden? was ist der Beweis, worin besteht das Zeugnis, dass Er hier ist? Wunder und Zeichen geschehen heute nicht mehr wie am Anfang, und werden auch wohl nicht wieder geschehen, es sei denn infolge des Einflusses und der Macht Satans. Nein, dieser Beweis, dieses Zeugnis ist mehr praktischer Natur: Die Gegenwart des Geistes gibt sich kund in dem Verhalten, der Gesinnung, und den Wegen der Gläubigen, und deshalb ist es von höchster Wichtigkeit, jetzt in der Kraft des Geistes zu wandeln.

Doch lasst uns nie vergessen, dass all diese Dinge die Frucht des vollbrachten Erlösungswerkes sind. Denn wie könnten wir in dieser Weise reden, wenn wir nur auf uns selbst blicken müssten? Nun kommt aber der Heilige Geist als das Siegel und die Bestätigung des Wertes des Werkes Christi zu uns und bringt dann, nachdem Er uns die Wirksamkeit dieses Werkes bezeugt hat, Frucht in uns hervor. Geradeso war es bei den Priestern unter dem Gesetz: sie wurden zuerst mit Wasser gewaschen, sodann mit Blut besprengt und schließlich mit Oel gesalbt. Der Geist kommt also nicht als die Bestätigung der Früchte, die ja nur Er allein hervorbringen kann, sondern als die Bestätigung der dem Werke Christi innewohnenden Kraft; und dann erst folgt die Frucht.

Auf demselben Wege finden wir auch Frieden: nämlich durch den Geist, der von der Wirksamkeit des Werkes Christi Zeugnis ablegt. Von der Sünde überführt, fliehen wir zu Jesu und unterwerfen uns der Gerechtigkeit Gottes, indem wir im Glauben auf den Wert des Blutes Christi blicken; und dann kehrt Friede in unser Herz ein, und der Heilige Geist ist das Zeugnis und Siegel dieses Friedens. Nun erst ergeht die Mahnung an uns: „betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes, durch welchen ihr versiegelt worden seid auf den Tag der Erlösung." (Eph. 4, 30.) So war es auch bei den Kindern Israel. Es wurde ihnen nicht gesagt: „Sehet auf die Fortschritte, die ihr gemacht habt; sehet, ihr habt Sukkot verlassen und traget den Teig in euren Backschüsseln!" sondern: „stehet und sehet die Rettung Jehovas". (2. Mose 14, 13.) Das, was die Wirkung des Erlösungswerkes unterscheidet und auszeichnet, ist gerade die Gegenwart des Heiligen Geistes; wir genießen sie als die Frucht des Werkes Christi.

Ist es so bei dir, teurer Leser? Glaubst du, dass du erlöst bist? Du redest von Christus als deinem Erlöser; aber lass mich dich fragen: Was hat Er für dich getan? hat Er dich dann in Ägypten zurück- gelassen? Nein, wenn du ein Gläubiger bist, so hat Er dich aus dem Lande der Knechtschaft herausgeführt; und Er selbst ist in den Himmel gegangen, um dort in der Gegenwart Gottes für dich zu erscheinen. Was uns, ehe wir glaubten, so viel zu schaffen machte, sollte uns nur von unserer völligen Ohnmacht, unsrer gänzlichen Unfähigkeit überführen, selbst irgendetwas zu unserer Errettung tun zu können. Aber was könnten wir tun? Wenn wir ganz und gar kraftlos sind, was bleibt uns da andres übrig, als „zu stehen und die Rettung Jehovas zu sehen"? Wenn ich diese aber erfahren habe, so darf ich sagen: Ich bin überhaupt nicht mehr in Ägypten. Stattdessen befinde ich mich auf der Reise durch die Wüste, sowie in Herzensübungen aller Art (5. Mose 8), und nachdem ich durch den Jordan gegangen bin, stehe ich im Kampfe in Kanaan; aber alles das in dem Bewusstsein meiner persönlichen Erlösung.

Der Herr gebe uns mehr und mehr zu verstehen, dass wir auf Grund der Erlösung dazu berufen sind, durch den Heiligen Geist die Wohnstätte Gottes auf Erden zu bilden, und dies sowohl persönlich als auch gemeinschaftlich als die Versammlung Gottes! Er wolle uns auch immer tiefer fühlen lassen, welchen Charakter wir infolgedessen „in heiligem Wandel und Gottseligkeit" zur Schau tragen sollten, und dass „Heiligkeit Seinem Hause geziemt auf Länge der Tage". (2. Petr. 3, 11; Ps. 93, 5.) Dieser Zustand wird fortdauern, bis der neue Himmel und die neue Erde kommen; und selbst dann wird, wie wir gesehen haben, von der Hütte Gottes bei den Menschen gesprochen, und zwar in Verbindung mit der Stellung, die wir in Christus erlangt haben. — Der Herr gebe uns durch den Glauben zu verstehen, dass unsere Leiber Tempel des Heiligen Geistes sind, und dass wir nicht uns selbst angehören, sondern um' einen Preis erkauft worden find.


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