1. Petr. 1, 1-7.
In den Briefen des Apostels Petrus wird der Gläubige nicht als mit Christus im Himmel vereinigt betrachtet, sondern als inmitten der Trübsale dieser Erde ans dem Weg nach dem Himmel begriffen. Beide Stellungen sind unser und wir haben nötig, dass uns beide vorgehalten werden. Wir pilgern hier durch die Wüste nach dem Himmel, aber zu gleicher Zeit können wir sagen, dass wir durch den Geist Gottes mit Christus droben eins sind. Der Gläubige wird hier nach der ersteren Seite betrachtet. Das Erbteil ist für ihn aufbewahrt, und die Wahrheit und Gnade Gottes beschäftigen sich stets auch mit den Umständen, worin er sich jetzt befindet. Es ist überaus tröstlich, dies zu wissen, denn Prüfungen und Schwierigkeiten müssen wir eben hienieden erwarten. Unser Leben ist ein Weg durch Trübsale aller Art (welche aber auch wieder zu unserm Guten mitwirken) nach „einem unverweslichen, unbefleckten und unvergänglichen Erbteil", welches sicher für uns aufbewahrt ist, gleichwie auch wir, wie der Apostel hinzufügt, „durch Gottes Macht durch Glauben" für dasselbe bewahrt werden. Dies ist die Stellung, welche diese Epistel den Gläubigen gibt. Wir sind „wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten." Petrus sagt nicht gerade, dass wir mit Ihm auferstanden seien, aber er betrachtet Christus als auferstanden und in den Himmel eingegangen, wodurch die lebendige Hoffnung und das unverwesliche Erbteil unser ist, sicher aufbewahrt im Himmel für uns. So sagt auch Paulus: „Ich weiß wem ich geglaubt habe und bin überzeugt, dass Er mächtig ist, das ihm von mir anvertraute Gut auf jenen Tag zu bewahren" (2. Tim. 1, 12). All sein Glück war im Himmel, wie er selbst in der sichern Hut des Herrn.
Wir haben in diesem Abschnitt den Charakter und Weg des Christen, die herrliche bewahrende Treue des Herrn und die Schwierigkeiten der Laufbahn, die den Gläubigen seinem Ziele entgegenführt. Diese Dinge werden dem Gesetz und der Stellung, welche Israel unter demselben einnahm, auf schlagende Weise gegenübergestellt. Es zieht sich dieser Gedanke durch das Ganze hindurch und auch sonst finden wir ihn beständig im Neuen Testament.
„Auserwählt", sagt der Apostel, „nach Vorkenntnis Gottes des Vaters." Er gründet die Gläubigen auf diese kostbare Wahrheit. Sie sind nicht ein Volk, als Nation aus den anderen Völkern herausgenommen, sondern sie haben diesen Platz durch die Vorkenntnis Gottes des Vaters, und durch die Wirksamkeit des Geistes sind sic geheiligt, d. h. für Ihn abgesondert.
Dann finden wir, zu welchem praktischen, gegenwärtigen Zweck sic geheiligt sind, nämlich zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi. Dies sind gerade die zwei Hauptpunkte des Lebens Jesu und des Weges, den Er ging, zwei Dinge, die sich bei Ihm miteinander vermengten, einander sozusagen ergänzten. Der große Gedanke, der uns beherrschen und durchdringen soll, ist der Gehorsam Jesu Christi und die Blutbesprengung Jesu Christi.
Diese beiden Dinge stehen im Gegensatz zum Gesetz, sowohl hinsichtlich seiner moralischen Forderungen als auch seiner Opfer. Es ist daher für unseren Wandel als Gläubige sehr wichtig, dass wir recht verstehen lernen, was dieser Gehorsam war, denn ein gesetzlicher Gehorsam ist sehr weit davon verschieden. Wir haben alle einen eigenen Willen: dies war nicht der Fall bei Christus. In einem gewissen Sinn hatte Er freilich als Mensch einen Willen, aber Er sagte: „Nicht mein, sondern Dein Wille geschehe!" Das Gesetz, auf den Menschen angewandt, tritt diesem Eigenwillen entgegen, den es bei ihm findet, und unser Begriff von Gehorsam ist gerade die Beugung dieses Willens vor dem Gesetz. Nehmen wir das Beispiel eines Kindes. Es lässt sich durch seinen eigenen Willen leiten. Bengt es diesen aber augenblicklich unter den Willen der Eltern und tut entweder, was es geheißen, oder hört auf zu tun, was ihm verboten worden ist, so nennen wir es ein gehorsames Kind und es freut uns, einen so gehorsamen Geist zu sehen. Christi Gehorsam aber war nie von dieser Art. Er wünschte nie, wie wir, Seinem eigenen Willen nach Dinge zu tun, welche Gott Ihm verbieten musste. Aber Er konnte auch nicht wünschen, dass Gottes Zorn im Gericht über die Sünde Ihn treffen sollte, und so betete Er, dass dieser Kelch an Ihm vorübergehen möge. Sein Gehorsam war ganz verschieden von gesetzlichem Gehorsam. Seines Vaters Wille war Sein Beweggrund in allem, was Er tat. „Siehe ich komme, nur Deinen Willen, o Gott, zu tun."
Wenn nun dies die Art des Gehorsams Jesu Christi war, so sollte es auch diejenige unseres Gehorsams als Christen sein. Oft freilich ist unser Gehorsam nur von der zuerst erwähnten Art, denn Gott muss vielfach unserm eigenen Willen entgegentreten, weil wir hienieden stets noch die alte Natur in uns haben. Was aber das ganze Leben des Christen kennzeichnen sollte, ist dies, dass der Wille Gottes, unseres Vaters, bei uns wie bei Christus Ursache und Beweggrund all unsers Tuns sei. Als Satan kam und zu Ihm sagte: „Sprich, dass diese Steine Brod werden", da antwortete Er: „Der Mensch lebt nicht von Brot allein, sondern von jeglichem Wort, das aus dem Munde Gottes hervorgeht." Sein tägliches Leben, Sein ganzes Benehmen wurzelte in dem Worte Gottes, welches Ihn immer und überall leitete, denn einen anderen Beweggrund kannte Er gar nicht.
Wie müsste dies den ganzen Ton und Geist des Lebens eines Menschen verändern! Auf wie erstaunliche Weise vereinfacht sich alles für mich, wenn nichts anderes als der Wille meines Vaters mein Beweggrund ist. Wie vieles aus unserm Leben würde verschwinden, wenn wir nie etwas aus einem anderen Grunde tun wollten, als weil es Gottes Wille für uns ist. Wie wenig entsprechen wir leider dem in der Praxis; diesen Charakter aber, das sehen wir klar, hatte der Gehorsam Christi.
Dies ist auch der Grundsatz wirklicher Frömmigkeit, denn wir werden dadurch in beständiger Abhängigkeit von Gott und in beständiger Beziehung zu Ihm erhalten. Und welch ein Trost liegt für meine Seele in dem Gedanken, dass es keinen noch so kleinen Umstand in meinem ganzen Leben gibt, bezüglich dessen Gott als mein Baker nicht einen bestimmten Willen hat und mich leiten will; dass ich keinen Schritt tun muss, ohne dass Gott mir den Weg zeigen und mich führen will. Ich mag dies vergessen und fehl gehen, aber im Gehorsam gegen das Wort und den Willen Gottes gelangt die Seele zu dem glücklichen Bewusstsein, dass die Gnade Gottes für alles gesorgt hat und für alles genug ist. Ihre beständige Unruhe um dies und jenes hört auf, denn sie weiß, dass sie keinen Schritt mehr tun muss, den Seine Liebe nicht zuvor für sie bereitet hat. Eine solche Seele kann in dem glücklichen Gefühl der Gunst Gottes und der Abhängigkeit von Ihm mit David sagen: „Deine Rechte stützt mich." Moses sagte nicht zu Jehova: „Zeige mir einen Weg durch die Wüste", sondern: „Zeige mir deinen Weg." Des Menschen Wege sind was er selbst ist, so zeigen uns auch Gottes Wege, was Er ist.
Wer auf diesem Pfad geht, dessen Herz wird mehr und mehr für Gott gewonnen und abgesondert, und wächst in dem Verständnis dessen, was Er ist. Wenn ich weiß, dass dies oder jenes Gott wohlgefällt, so ist es, weil ich Ihn kenne, und nicht nur ist dies der richtige Weg für uns, aus welchem wir in gottgemäßer Heiligkeit wachsen können, sondern diese beständige, liebende Beziehung des Herzens zu Gott ist allein wahre Frömmigkeit und nach dieser sollen wir trachten. Wir finden dies in Vollkommenheit bei unserm Herrn. „Ich weiß", sagt Er, „dass du mich allezeit hörest" (Joh. 11, 42). Das ist ein Vertrauen, welches aus innigen Beziehungen der Seele mit Gott heranwächst und auf Seine Macht sich stützt. Wenn der Gläubige nur Gottes vollkommenen Weg zu gehen und Seinen wohlgefälligen Willen zu tun sucht, so wird dadurch seine Verbindung mit Gott gepflegt und seine Gemeinschaft mit Ihm bleibt ununterbrochen, weil der Geist nicht betrübt ist. Und dies ist der Gehorsam Jesu Christi, zu dem wir berufen und abgesondert sind.
Und weiter, so lesen wir in unserm Abschnitt, sind wir „auserwählt.... zur Blutbesprengung Jesu Christi." Wenn die Priester geweiht wurden, so wurde das Blut auf ihr rechtes Ohr und an Hand und Fuß getan, zum Zeichen, dass Geist und Gemüt, Werke und Wandel in Übereinstimmung sein sollten mit ihrer heiligen Stellung (3. Mose 8, 24. 24). In Gottes Augen ist kein Flecken an uns, wegen des Blutes, das für uns vergossen worden ist, und gemäß der Kostbarkeit dieses Blutes vor Gott soll unser Wandel sein. Auf den, dessen Aussatzübel heil geworden war, sollte das Blut siebenmal gesprengt werden (3. Mose 14, 7), ein Vorbild derer, welche Gott geheiligt sind durch die ganze vollkommene Kraft und Gültigkeit, die das Blut Jesu in Seinen Augen hat.
Dieses Abgesondertsein für Gott war im Leben und im Tod der Charakter Jesu, und es ist auch das Kennzeichen der an Ihn Glaubenden, das, wodurch sie fähig gemacht sind, sich mit Freuden ihres himmlischen Erbteils, bewusst zu werden. Christus ist jetzt dort oben, der Tod hat keine Macht über Ihn, und durch Ihn steht nun nichts mehr zwischen mir und jenem Erbteil. Der Tod selbst ist überwunden, so gänzlich überwunden, dass wenn der Herr Jesus kommen würde, wir gar nicht sterben müssten; in jedem Fall aber werden wir mit Ihm verherrlicht werden. Anstatt dass der Tod über uns herrscht, triumphieren wir über ihn. „Alles", sagt der Apostel, „ist euer, es sei Welt oder Leben oder Tod, oder Gegenwärtiges oder Zukünftiges" (1. Kor. 3, 22). Christus ist gekommen und hat die tiefsten und äußersten Folgen unseres Falles getragen, und in Seiner Auferstehung jede Spur derselben verwischt. Nicht nur ist Sein Blut auf uns gesprengt worden, sondern jede Spur unserer Sünde und Schuld ist vor Gottes Augen hinweggetan worden, so dass, wenn wir auch sterben müssten, dies nur Gewinn für uns wäre, ein Schritt, durch den wir zu unserm unverweslichen Erbe gelangen.
Ein dritter Punkt in unserm Kapitel ist das Bewahrtwerden auf dem Wege. Er hat Schwierigkeiten, Prüfungen, Versuchungen für uns, welche wir wohltun, ins Auge zu fassen. Wohl geht es im Gehen für einige glatter ab als für andere, doch haben alle genug Veranlassung, sorgfältig eine gerade Bahn für ihre Füße zu suchen. Doch wir sind „durch Gottes Macht bewahrt", allein beachte, es ist „durch Glauben." Wir können auf die ganze Bracht Gottes zählen, aber sie ist in erster Linie tätig, unseren Glauben aufrecht zu halten. Der Herr sagt zu Petrus: „Ich habe für dich gebeten, auf dass dein Glaube nicht aufhöre." Er nimmt uns nicht immer aus den Prüfungen heraus, im Gegenteil lesen wir: „Die ihr betrübt seid durch mannigfache Versuchungen." Wenn wir auch nicht an der Güte Gottes zweifeln, so kann dennoch der Druck des Kummers oder die Gefahr zu gleiten große Betrübnis bei uns Hervorrufen, doch sind wir ja immerhin diesen Dingen nur für „eine kleine Zeit" und „wenn es nötig ist" unterworfen, lasst uns nicht beunruhigt sein. Gott ist es ja, der dieses „wenn es nötig ist" für uns abwägt. Es ist Ihm keine Freude, uns zu betrüben. Wenn es nötig ist, müssen wir eben durch die Prüfung gehen, aber sie währt nur eine kleine Zeit. Die gehört mit zu der Erziehung, die Er uns gibt, und wir dürfen nicht meinen, dass wir ihrer nicht bedürfen. Das Wichtige für uns ist, volles Vertrauen in die stiebe Gottes zu haben in der Gewissheit, dass alles von Ihm kommt — nicht auf die Umstände, oder auf natürliche Ursachen zu blicken, sondern die Hand des Herrn in allem zu erkennen, der die Bewährung unsers Glaubens erzwecken will. Wenn der Tag kommt, an welchem alles im sticht offenbar wird, so werden wir erkennen, zu welch herrlichen Resultaten diese Trübsale und Versuchungen beizutragen hatten. Unser Gott und Vater braucht die Dinge in dieser Welt, das Böse, die Sünde, die Feindschaft andrer, einfach als Werkzeuge, unseren Willen zu brechen, unsre Herzen zu üben und uns überhaupt die nötige Zucht angedeihen zu lassen, auf dass wir einfältigen Gehorsam lernen und unser Glaube zu Lob und Herrlichkeit und Ehre erfunden werde bei der Offenbarung Jesu Christi.
Welch eine kräftigende Wirkung muss die Erwartung Christi auf uns haben. Wenn ich auf einer Reise bin, so ist es nicht so schlimm, wenn ich auch ein paar Tage in einem unbequemen Gasthaus weilen muss. Mag ich auch wünschen, dass mein Aufenthaltsort besser wäre, so macht er mich doch nicht unglücklich, da ich nicht darin bleiben muss. So ist auch die Erde nicht der Ort unseres Bleibens und Wohnens, sondern vielmehr der Ort, wo wir sterben müssen, wo unser eigenes, altes Leben im Tode gehalten werden muss. Unser eigentliches Leben ist verborgen mit Christus in Gott und wir warten auf die Erscheinung des Herrn Jesu Christi, auf Gottes Sohn vom Himmel, der uns dort in unser ewiges Teil Unsicheren will. Alles, was uns hier auf dem Wege begegnet, ist darauf berechnet, uns zuzubereiten für Ihn, der uns für immer bei sich haben will. Dieser Gedanke und dieses Warten auf den Sohn Gottes ist von höchst wichtigem, praktischem Einfluss auf unseren täglichen Weg und unseren Dienst. Suchen wir Trost und Erheiterung in den Dingen der Well, so werden wir auch in dieser Beziehung finden, dass wir, wie Paulus sagt, „die elendesten von allen Menschen sind" und Gottes Zucht wird uns überdies' erreichen, wenn wir auf angenehmem Fuß mit der Welt zu leben suchen, als wäre unsre Heimstätte hier.
Wie würde das Kommen Christi uns alle finden, wenn es heute geschähe? Uns erfreuend in der Hoffnung, Ihn, unseren geliebten Herrn zu sehen, der uns aus unseren mannigfachen Versuchungen, durch die wir betrübt sind, herausheben wird? oder würde es uns überraschen und uns zu trennen haben von einer Menge Dinge, an denen wir hangen und die wir zurücklassen müssten? Da liegt der nur zu oft hervortretende Unterschied unter den Gläubigen. Wenn mein ganzes Leben in Seinem Willen wurzelt, welcher Beweggrund und Triebkraft desselben ist, so wird es mir nicht an Übungen und nöliger Zucht fehlen, aber meine Seele wartet einfach auf Ihn, welcher kommt, um mich zu sich zu nehmen.
Möge der Herr uns Aufrichtigkeit des Herzens gegen Ihn schenken und uns nicht vergessen lassen, dass, wenn wir Christen sind, Christus unser Leben ist und dass Er kein Teil auf dieser Erde hatte.
Wenn wir Glauben haben, so finden wir darin Freude und Friede und Ruhe des Geistes. Abraham fand aus dem Berge den Ort, wo Er fürbittend mit Gott verkehren konnte, während Lot sagte: „Ich kann mich nicht retten auf das Gebirge, es möchte mich das Unglück erhaschen, dass ich stürbe." Der Unglaube betrachtet den Pfad des Glaubens als den allerschwierigsten, dunkelsten; aber möge der Herr es uns schenken, dasjenige Leben in uns herrschen zu lassen, welches wir leben „durch Glauben an den Sohn Gottes!"